Hamburg. Mit zahlreichen Aktionen trommeln Hamburgs Sportvereine für die Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele an der Elbe.

Flaggen und Banner, Choreografien mit Kindern und der gemeinsame Auftritt ehemaliger Hamburger Olympioniken: Mit zahlreichen bunten Aktionen werden Hamburgs Sportvereine am Wochenende bei ihren Heimspielen und Meisterschaften ein gemeinsames Zeichen für Olympische und Paralympische Spiele an der Elbe setzen. „Wir rufen alle Vereine und deren Mitglieder auf, sich an dem Olympiatreferendum zu beteiligen und mit Ja zu stimmen“, sagte Thomas Michael vom Hamburger Sportbund (HSB) zur Begrüßung seiner spiele-freudigen Gesprächspartner im Haus des Sports.

Mit rund 580.000 Menschen ist fast jeder dritte Hamburger Mitglied in einem der 817 Sportvereine – und die Tendenz ist seit Jahren steigend. Vor 20 Jahren waren es noch 100.000 Sporttreibende weniger.

Jetzt demonstrierten die HSV-FußbaSporller und die Handball-Damen aus Buxtehude, die Towers-Basketballer aus Wilhelmsburg und die Volleyball-Frauen von VT Aurubis, die Eishockey-Profis der Freezers und die Rollstuhlbasketballer der BG Baskets den gemeinsamen Schulterschluss.

Sie sind bereit für das fröhliche Fest der Nationen in neun Jahren an der Elbe. Eine große Koalition der Sport-Enthusiasten, die so wenig überrascht, als würde man die Kinder fragen, ob sie in diesem Jahr wieder Weihnachten feiern wollen. „Olympia vor der Haustür wäre ein Traum“, sagt Emily Bölk.

Emily ist 17 Jahre alt und spielt bei den Bundesliga-Handballerinnen des Buxtehuder SV. Sie gilt als Riesen­talent, schon die Oma war Nationalspielerin. Ihre Mutter, Handball-Weltmeisterin von 1993, nahm zweimal an Olympischen Spielen teil. Gut möglich, dass Emily es ihr einmal nachmacht. „Wenn ich keine größeren Verletzungen erleide, könnte das klappen“, sagt sie. Und dass jeder junge Sportler von Olympia träume.

Für Buxtehudes Manager Peter Prior sind die Spiele auch eine Chance dafür, dass die Metropolregion weiter zusammenwachsen kann und Stadtgrenzen noch fließender werden. „Und außerdem würden Olympische und Paralympische Spiele allen Sportarten, die unter der Dominanz des Fußballs leiden, zu mehr verdienter Aufmerksamkeit verhelfen.“

London hat es ja vorgemacht. Und Gesche Schünemann, 32, war im Sommer 2012 dabei. Die Rollstuhlbasketballerin aus Hamburg gewann mit der deutschen Nationalmannschaft die Goldmedaille bei den Paralympics. Und war besonders beeindruckt, als sie in die englische Hauptstadt kam und dort die riesigen Plakate gesehen hat. „Danke schön für das Aufwärmprogramm“, war dort zu lesen. Ein netter Gruß an die Olympischen Spiele zuvor. Und tatsächlich kamen dann zu den Paralympics mehr Zuschauer in die Stadien als vorher zu den Olympischen Spielen. „London ist komplett barrierefrei, das ist wirklich einmalig“, sagt Gesche. Und eine große Herausforderung für alle kommenden Ausrichter.

Der HSV hofft, dass mit den Spielen auch ideelle Werte geschaffen werden

Für HSV-Vorstand Dietmar Beiersdorfer sind die geplanten Milliarden­investitionen in die Infrastruktur der Stadt nur ein Teilaspekt der Bewerbung. „Daneben glaube ich, dass durch Olympia auch ideelle Werte geschaffen werden können.“ In einer Welt, in der die Individualisierung immer mehr zunehme, könnten ein großes Projekt und eine gemeinsame Idee sehr viele Menschen miteinander verbinden.

Freezers-Geschäftsführer Uwe Frommhold ist ebenfalls Feuer und Flamme. Das gelte auch für die Eishockey-Cracks, von denen so mancher schon an Olympischen (Winter-)Spielen teilgenommen hat: „Von den Profis weiß ich, dass sie voll und ganz hinter der Hamburger Bewerbung stehen. Als Wintersportart würden unsere Spieler zwar nur Zuschauer in Hamburg sein, aber sie sind Sportler und wissen um die Bedeutung von Olympia.“ Wie schätzt er die Stimmung unter den Fans ein? „Es gibt zweifellos viele Befürworter, aber auch Fans, die der Bewerbung kritisch gegenüberstehen. Diese Meinungen muss man respektieren.“ Hamburg sei schon heute eine Stadt von Welt. „Mit Olympischen Spielen würde sie aber auch zu einer echten Weltstadt werden.“

Bei allem Schulterschluss der Hamburger Proficlubs – ganz geschlossen waren die Reihen nicht. Christian Fitzek, Geschäftsführer der HSV-Handballer, ließ sich kurzfristig entschuldigen – aber keinen Zweifel an seiner Position. „Wir stehen voll hinter der Bewerbung und unterstützen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln die Feuer-und-Flamme-Kampagne. Ich glaube, dass wir bei unseren Mitgliedern, Fans und Profis die gleiche Begeisterung spüren wie bei allen anderen Hamburgern auch.“ Natürlich würden auch viele Fragen gestellt, „aber das ist auch gut so“.

Fitzek sieht allerdings für die HSV-Handballer auch „einige Risiken, da sich der gesamte Fokus medial und besonders wirtschaftlich nur auf die Olympischen Spielen richten wird.“ Es gebe jetzt schon Unternehmen, so Fitzek, „die ihre Budgets in die Olympiabewerbung stellen und daher keine weiteren Kapazitäten freihaben“. Für Hamburg aber wären die Spiele ein internationaler „Ritterschlag“. Die ganze Welt würde auf die Hansestadt schauen und Millionen von Touristen sie bereisen. „Da ich davon ausgehe, dass das Sportstättenkonzept hervor­ragend umgesetzt wird, werden im Anschluss viele Sportler von den Anlagen profitieren können.“

Fitzek geht davon aus, dass die Hamburger Vereine im Anschluss an die Spiele einen Mitgliederzuwachs erleben werden. „Das haben Fußball- und Handball-Weltmeisterschaften in Deutschland bewiesen. Es ist aber sehr wichtig, dass die Vereine diesen Schwung mitnehmen, um auch langfristig davon zu profitieren.“

Der FC St. Pauli unterstützt eine nachhaltige Bewerbung

Auch vom FC St. Pauli war kein Vertreter erschienen. „St. Pauli hat am Wochenende ja auch kein Heimspiel“, hießt es beim HSB. Aber natürlich ist die Stimmung unter den Mitgliedern kritischer als in anderen Vereinen, wenn es um die Frage geht, ob das sportliche Großereignis der Stadt guttun würde.

Verlangt eine
„kritische
Bewerbung“:
Oke Göttlich,
Vereinschef des
FC St. Pauli
Verlangt eine „kritische Bewerbung“: Oke Göttlich, Vereinschef des FC St. Pauli © dpa | Daniel Bockwoldt

„Unsere Mitgliedschaft besteht aus einer meinungsvielfältigen Gemeinschaft aufgeklärter Menschen“, sagt St. Paulis Präsident Oke Göttlich. „Wir trauen unseren Mitgliedern zu, dass sie – jeder für sich – die richtige Entscheidung zum Thema treffen.“ Persönlich wünsche er sich, „dass Hamburg die olympiakritischste Bewerbung umsetzt, auch wenn Hamburg die Zustimmung der Bevölkerung oder den Zuschlag nicht bekommen sollte“. Der FC St. Pauli unterstütze und fordere sogar den nachhaltigen Ansatz der Hamburger Bewerbung. Denn eines sei klar: „Wenn Olympia wieder ein Fest des Sports werden möchte, sind Reformen und mutige Bewerbungsansätze nötig. Es müssen auch die Fragen und Bedürfnisse für die Bevölkerung, auch gerade hinsichtlich des touristisch zentral betroffenen Stadtteils, thematisiert werden.“ Die Bewerbung müsse den Mut haben, nötige Reformen im IOC vorwegzunehmen. „Auch auf die Gefahr hin, dass sie dann nicht allen gefallen wird.“ Das sei aber notwendig, um für die Stadt keine generationsübergreifenden Lasten zu kreieren.

Die Olympiaaktionen starten am heutigen Mittwoch beim Spiel der Handball-Frauen vom Buxtehuder SV gegen Bad Wildungen (19.30 Uhr). Es folgen die Freezers am Freitag gegen Red Bull München (19.30 Uhr). Am Sonnabend legen die Volleyball-Frauen von VT Aurubis (18 Uhr gegen VC Wiesbaden), die HSV-Handballer (19 Uhr gegen die Rhein-Neckar Löwen) und die Basketball-Riesen der Towers (19.30 Uhr gegen die Niners Chemnitz) nach. Auch die Internationalen Deutschen Kata Meisterschaften im Judo (ab 9.15 Uhr in der Moorbekhalle in Norderstedt) schließen sich an.

Und am Sonntag wird dann das Volksparkstadion beim Nordderby HSV gegen Hannover 96 in ein Olympiafahnenmeer verwandelt werden.