Havanna. Delegation um Frank Horch besucht im Hafen Mariel das Vorzeigeprojekt Kubas. Hamburg könnte bei Aufbau der Marktwirtschaft helfen.

Es geht eher gemächlich zu im Hafen von Mariel. Vier Containerbrücken der neuesten Generation ragen in den karibischen Himmel, doch die Ausleger sind hochgeklappt, es ist gerade kein Schiff zum Entladen da. Ein Stück weiter stapeln sich Tausende Stahlboxen aus aller Welt. Die knallroten Container der Reederei Hamburg Süd stechen besonders heraus. Die Hanseaten verschiffen jährlich etwa 10.000 Boxen in den Inselstaat, die aus Europa, Asien oder Mexiko kommen. Abgeholt werden 2000 Container mit landwirtschaftlichen Produkten.

Insgesamt könnten im Hafen von Mariel rund 820.000 Standardcontainer (TEU) jährlich umgeschlagen werden, tatsächlich sind es derzeit gut 300.000. Das Terminal etwa 45 Kilometer westlich der Hauptstadt Havanna ist das größte Vorzeigeprojekt der kubanischen Regierung. Vor zwei Jahren wurde es in die Landschaft zwischen Palmen und Felder gesetzt. Baufahrzeuge planieren in der Umgebung Flächen, die für die Ansiedlung ausländischer Firmen genutzt werden sollen. Insgesamt umfasst das Gelände 4000 Hektar, so viel wie eine kleine Stadt.

Hafendirektor Emilio Marcelo Rodriguez ist der Stolz anzumerken, als er Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) die Funktionsweise des Terminals erklärt. „Wir wollen hier eine zentrale Anlaufstelle in der Karibik werden“, sagt er. Im Augenblick könne man wegen der schmalen Fahrrinne nur Schiffe mit bis zu 8000 Containern abfertigen. Doch nach der Verbreiterung 2016 könnten auch Frachter mit rund 13.000 TEU Kapazität be- und entladen werden.

Für den Bau des Vorzeigehafens ist die sozialistische Regierung über ihren Schatten gesprungen und hat den größten Terminalbetreiber der Welt, PSA aus Singapur, ins Land gelassen. Dieser managt die Anlage. Die Hamburger Experten, die mit Senator Horch auf Kuba unterwegs sind, zeigen sich beeindruckt. „Wenn das US-Embargo gegen Kuba fällt, ist Mariel als zentraler Umschlagplatz sehr gut aufgestellt“, sagt der Chef der Hamburger Hafenbehörde HPA, Jens Meier. „Ich kann mir gut vorstellen, dass wir eine Partnerschaft aufbauen und Erfahrungen austauschen.“ Es gebe viele Gemeinsamkeiten zwischen beiden Häfen.

Für Kuba geht es in Mariel aber um mehr als um einen Umschlagplatz. In der angrenzenden Sonderwirtschaftszone sollen Produktionsbetriebe aus dem Ausland dazu beitragen, all jene Dinge herzustellen, die in der sozialistischen Mangelwirtschaft fehlen. Gelockt werden sie auch mit einer zehnjährigen Steuerbefreiung. 400 Interessenten soll es geben, acht Projekte befinden sich in der Umsetzung, darunter eine Fleischverarbeitungsanlage eines mexikanischen Investors und eine Autofabrik des chinesischen Herstellers Geely. Die deutsche Firma Otto Bock will orthopädische Prothesen in Mariel herstellen.

Kuba ist in den vergangenen Jahrzehnten auf vielen Gebieten stehen geblieben. Sportstadien, Wohnhäuser, Hotels – alles bröckelt vor sich hin, weil etwa Baumaterialien fehlen. Die Jugend verlässt in Scharen die Insel, weil sie keine Zukunft mehr sieht. Auch gut ausgebildete Akademiker bekommen kaum mehr als das Durchschnittseinkommen von 25 Dollar im Monat.

Das dämmert auch der sozialistischen Regierung: Veränderungen sind nötig, wenn das Land nicht untergehen soll. Im Büro des Außenhandelsministers Rodrigo Malmierca Diaz hängt zwar immer noch eine wandfüllende Schwarz-Weiß-Aufnahme Fidel Cas­tros während einer Rede, doch der Minister selbst wirkt eher müde und desillusioniert im 57. Jahr der permanenten Revolution. „Es gibt eine Reihe von Aktivitäten, in denen der Staat nicht effizient ist“, sagt er in ungewohnter Offenheit. Dies sei etwa in der Gastronomie der Fall. „Viele staatliche Restaurants sind nicht gut.“ Die Regierung habe kein Problem, wenn diese von privaten Firmen übernommen werden.

Der Minister ist offenbar daran interessiert, einen Wandel im Land zuzulassen und von den Erfahrungen ausländischer Firmen profitieren zu können. „Die Chefs in unseren staatlichen Unternehmen erwarten, dass ihnen von oben gesagt wird, was sie tun sollen“, sagt er. „Wir suchen nach einem effizienteren, ökonomischen Modell und trennen den Staat von den Unternehmen.“ Es klingt fast so, als wolle er jetzt gleich den Sozialismus abschaffen.

Für deutsche und Hamburger Firmen hat der Minister auf jeden Fall eine Menge Sympathien übrig. „Die Deutschen haben viel Know-how und sehr seriöse Firmen“, sagt er Wirtschaftssenator Horch. Und er lässt durchblicken, dass er zwar Chancen in der Annäherung an den einstigen Erzfeind USA sieht, zugleich aber auch nicht in Abhängigkeit vom großen Nachbarn geraten möchte. Wenn das US-Embargo fällt, könnten amerikanische Waren rasch das Land überschwemmen. Insofern hat Kuba ein gewisses Interesse daran, mit europäischen Partnern ins Geschäft zu kommen. „Investieren Sie jetzt in Kuba, damit Sie noch einen Vorsprung vor den USA haben“, sagt der Minister den Deutschen.