Hamburg. 29.000 Bilder aus großen Zeiten werden für die Nachwelt digitalisiert. Den Anstoß gab ein früherer Azubi der Howaldtswerke.

Es waren glorreiche Jahre des Schiffsbaus in Hamburg – beflügelt vom deutschen Wirtschaftswunder. Anfang der 1950er-Jahre beschäftigte die Aktiengesellschaft Howaldtswerke Hamburg auf der Elbinsel Ross in Steinwerder 10.000 Arbeiter. Auf der Werft liefen die damals weltweit größten Tanker „Tina Onassis“ und „Al-Malik Saud Al-Awal“ vom Stapel. Besuche von Präsidenten, Kanzlern und Großreedern im Hamburger Hafen waren an der Tagesordnung.

Mit der Werftenkrise wenige Jahre später gerieten unternehmerische Coups und spektakuläre Schiffsbauten in Vergessenheit. Fotodokumente aus dieser Ära hanseatischer Wirtschaftsblüte verschwanden in Archivkellern. Dem privaten, ehrenamtlichen Engagement leidenschaftlicher Chronisten ist es zu verdanken, dass dieser Schatz erhalten – und vor allem sichtbar – bleibt. Rund 29.000 Fotos der Howaldtswerke Hamburg wurden in mühevoller Detailarbeit digitalisiert und gesichert. In einem Vertrag zwischen dem Rechtsnachfolger Blohm + Voss und dem Internationalen Maritimen Museum wurde jetzt ein Schenkungsvertrag abgeschlossen.

Welch ein Segen für diese Geschichte, dass Ralf Thorein aus Vlotho an der Weser seine Ausbildung zum Schiffbauer von 1958 bis 1961 bei den Howaldtswerken in Hamburg absolvierte. Dort konnte er seine Leidenschaft für die große Welt der Seefahrt ausleben. Anfangs wohnte der heute 71-Jährige in einem Lehrlingsheim an der Alsterdorfer Straße, später in Groß Borstel.

1969 wechselte er zur Bremer Vulkanwerft, die später in Konkurs ging. Das Faible für Schiffe blieb erhalten. Nach und nach trug Ralf Thorein auf der Howaldtswerft gefertigte Neubauten in einem Album zusammen – inklusive Fotos und technischen Daten. Über Umwege erfuhr er von alten Fotos der Unternehmenshistorie, die bei Blohm + Voss in einem Archivkeller lagerten.

Dieser Schatz entpuppte sich als 3500 Negativfilme mit vielen Zehntausend Aufnahmen. „Mit jedem Motiv wuchs meine Faszination“, beschreibt er seinen Einsatz. „Bei jedem neuen Film war ich gespannt, was noch folgen würde. Durch meine Zeit auf der Werft konnte ich alles zuordnen.“ Mehr als zweieinhalb Jahre, insgesamt gut und gerne 1500 Stunden, war er beschäftigt, daheim in Bassum bei Bremen etwa 29.000 Bilder zu scannen, zu benennen und zu sortieren. Ohne jegliches Honorar, versteht sich.

Das Ergebnis ist auf einer Festplatte gespeichert. Zu sehen sind Schiffe, Stapelläufe, Werftarbeiter und Besucher aus aller Welt. Beispiele sind Bundespräsident Heinrich Lübke und Ehefrau Wilhelmine, die Bundeskanzler Konrad Adenauer und Ludwig Erhard, der indische Premier Jawaharlal Nehru oder der griechische Großreeder Aristoteles Onassis mit seiner Familie. Auch im Schiffbau war die Hansestadt international ganz oben.

Parallel recherchierte Wulf Brocke, Berater des Internationalen Maritimen Museums in der Hamburger Speicherstadt, zum Thema „Christina“. Diese seinerzeit extrem teure Luxusyacht hatte Aristoteles Onassis 1954 bei HDW in Kiel in Auftrag gegeben. Dadurch kam Brocke mit dem Hobbyarchivar Ralf Thorein in Kontakt. Der Weg zu Museumschef Peter Tamm war nicht mehr weit.

Tamm habe begeistert reagiert – zumal er sich selbst auf einigen Fotos entdeckte. Früher hatte er als Schifffahrtsredakteur des Hamburger Abendblatts auch über die Stapelläufe bei den Howaldtswerken geschrieben. Im Dezember 2014 ließ sich Peter Tamm das nunmehr digitalisierte Archiv vorführen. Stundenlang. „Die Fotos haben mich fast umgehauen“, sagte Peter Tamm. „Unsere Sammlung von Schiffsfotos, eine der größten und internationalsten weltweit, umfasst jetzt etwa 800.000 Bilder.“ Das Fotoarchiv der Howaldtswerke Hamburg zeige „ein bedeutendes Stück deutscher Wirtschaftsgeschichte“. Zudem dokumentiere es „den Aufstieg des deutschen Schiffbaus nach 1945 aus dem Nichts und einen Teil der großartigen Geschichte der Hamburger Werften“.

Der Erhalt dieses maritimen Schatzes ist dem Herzblut und dem Idea­lismus Ralf Thoreins zu verdanken. „Das Meer und die Schiffe sind mein Leben“, sagt er. Es passt ins Bild, dass er im heimischen Hobbykeller Schiffsmodelle herstellt. Die „Wappen von Hamburg“ ist fertig, ein Stückgutfrachter in Arbeit. Über Langeweile braucht Ralf Thorein, der am morgigen Dienstag seinen 72. Geburtstag begeht, ohnehin nicht zu klagen: Im Altonaer Museum lagern Fotoplatten der Howaldtswerke. Sie wurden auf einem Schuttcontainer entdeckt und warten nun auf Digitalisierung.

Das Internationale Maritime Museum (Koreastr. 1, 20457 Hamburg), in dessen Archiv sich die Fotos befinden, ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.