Hamburgs Politik, Sport und Wirtschaft bewerben sich für Olympia 2024 mit einem Nachhaltigkeitskonzept, „das das IOC nicht ablehnen kann“ (Senator Kerstan). Im November entscheiden die Hamburger. Erst im September 2017 wählt das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Ausrichterstadt und schließt dann mit ihr den Gastgebervertrag 2024. Dessen Entwurf liegt nun vor. Die Hamburger sollten schon beim Referendum wissen, was eine Wahl zum Gastgeber bedeuten würde.

Ab 2018 geht die Hauptverantwortung für die Vorbereitungen von der Bewerberstadt auf ein Olympisches Organisationskomitee über. In diesem Gremium haben 6 Vertreter von IOC / IPC (Paralympics) und Nationalem (Para-)Olympischen Komitee sowie ein deutscher Athlet und mindestens ein Vertreter Hamburgs Sitz und Stimme. Alle Konzepte und Absichtserklärungen, mit denen Hamburg sich beworben hatte, gelten dann nur noch im Rahmen der derzeit 117 „Prinzipien“ und 555 Einzelanforderungen des Gastgeberstadtvertrages.

Neu im Vertrag 2024 ist der Abschnitt „Nachhaltigkeit und Olympisches Erbe“. Er fordert eine Nachhaltigkeitsstrategie, einen Durchführungsplan, ein Monitoringprogramm und ein Nachhaltigkeitsmanagementsystem, das nach internationalen Normen zu zertifizieren ist. Drei Nachhaltigkeitsberichte müssen nach den Regeln der Global Reporting Initiative veröffentlicht werden. Da müsste sich Hamburg sehr anstrengen, fehlen dem Senat doch – trotz wiederholter Forderungen des Zukunftsrats – die Erfahrung und bisher auch der politische Wille zu solchen Strategien und Verfahren.

Liest man den Vertrag jedoch insgesamt (44 S. Prinzipien und 275 S. Durchführungsanforderungen), dann wirkt das kurze Nachhaltigkeitskapitel seltsam „aufgepfropft“. Zwar ist von Querschnittsaufgabe, sogar konkret von Beschaffungen, von Kohlenstoff- und Abfallmanagement die Rede. Aber in den einzelnen Fachkapiteln mit ihren viel detaillierteren Regelungen kommen spezifische Nachhaltigkeitsanforderungen kaum vor. Was heißt das?

Stichwort „kleine, aber feine Spiele“: Mit der Festlegung der olympischen Sportarten bestimmt das IOC auch die Größe der Veranstaltung (Anzahl Sportstätten, Funktionäre, Hotelzimmer, Größe des Olympischen Dorfes usw). Wie schon 2008 in Peking ist das olympische Dorf auch 2024 wieder für 16.000 Sportler auszulegen. Für die Funktionäre sind 41.177 Hotelzimmer bereitzuhalten.

Stichwort „nachhaltiger Verkehr“: Nach dem Fachkapitel muss das Olympische Dorf eine „Transport-Mall“ von 20.000 Quadratmetern und einen Parkplatz für 1000 Autos vorhalten. Transportpläne für Sportler, Funktionäre, Medienvertreter und Marketingpartner kennen nur „vehicles“ und Busse. Jedem IOC-Wirtschaftspartner sind 2 Autos mit Fahrer zu stellen. Wo bleibt da der „weitgehend autofreie Kleine Grasbrook“ des Senats?

Stichwort „nachhaltiges Wirtschaften“: Hamburg träumt von ökologisch und sozial optimierten Produkten und Lieferketten für Merchandising und Beschaffung. Der Gastgeberstadtvertrag öffnet die Augen: „Die Olympischen Spiele sind alleiniges Eigentum des IOC“, und dieses vergibt die kommerziellen Verwertungs- und Nutzungsrechte an seine internationalen Marketingpartner. Die Gastgeberstadt muss den internationalen IOC-Partnern alle öffentlichen Werbeflächen anbieten und sie „unterstützen, ihre kommerziellen Ziele im Gastland zu erreichen“. Stadt und Organisationskomitee können eigene Marketingmaßnahmen nur treffen, soweit keine Produkte oder Leistungen der IOC-Partner betroffen sind.

Stichwort „Transparenz und Partizipation“: Das IOC wacht über die Kontakte der Gastgeberstadt mit Verbänden und Nichtregierungsorganisationen. Öffentliche oder private Veranstaltungen und Treffen, die Einfluss auf die Spiele haben können, bedürfen der Zustimmung des IOC. Ebenso Public Viewing-Plätze, auch private. Nur die offiziellen Dokumente, nicht aber die Korrespondenz und Berichte zwischen Gastgeberstadt und IOC dürfen veröffentlicht werden.

Insgesamt liest sich der Gastgeberstadtvertrag wie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Marktbeherrschers: Befehlston und einseitige Haftungsüberwälzung auf Gastgeberstadt und Organisationskomitee. Für fast alles gibt es Zustimmungsvorbehalte für das IOC. Eine gerichtliche AGB-Kontrolle nach deutschem BGB hätte da einiges zu tun… Kann Hamburg noch verhandeln? Hätte das Einfluss auf die Kosten von 11,2 Milliarden Euro?

Wer im November mit Ja stimmen will, sollte nicht nur der Hamburger Politik und Wirtschaft, sondern auch dem IOC und dem späteren Organisationskomitee rückhaltlos vertrauen.