Havanna . In Havanna trifft Wirtschaftssenator Frank Horch unverhofft auf Fidelito und lädt ihn zur Hafenrundfahrt nach Hamburg ein.

Die Ähnlichkeit ist schon verblüffend. Die gleichen Gesichtszüge, der gleiche Backenbart, die gleichen, zurückgekämmten, grauen Haare. Für einen kurzen Augenblick scheint es, als sei Fidel Castro in einer jüngeren Ausgabe seiner selbst auf dem Empfang in einer Villa von Havanna aufgetaucht. Doch es ist nicht der einstige, mittlerweile 89-jährige Staatschef von Kuba, der da im blaugestreiften Hemd steht und an seinem Whiskey nippt. Es ist der älteste Sohn des früheren Revolutionsführers, den sie im Land alle nur „Fidelito“, den „kleinen Fidel“ nennen.

Lange Zeit hatte es so ausgesehen, dass Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch auf seiner einwöchigen Kuba- und Miami-Reise eher kein Mitglied aus der mächtigen Castro-Familie zu sehen bekommen würde, die den karibischen Inselstaat noch immer fest im Griff hat. Der einstige „Maximo Lider“ Fidel soll zwar ab und zu noch Gäste empfangen, ist aber weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden. Sein Bruder Raúl, 84, führt heute das Land und macht erste vorsichtige Schritte in Richtung Marktwirtschaft.

Fidelito Castro, 66, ist eigentlich Atomphysiker. Offiziell berät er auf Kuba den Staatsrat für wissenschaftliche Angelegenheiten. Horch nutzt das etwas unverhoffte Auftauchen des Gastes, um bei ihm für die Belange Hamburgs zu werben. Gern würden die Hanseaten mit Kuba bei der Weiterentwicklung der Häfen ins Geschäft kommen. Horch spricht auch von großen Expertisen in Umwelt- und Energiefragen. Für das kommende Jahr lädt der Senator den Castro-Sohn nach Hamburg ein – Hafenrundfahrt inklusive.

Fidelito Castro akzeptiert, er ist sehr interessiert an der Entwicklung in der Hansestadt. Im Jahr 2005 war er schon einmal an der Elbe und hat unter anderem das Forschungszentrum Desy besucht. Von solchen innovativen Technologien könne sein Land mehr gebrauchen, lässt er den Senator wissen. Darüber hinaus hält er sich mit Äußerungen sehr zurück. Kein Wort zum Gesundheitszustand des Vaters oder zur allgemeinen Lage des Landes.

Das plötzliche Auftauchen des Castro-Sohnes sagt viel aus über die Art und Weise, wie auf Kuba Geschäfte und Politik gemacht werden. Monatelang haben sich die Hamburger darum bemüht, offizielle Termine zu bekommen, sind immer wieder hingehalten worden. Dass sich dann doch ein Mitglied der Castro-Familie zeigt, hat mit den guten Beziehungen des Unternehmers Jürgen Nicklaus zu tun, der seit Jahrzehnten Industriegase auf der Insel herstellt. Es ist sein abendlicher Empfang, auf dem Fidelito Castro aufgetaucht ist. In einer herrschaftlichen Villa am Rande von Havanna, in der Mojitos serviert werden und eine Band Merengue spielt. Häppchen und Zigarren werden gereicht. Auch der Außenhandelsminister ist anwesend, man kennt sich.

Grundsätzlich sind die Kubaner durchaus daran interessiert, mit den deutschen und anderen ausländischen Investoren ins Geschäft zu kommen. Dafür haben sie vor zwei Jahren etwa 45 Kilometer westlich von Havanna die Sonderwirtschaftszone Mariel eingerichtet, samt einem modernen Containerhafen. Das Projekt soll vor allem dazu dienen, die starke Importabhängigkeit des Inselstaates zu verringern, indem ausländische Unternehmen im Land das produzieren, was Kuba fehlt. Das ist so ziemlich alles, im Schwerpunkt aber Lebensmittel, erneuerbare Energien und Computertechnologie. Anschauen können sich die Hamburger das Projekt allerdings am zweiten Tag ihrer Delegationsreise nicht, sie müssen mit einer Präsentation in einem dunkel getäfelten Raum in der kubanischen Handelskammer vorliebnehmen. Eine Mitarbeiterin der Kammer preist die Vorzüge von Mariel: Zehn Jahre Steuerbefreiung für die ausländischen Unternehmen gehört dazu. Kuba habe ein investitionsfreundliches Klima, sagt sie. „Investoren können nicht enteignet werden, es sei denn, dies liegt im sozialen Interesse des Landes.“ Bei dem Zusatz bleibt einigen mitgereisten Unternehmern für einen Moment die Luft weg.

Die kubanischen Politiker träumen davon, dass der neugebaute Hafen von Mariel der zentrale Umschlagplatz in der Karibik werden könnte. Verglichen mit dem Hamburger Hafen aber sind die Kapazitäten gering. Gut 800.000 Standardcontainer können dort jährlich umgeschlagen werden. Tatsächlich ist es im Augenblick etwa die Hälfte. In der Hansestadt sind es jährlich fast neun Millionen TEU.

Hamburgs Wirtschaftssenator Frank
Horch (l.) mit Fidelito Castro
Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (l.) mit Fidelito Castro © HA | Bob Geisler

Der wichtigste Wirtschaftszweig des Landes bleibt ohnehin der Tourismus. Die Zahl der Reisenden ist in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen, viele wollen noch einmal das „echte Kuba“ erleben, bevor sich das Land durch die Annäherung an den einstigen Erzfeind USA komplett verändert. Deutsche liegen dabei auf Platz zwei hinter den Kanadiern. Richtig eng dürfte es auf Kuba werden, wenn die Reisebeschränkungen für US-Touristen komplett aufgehoben werden. Schon jetzt platzen die Hotels in Havanna aus allen Nähten, viele Reisende und Geschäftsleute suchen vergeblich nach Zimmern. Eine Situation, die dem stellvertretenden kubanischen Tourismusminister José Reinaldo Daniel durchaus bewusst ist. „Die Kapazitäten der Hotels in Havanna sind ein Problem“, sagt er. Tausende neue Zimmer will die Regierung auf der ganzen Insel pro Jahr bauen lassen, um die Situation zu entschärfen. Die meisten Anlagen liegen dabei an der Küste, aber auch in den größeren Städten. Auch hier ist das Land bereit, Kooperationen mit ausländischen Investoren einzugehen.

Im Tourismusministerium stößt Horch auf viel Interesse für die Expertise, die Hamburg in diesem Bereich zu bieten hat. Die Hanseaten bringen verschiedene Themen von Kreuzfahrtterminals mit Landstromanbindung bis Musicals zur Sprache. Konkrete Vereinbarungen gibt es auch hier nicht. „Aber es ist ein guter Anfang für den Aufbau langfristiger Beziehungen“, sagt der stellvertretende Minister. Auch schon etwas, wenn man bedenkt, dass Kuba noch vor ein paar Jahren der Paria der Weltpolitik war. Wirtschaftsgespräche hier sind auch so etwas wie ein Stück Entspannungspolitik.