Hamburg. Bacharrudin Jusuf Habibie, 79, sagt: “Ohne Helmut Schmidt gäbe es keine Demokratie in Indonesien.“ Er war mit dem Altkanzler befreundet.
Der Tod Helmut Schmidts bewegt den Ex-Staatspräsidenten von Indonesien, Bacharrudin „BJ“ Jusuf Habibie, 79. Er war seit mehr als 40 Jahren dem Altkanzler freundschaftlich eng verbunden. Immer wieder war Habibie, genannt „Rudy“, der in Indonesien nach dem Sturz des Diktators Suharto 1998 an die Macht kam und im größten muslimischen Land der Welt die Demokratie nach europäischem Vorbild eingeführt hat, zu Gast bei den Schmidts in Langenhorn. Bis zum Schluss. Hamburg ist Habibies zweite Heimat. Auch die Frauen der „Elder Statesmen“, Loki und Ainun, waren befreundet.
Habibie hatte auf Finkenwerder in den 1960er-Jahren Flugzeuge wie den „Hansajet HFB 320“ mitentwickelt und stieg dort schnell bis in die Spitze des Airbus-Vorgängers MBB auf. Er wurde anschließend Wirtschaftsminister Indonesiens und nach dem Sturz des Diktators Suharto Staatspräsident des südostasiatischen Inselreiches. Hamburg hat Habibie aber nie vergessen: Mehrere Monate im Jahr verbringt der zierliche Mann in seinem Haus vor den Toren Hamburgs. Auch jetzt ist er gerade da.
Trauer um Helmut Schmidt
„Helmut Schmidt war für mich ein Idol. Ich habe mit ihm einen sehr lieben, geistigen Vater und einen guten Freund verloren“, sagt Habibie. „Ich konnte ihn jederzeit anrufen. Nun ist es vorbei. Er wird mir fehlen.“ Noch am Sonntagabend, zwei Tage vor Schmidts Tod, hatte Habibie mit Schmidts Tochter Susanne telefoniert, erzählt Habibie. „Ich habe sie gebeten, ihm auszurichten, dass ich für ihn bete. Und ihm zu sagen, dass er ein guter Mensch ist. Sie hat es getan. Sie hat es ihm ins Ohr geflüstert, kurz bevor er starb.“
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Für den promovierten Flugzeugingenieur war Schmidt immer ein Vorbild. Schon als junger Mann sei er „von ihm fasziniert gewesen, wie er die große Flut in Hamburg 1962 bewältigte“. Den von Habibie als Staatschef eingeleiteten Weg zur Demokratie im Vielvölkerstaat Indonesien mit 300 verschiedenen Ethnien habe neben dem damaligen Kanzler Helmut Kohl (CDU) allen voran Helmut Schmidt, der „große Staatsmann“, als Berater entscheidend geprägt, sagt Habibie. „Er ist für mich wie ein intellektueller Vater. Von ihm habe ich gelernt, wie man politische Probleme löst und trotzdem realistisch bleibt. Ich bin kein Politikwissenschaftler. Von ihm habe ich viel über die politische Kultur in Deutschland erfahren und gelernt.“
Bei den Treffen mit Helmut Schmidt sei es immer wieder um die Themen Freiheit und Glauben gegangen. „Er hat mich gefragt, ob ich an Gott glaube. Und er hat es verstanden und akzeptiert, obwohl er selbst kein gläubiger Mensch war“, betont der von Toleranz geprägte Moslem Habibie.
In 517 Tagen als Staatspräsident Indonesiens legte Habibie den Grundstein für die Demokratisierung des Landes: Er führte die Presse- und Religionsfreiheit ein, freie Gewerkschaften und das Demonstrationsrecht. Er ließ alle politischen Gefangenen frei, er erlaubte Parteigründungen und reformierte das Rechts- und Finanzsystem des Landes nach deutschem Vorbild.
„Den Demokratisierungsprozess verdankt Indonesien in hohem Maße Helmut Schmidt“, sagt Habibie. „Die Geschichte Indonesiens wäre eine andere, wenn es Helmut Schmidt nicht gegeben hätte. Er hat mir die deutschen Werte und die demokratischen politischen Wurzeln vermittelt. Und immer wieder gesagt, ,Sagt eure Meinung, sagt was ihr denkt!’“
Deutschland spiele im Herzen Europas eine vergleichbare Rolle wie Indonesien – mit fast 250 Millionen Menschen der bevölkerungsreichste Staat in Südostasien. „Zusammen wollten wir eine Brücke von Europa nach Südostasien bilden. Das war unser Traum, daran haben wir gearbeitet“, erzählt Habibie. Heute ist das Inselreich mit Deutschland wirtschaftlich sehr eng verflochten. Es ist zudem das einzige Land in Südostasien, das zu den G-20-Staaten gehört.
„Die Freundschaft von Indonesien und Deutschland ist in hohem Maße Helmut Schmidt zu verdanken“, sagt Habibie, den Schmidt in den „Interaction Council“ berufen hatte, eine internationale Vereinigung ehemaliger Staats- und Regierungschefs wie Margaret Thatcher und Helmut Schmidt. Habibie, der sich aus der aktiven Politik zurückgezogen hat und seinem Beruf als Flugzeugbauer nachgeht, ist heute ein international gefragter Referent zu gesellschaftspolitischen und soziokulturellen Themen. In seiner Heimat Indonesien ist er ein Star.
Loki und Habibies Frau Ainun waren ebenfalls freundschaftlich verbunden. „Wir haben die Schmidts öfters besucht, auch am Brahmsee. Unsere Frauen liebten die Botanik. Wenn wir in der Natur waren, haben sich die Beiden intensiv über Blumen und Pflanzen unterhalten.“ Als Habibies Frau Ainun vor sechs Jahren sterbenskrank in einer Klinik in München lag, rief Helmut Schmidt „Rudy“ im Krankenhaus an. Er wollte Ainun Blumen schicken. „Als er anrief, lag Ainun im Sterben“, erinnert sich Habibie. „Helmut Schmidt hat mich damals getröstet.“ Umgekehrt tröstete auch er Helmut Schmidt, als dieser vor wenigen Jahren seine Loki verlor. Noch einmal wird „Rudy“ seinem langjährigen deutschen Freund Helmut Schmidt ganz nahe sein: Beim Staatsakt im Michel will er ihm die letzte Ehre erweisen.