Hamburg . Laut Verwaltungsgericht war ihr Engagement gegen den Netzerückkauf rechtswidrig. Grüner Unternehmer hatte geklagt.
Im Streit über ihr bisweilen auch politisches Engagement hat die Handelskammer Hamburg vor dem Verwaltungsgericht eine ebenso überraschende wie deutliche Niederlage erlitten. Mehr als zwei Jahre nach dem Volksentscheid vom 22. September 2013 über den Rückkauf der Energienetze hat das Gericht den öffentlichen Einsatz der Kammer gegen das damals erfolgreiche Anliegen der Volksinitiative jetzt im Nachhinein für rechtswidrig erklärt. Geklagt hatte der Hamburger Unternehmer und Eimsbüttler Grünen-Vorsitzende Dominik Lorenzen (Abendblatt berichtete).
Zu dessen eigener Überraschung stellte das Verwaltungsgericht unter dem Vorsitzenden Richter Dietrich Hölz nun sehr klar fest, dass die Kammer nicht berechtigt gewesen sei, sich so deutlich gegen den Netzerückkauf zu positionieren. So sei es rechtswidrig gewesen, dass die Kammer sich der Initiative „Nein zum Netzkauf“ angeschlossen habe und mit ihrem Logo für die auf Plakaten und in Anzeige veröffentlichten Erklärung „Nicht mit meinem Geld“ geworben habe.
Als ebenfalls widerrechtlich stufte das Gericht die Äußerungen von Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz ein, das Anliegen des Volksentscheids sei ein „Schildbürgerstreich“ und führe zum „Verplempern“ von Geld, wie er es bei der Gründung der Nein-Initiative gesagt hatte und wie es im August 2013 auch im Hamburger Abendblatt zu lesen war. Ebenfalls rechtswidrig sei die Mitwirkung der Kammer an einer in Zeitungen erschienenen Anzeigen-Sonderveröffentlichung „Gemeinsam für Hamburg – Power-Bündnis: Vattenfall und die Stadt Hamburg sichern gemeinsam die Energieversorgung der Hansestadt“ gewesen. Das in der vergangenen Woche verkündete Urteil und die Begründung liegen bisher noch nicht schriftlich vor. Angesichts der klaren Entscheidung, die dem Abendblatt auf Nachfrage vom Gericht bestätigt wurde, ist der Jubel bei den Kritikern der aktuellen Kammerführung aber jetzt schon groß.
„Das ist die Rote Karte für die Handelskammer“, sagt Kläger Dominik Lorenzen. „So geht es in Zukunft nicht mehr. Ich wünsche mir eine starke Handelskammer, die ihren gesetzlichen Auftrag zur Vertretung des Gesamtinteresses der Hamburger Wirtschaft in Zukunft ernsthaft, sachlich und ausgewogen wahrnimmt.“
Das einseitige Engagement der Kammer gegen den Netzerückkauf hatte vor allem Unternehmer aus dem grünen Spektrum erzürnt. Gerade weil jeder Unternehmer zwangsweise Kammermitglied sein müsse, dürfe die Kammer nicht einseitige politische Positionen im Namen aller Mitglieder vertreten, so deren zentrales Argument. Der Streit über diesen Punkt hatte auch zur Gründung des kritischen Bündnisses „Die Kammer sind wir“ geführt, die bei der jüngsten Kammerwahl mit einem guten Dutzend Vertreter ins Plenum eingezogen waren.
Lorenzen hatte seine Klage mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts begründet, das in einer Grundsatzentscheidung erst 2010 festgestellt habe, „dass die Industrie- und Handelskammern als öffentlich-rechtliche Körperschaften in Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben keine reine Interessenvertretung betreiben dürfen, also eine Vertretung der wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder gar einzelner Kammerangehöriger lediglich im Kontext des Gesamtinteresses und damit nur abwägend und ausgleichend ausüben müssen“. Bei der Ausübung ihres Mandats müssten sie das „höchstmögliche Maß an Objektivität walten lassen“.
Die Handelskammer prüft noch, ob sie gegen das Urteil Berufung einlegt
Das jetzige Urteil, sollte es Bestand haben, könnte die Handelskammer künftig in ihrem politischen Auftreten deutlich einschränken. „Wir nehmen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zur Kenntnis und werden nach Vorliegen der Urteilsgründe prüfen, ob wir in die Berufung gehen“, sagte Kammer-Kommunikationschef Jörn Arfs dem Abendblatt. „Die Handelskammer Hamburg wird ihren gesetzlichen Auftrag, das Gesamtinteresse der ihr zugehörigen Gewerbetreibenden gegenüber der öffentlichen Hand zu vertreten, selbstverständlich pflichtgemäß weiterhin erfüllen. Das Urteil stellt diesen Auftrag nicht infrage.“
Bei der für die Kammeraufsicht zuständigen Wirtschaftsbehörde hält man sich ebenfalls noch bedeckt. „Erst wenn uns die Urteilsgründe der Entscheidung vorliegen, können wir eine Bewertung vornehmen“, sagte ihr Sprecher Richard Lemloh. Die Behörde gehe aber davon aus, dass sich das Verwaltungsgericht Hamburg „bei der Beurteilung auf den gesetzlichen Aufgabenbereich von Industrie- und Handelskammern und auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von 2010 bezogen hat“, mit dem auch Kläger Lorenzen argumentiert hatte.