Die Weigerung des Hamburger Bürgermeisters, etwas Klares zum Thema Geld zu sagen, hat einen ernsten Hintergrund.
Man kann Bürgermeister Olaf Scholz vielleicht das eine oder andere nachsagen – aber nicht, dass er konkrete Antworten auf Fragen gibt, die ihm nicht passen. Das stellte der einst nicht zufällig als „Scholzomat“ geschmähte Sozialdemokrat, der heute als solidester Politikhandwerker zwischen Sylt und Sonthofen gilt, am Dienstag wieder unter Beweis. Bei der Vorstellung einer „Absichtserklärung“ für ein nachhaltiges Olympia wurde Scholz im Rathaus von einem arglosen Journalisten gefragt, wie denn der Sachstand beim Streit zwischen Hamburg und dem Bund über die Finanzierung der Olympischen Spiele sei. Bekanntlich will Hamburg selbst 1,2 Milliarden zahlen und fordert vom (bisher widerwilligen) Bund, 6,2 Milliarden Euro der 11,2 Milliarden Euro Gesamtkosten zu tragen (der Rest soll olympisch eingespielt werden).
Scholz reagierte auf die Frage mit einem mehr als vierminütigen Monolog – ohne in Wahrheit auch nur im entferntesten so etwas wie eine Antwort zu geben. Stattdessen sprach er über „Wohnungsbau“ und „soziale Entwicklung“ und betonte, dass Hamburg sich „nicht auf ungewöhnlichen Pfaden“ bewege und er „dem weiteren Prozess mit großer Gelassenheit entgegensehe“. Wie beruhigend! Worum ging es doch gleich? Der Journalist hatte es offenbar nicht vergessen und erdreistete sich, nach den bürgermeisterlichen Leerminuten nachzuhaken: „Glauben Sie denn, dass Sie die geforderten 6,2 Milliarden bekommen?“
„Ich habe alles gesagt, was es dazu zu sagen gibt“, retournierte der Bürgermeister grantig – und fügte sicherheitshalber noch einen kleinen Ergänzungsmonolog an, über „größtmögliche Ehrlichkeit und Transparenz“ und darüber, dass es ja jedem einsichtig sei, „welche Dimensionen öffentliche Haushalte haben“, er redete noch ein wenig über „BAföG“ (was auch immer das mit Olympia zu tun hat) und „überschaubare Prozesse“ (immer gut!).
Natürlich hätte Scholz auch sagen können: „Nein, verdammt, wir haben uns noch nicht mit dem Bund geeinigt. Und das werden wir auch vor dem Referendum nicht.“ Aber soviel Klarheit und Wahrheit wollte er offenbar niemandem zumuten. Also setzte er weiter aufs Journalisten-Einschläfern – eine erprobte und bisweilen dummerweise sogar erfolgreiche Strategie. Mithin: Er redete und redete und sagte: nichts.
Schon dem zweiten Frager beschied er: „Auch beim fünften Nachfragen wird die Antwort nicht anders.“ Und fügte eine kleine (vermutlich bei Schröder und Gabriel abgeschaute) Journalisten-Kritik hinzu: „Ich glaube, dass es zu bestimmten Berufsausübungen gehört, die Welt immer pessimistisch zu sehen und eine gute Auflösung der Dinge nicht vorhersehbar zu finden. Ich zähle nicht zu diesen Berufsgruppen.“ Schließlich wagte auch Hamburg 1-Politikchef Herbert Schalthoff noch ein Nachfassen. Man könne doch die Frage nach den Finanzen vor dem Referendum nicht einfach so abtun, befand Schalthoff – und wollte wissen, was Scholz’ Aussage „viel mehr geht nicht“ mit Blick auf die 1,2 von insgesamt 11,2 Milliarden bedeute, die Hamburg selbst finanzieren könne.
Scholz neuerliche Nicht-Antwort: „Ich habe die aus meiner Sicht errechenbaren finanziellen Möglichkeiten der Stadt dargestellt.“ Und: „Man muss, wenn man demokratische Prozesse begleiten will, immer wissen, was man tut.“ Der Senat habe „Ansagen gemacht“ und „Summen genannt“, die als „Datum in der Welt stehen“ und das sei „auch so gemeint“. Schön, wenn der Bürgermeister Prozesse begleitet. Antworten auf klare Fragen aber wären auch nicht übel.
Das Ganze als belangloses Polit-Geplänkel zwischen Bürgermeister und Journaille abzutun, wäre indes ein Fehler. Denn die fast schon herablassende Weigerung des Bürgermeisters, etwas Klares und Verständliches zum Thema Geld zu sagen, hat einen ebenso einfachen wie ernsten Hintergrund: Er kann es gar nicht. Bürgermeister Scholz weiß nämlich nicht, ob der Bund die geforderten 6,2 Milliarden Euro zuschießt oder nicht. Und das wird er voraussichtlich auch vor dem Olympiareferendum am 29. November nicht wissen. Indirekt hat er das am Dienstag selbst eingeräumt, indem er sagte: „Wir wissen, dass wir uns verständigt haben sollten bis zum Februar des nächsten Jahres, denn dann sind die ersten richtigen harten Dokumente zu unterschreiben für das IOC.“
Das bedeutet: Die Hamburger müssen abstimmen, ohne zu wissen, was Olympia sie kostet. Denn selbst wenn man der Gesamtberechnung von Scholz und Co glauben will – wie viel von den vielen Milliarden am Ende die Hamburger Bürger selbst tragen müssen, weiß heute niemand. Für die Olympiagegner vom Bündnis „Stop Olympia“ ist all das offenbar wenig überraschend. „Wir haben immer gesagt: Das Referendum kommt zu früh“, sagte dessen Sprecher Jens Gauger am Freitag. „Das ist schlicht unseriös.“
Wie Sozialsenatorin Leonhard ganz unolympisch Stress abbaut
Melanie Leonhard hat es auch ohne Olympia nicht viel leichter. Die 38-jährige Harburgerin hat sich bekanntlich einen der härtesten Jobs der Stadt aufgehalst, als sie am 1. Oktober mitten in der Flüchtlingskrise das Amt der Sozialsenatorin übernahm. Die promovierte Historikerin gilt als kompetent, umgänglich und selbstbewusst. Auf die Frage, wie sie denn Familie (sie hat einen kleinen Sohn, der gerade Zähne bekommt) und Stressjob unter einen Hut bringe, gibt sie zurück, warum man solche Fragen eigentlich immer nur Frauen stelle. Und räumt ein, dass sie den Job ohne ihre intakte Großfamilie wohl nicht übernommen hätte.
Als bekennende Nicht-Sportlerin („Mich will wirklich keiner Sport machen sehen!“) hat Leonhard drei un-olympische Methoden zur Stressbewältigung entwickelt. Erstens: Öfter mal mit dem HSV im Volkspark zittern. Zweitens: „Eine gute Currywurst – das hilft immer.“ Da es in der Behördenkantine nur dienstags Currywurst gibt, isst sie gelegentlich eine an ihrer Lieblingsbude auf dem Rathausmarkt. Und drittens: Hörspiele hören. Und zwar nicht irgendwelche. Sondern nur „Die Drei Fragezeichen“ – und nur auf Kassette. „Jeden Abend eine Seite, das muss drin sein“, so Leonhard. „Das bringt mich immer wieder runter.“