Havanna. Hamburger Wirtschaftsdelegation erfährt auf ihrer Kuba-Reise viel über die Chancen im Inselstaat – und über Probleme.

Er sei gekommen, um zu lernen und Erfahrungen zu sammeln, sagt Frank Horch. Hamburgs parteiloser Wirtschaftssenator steht in legerer Kleidung auf der Plaza de la Catedral in der historischen Altstadt von Havanna. Die Temperatur liegt bei 25 Grad, ein kräftiger Wind bläst durch die Gassen. Es ist vergleichsweise kühl für kubanische Verhältnisse. Auf dem Platz wuseln Reisende aus aller Welt, kubanische Frauen mit dicken Zigarren posieren für die Touristen. Aus der Bodequita del Medio, der Kneipe, in der einst Hemingway abgestiegen sein soll, dringen lateinamerikanische Klänge.

Die Altstadt von Havanna ist einer jener Orte, an denen sich der Wandel im sozialistischen Kuba beobachten lässt. Der Putz blättert zwar noch immer von vielen Kolonialbauten aus dem 17. Jahrhundert, doch mindestens ebenso viele Gebäude sind frisch renoviert, erstrahlen in knalligem Gelb oder Blau. Immer mehr Kubaner machen hier privat ihren eigenen Laden auf, Restaurants und Cafés zumeist, aber auch Tätowierstuben oder einfache Straßenstände, an denen zerlesene Che-Guevara- und Fidel-Castro-Biografien feilgeboten werden. In den einen oder anderen Palazzo sind auch schon ausländische Ketten wie Benetton oder Adidas eingezogen.

Der karibische Inselstaat öffnet sich langsam nach Westen. Raúl Castro, Bruder des einstigen Máximo Líder Fidel, steuert das Land auf einen vorsichtigen Reformkurs und versucht, ausländische Investoren dafür zu gewinnen, sich auf Kuba zu engagieren. Durch die langsame Annäherung an den einstigen Erzfeind USA wird zudem damit gerechnet, dass über kurz oder lang die großen US-Konzerne die Insel mit ihren Waren überfluten werden. Noch ist es aber nicht so weit, noch besteht ein Wirtschaftsembargo.

In dieser Situation wollen die Hamburger den Anschluss nicht verpassen, eine 40-köpfige Delegation ist zusammen mit Horch auf die Insel gereist. Theoretisch könnten sie Kuba auf vielen Gebieten unterstützen. Das gilt für eine Modernisierung der maroden Strom- und Wasserversorgung ebenso wie für die gesamte Infrastruktur. Der Senator wird unter anderem Gespräche mit dem Direktor der staatlichen Stromgesellschaft führen. Ein Schwerpunkt könnte auch auf der Hilfe beim Umbau des Hafens von Havanna liegen, der so umgestaltet werden soll, dass hier vermehrt Kreuzfahrtschiffe anlegen können. Reeder und Hafenexperten sind aus diesen Gründen mit Horch nach Havanna gereist.

Die deutschen Unternehmer allerdings, die schon seit einigen Jahrzehnten auf Kuba aktiv sind, machen den Hamburger Gästen wenig Hoffnung, rasche Erfolge in dem sozialistischen Land erzielen zu können. „Wenn hier auf Kuba mehr investiert werden soll, dann muss die Bürokratie abgebaut werden“, sagt etwa Jürgen Nicklaus, Kuba-Chef der Stefan Messer GmbH, eines Spezialisten für Industrie- und medizinische Gase. „Die meisten Firmen scheitern schon daran, hier einfach nur ein Büro zu eröffnen.“ Tatsächlich sei es in den vergangenen Jahren eher schwieriger als leichter geworden, Genehmigungen zu bekommen. Teils dauere es Monate, eine Arbeitserlaubnis für Techniker zu bekommen, die sich schon seit Monaten im Land befänden. Um sich in Kuba registrieren zu lassen, müssten Firmen ihre Geschäftsbeziehungen zu anderen Unternehmen offenlegen – ein Unding, schon aus vertraglichen Gründen.

Die deutschen Gasspezialisten betreiben auf Kuba unter dem Namen Greenbelt Holdings mehrere Joint Ventures zusammen mit dem kubanischen Staat. Ihr Werksgelände liegt etwa eine halbe Stunde Autofahrt von Havanna entfernt. Eine moderne graue Industrieanlage zwischen Palmen, mit zahlreichen Kesseln und Rohren, in denen die Luft in verschiedene Bestandteile wie Sauerstoff oder Stickstoff zerlegt wird. Diese werden dann an nahezu alle Krankenhäuser und viele Stahlwerke des Landes geliefert.

Ein Problem, mit dem Nicklaus zu kämpfen hat, ist die Bezahlung seiner Mitarbeiter. Der Staat schöpft den Löwenanteil ab. Wenn er seinen Mitarbeitern umgerechnet 1000 Dollar pro Monat zahlt, dann landen bei den Beschäftigten trotzdem nur magere 60 Dollar. „Wie soll es da möglich sein, Mitarbeiter langfristig zu motivieren?“, fragt Nicklaus. Lohnend ist das Geschäft für ihn auf der Insel aber dennoch, weil er durch Preisgleitklauseln bei seinen Produkten die horrenden Energie- und andere Kosten an die Abnehmer weitergeben kann.

Nicklaus ist mit den Kubanern durch Marcus Portal ins Geschäft gekommen. Ein kleiner, fast kahlköpfiger Mann mit einer energischen Stimme und großen, ausladenden Gesten, der bei dem Besuch der Hamburger Delegation in der Industrieanlage ebenfalls anwesend ist. Portal war früher Minister in der kubanischen Regierung. „Mit den Deutschen sind wir damals ein großes Risiko eingegangen“, sagt er. Letztlich habe sich die Zusammenarbeit mit den ausländischen Partnern aber ausgezahlt, weil die Versorgung im Land dadurch viel besser geworden sei.

Ein Hamburger Unternehmer bemängelt die Zahlungsmoral der Kubaner

Eine lange Erfahrung in der Zusammenarbeit mit den Kubanern hat auch Peter Schirrmann. Der Hamburger Unternehmer war 1984 einer der ersten, der den Schritt in das kommunistisch regierte Land wagte, damals noch für seinen Arbeitgeber Degussa. Heute liefert er unter anderem dringend benötigte Asthmamittel nach Kuba. Doch die Zahlungsmoral der Partner ist schlecht. 180 Tage Zeit zum Bezahlen muss er der kubanischen Seite einräumen. Andere Unternehmer berichten gar von 360 Tagen. „Es kann sein, dass es zu Engpässen bei den Medikamenten kommt, weil es mit der Zahlung nicht klappt“, sagt Schirrmann. „Die wirtschaftliche Lage ist wirklich schwierig.“

Dabei hätte das Land enormes Potenzial. Viele Lebensmittel ließen sich dank der klimatischen Bedingungen ohne Schwierigkeiten hier selbst produzieren, dennoch wird ein Großteil aus dem Ausland importiert. Auch bei Öl ist Kuba stark vom Partner Venezuela abhängig.

Unternehmer, die sich auf der Insel engagieren wollen, brauchen, so sieht es aus, vor allem zwei Dinge: eine wirkliche Leidenschaft für das Land und eine Menge Durchhaltevermögen.