Hamburg. Zahl der Schiffbauaufträge sinkt. Betriebsräte gehen von Personaleinsparungen aus. Kritik an Werkverträgen.
Die Betriebsräte der deutschen Werften schlagen Alarm. Sie befürchten den Wegfall von mehreren Hundert Arbeitsplätzen in ihren Betrieben. Grund sind angekündigte Umstrukturierungen auf einzelnen Werften und weniger Aufträge, wie aus der neuen Schiffbauumfrage der IG Metall und der Agentur für Struktur- und Personalentwicklung (AgS) bei den Betriebsräten von 40 Werften hervorgeht.
„Einige Betriebe wie Nordic Yards in Wismar, Rostock-Warnemünde und Stralsund, die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft oder Nobiskrug in Rendsburg benötigen dringend neue Aufträge“, sagte der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Meinhard Geiken, bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse. „Die Auslastung reicht teilweise nur noch für einige Monate.“
Laut Umfrage konnten lediglich sieben Werften in den vergangenen zwölf Monaten Festaufträge verbuchen, die Mehrheit der Betriebe ging leer aus. Die Zahl der bestätigten Neubauaufträge beläuft sich auf 25 – so wenige wie im Jahr 2009 auf dem Höhepunkt der weltweiten Schifffahrtskrise.
Besonders pessimistisch beurteilt IG-Metall-Chef Geiken die Auftragslage für die Offshore-Windindustrie. Erstmals seit fünf Jahren gab es nämlich keinen Auftrag aus diesem Bereich, laut Geiken ein „erschreckendes Signal“. Schließlich habe die gesamte Branche hohe Erwartungen in diesen Industriezweig gesetzt. „Auch wir haben nach dem Rückgang des konventionellen Schiffbaus gehofft, dass der Offshore-Bereich einspringen könnte“, ergänzte Heino Bade, Schiffbau-Experte der IG Metall.
Die Werft Nordic Yards hat mit staatlicher Finanzhilfe extra eine Infrastruktur für die Fertigung von Offshoreplattformen und -fundamenten geschaffen. Sie wird nun nicht genutzt. Die Geschäftsführung der Nordic Yards hat inzwischen eine „Neudimensionierung“ der Werft angekündigt. Experten befürchten, dass rund 500 Arbeitsplätze damit zur Disposition stehen.
Ursache für den Rückgang der Offshore-Aufträge sind laut IG Metall falsche gesetzliche Rahmenbedingungen. Nach der Novellierung des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) Mitte vergangenen Jahres können nur noch kleine Windkraftanlagen mit einer festen Einspeisevergütung rechnen. Für den Rest gilt, dass die finanzielle Höhe der Förderung von Ausschreibungen abhängig gemacht wird. Erste Ausschreibungsrunden sind aber erst Ende 2016 zu erwarten und Entscheidungen über Zuweisungen von Windparks erst Ende 2017. „Durch diese Verzögerungen reißt nun die Auftragskette ab, weil bis dahin keine Investitionssicherheit besteht“, sagte Geiken. „Nur wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen und der weitere Ausbau nicht durch neue Vorgaben behindert wird, lassen sich erneute Massenentlassungen und Insolvenzen vermeiden.“
Auf Kritik der Gewerkschaft stößt der weiterhin hohe Anteil von Leiharbeit und Werkverträgen auf den Werften. Nach der Befragung zählen von den insgesamt 25.700 Mitarbeitern auf deutschen Werften nur 61 Prozent der Beschäftigten zur Stammbelegschaft. Im Vergleich zur Umfrage 2014 ist die Zahl der direkt Beschäftigten zwar um 2,8 Prozent auf 15.592 gestiegen. Durch die Konzentration auf den Spezialschiffbau würden aber immer mehr Aufträge insbesondere für Großkomponenten extern vergeben. „Wer nur noch mit einer Rumpfmannschaft antritt und alles andere von Leiharbeitern und Werkvertragsbeschäftigten erledigen lässt, verliert wichtiges Know-how und setzt die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens aufs Spiel“, sagte Geiken. Zumal der Anteil der Arbeitnehmer, die 55 Jahre und älter sind, mit 14,5 Prozent relativ hoch ist. Noch höher ist er in der Zulieferindustrie: Dort liegt der Anteil der Beschäftigten ab 55 Jahren aufwärts bei 25, 1 Prozent. Allerdings ist das Ausbildungsengagement der Branche gut.
Besonders scharfe Kritik übt die IG Metall an der europaweiten Ausschreibung des Mehrzweckkampfschiffes MKS180 für die Bundesmarine. „Das hat es noch nie gegeben. Das ist ja so, als wenn die Bundesregierung sagen würde: Wir trauen euch das nicht zu“, sagte Bezirkssekretär Bade.
Geht Auftrag für Kampfschiff womöglich ins Ausland?
Aus Sicht der IG Metall stehen die Auswirkungen dieser politischen Entscheidung im krassen Widerspruch zu den Bemühungen der Bundesregierung, den industriellen Sektor in Deutschland zu stärken. Sollte tatsächlich der Auftrag für das Kampfschiff ins Ausland gehen, würde dies Standorte und Arbeitsplätze in Deutschland bedrohen und zu einem Kompetenzverlust führen. Laut Bade führe die europaweite Ausschreibung zu einer Wettbewerbsverzerrung zulasten der ausschließlich privaten deutschen Werftindustrie, die gegenüber den staatlichen Anbietern im Ausland erheblich Nachteile habe. „Wir werden das Thema auf der Nationalen Maritimen Konferenz zur Sprache bringen“, sagte Bade. Die IG Metall habe die klare Erwartungshaltung, dass das MKS180 in Deutschland gebaut wird.
Von der Politik erwartet die IG Metall Küste zudem mehr Engagement für Forschung und Entwicklung: Vorschläge für eine Innovationsoffensive fänden bisher zu wenig Unterstützung von der Bundesregierung, sagte Geiken.