Hamburg. Wegen Konjunkturflaute in Asien und Russland-Sanktionen sinkt die Zahl der umgeschlagenen Container.
Die Reaktion folgte mit einer kurzen Zeitverzögerung: Nachdem die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) am Vorabend ihre Gewinnprognose für dieses Jahr eingedampft hatte, nahmen zahlreiche Anleger am Dienstag nach Börsenöffnung Reißaus. Die im S-Dax notierte Aktie des Hafenkonzerns sackte um sechs Prozent auf ein Rekordtief von 13,4 Euro ab. Obgleich sich die Aktie im Tagesverlauf wieder etwas erholte, ist das Ergebnis insgesamt verheerend: Das Wertpapier, das 2007 mit einem Ausgabekurs von mehr als 50 Euro an der Börse startete, hat einen neuen Tiefpunkt erreicht.
Das gesunkene Anlegervertrauen ist Ausdruck einer wirtschaftlich rückläufigen Entwicklung. Die HHLA muss in ihrem Kerngeschäft, dem Umschlag von Containern, einen Mengenrückgang verzeichnen. Das drückt das Ergebnis. Der Konzern hat seine Gewinnprognose für dieses Jahr zurückgeschraubt: Statt des bisher in Aussicht gestellten Ergebnisses von rund 169 Millionen Euro erwartet die HHLA nur noch einen Betriebsgewinn „im Bereich von 150 Millionen Euro“.
Fragt man nach den Gründen für den Rückgang, sind sich die Analysten der Geldinstitute relativ einig: Es liegt an den äußeren Umständen. „Das Problem des Hamburger Hafens ist, dass er zurzeit unrentable Routen bedient“, sagt Ingo Schmidt, Analyst der Hamburger Sparkasse. „Der Handel mit Russland und ins Baltikum ist aufgrund der Sanktionen eingebrochen. Und auch das Asien-Geschäft läuft wegen der dortigen Konjunkturschwäche schlecht.“ Für Schmidt spielen auch geografische Gründe eine Rolle. „Der Hamburger Hafen ist aufgrund seiner natürlichen Lage mit dem Nord-Ostsee-Kanal der bestimmende Partner für den Schiffsverkehr ins Baltikum.“ Er könne sich nicht einfach umorientieren. „Besser läuft der Handel etwa zwischen Europa und Nordamerika, aber da sind andere Nordsee-Häfen einfach besser positioniert, weil sie weiter westlich liegen.“
Auch Thomas Wybierek, Schifffahrts-Experte der Nord LB sieht die Gründe für die Mengenrückgänge der HHLA außerhalb des Unternehmens. „Der Handel aus Fernost nach Europa läuft immer schleppender. Viele Reedereien senken ihre Transportkapazitäten, indem sie ganze Rundreisen streichen.“ Und auch die Verzögerungen bei der Elbvertiefung trügen zum Problem der HHLA bei.
Einig sind sich die Analysten auch darüber, dass sich dieses Problem nicht schnell lösen wird. „Da sehe ich schwarz“, sagt Ingo Schmidt von der Haspa: „Der Russland-Konflikt wird sich nicht über Nacht legen, und die Konjunkturschwäche in Asien geht gerade erst los.“ Auch Equinet-Analyst Jochen Rothenbacher erwartet keine rasche Erholung. „Kurzfristig wird sich das Bild nicht ändern.“ Und die Elbvertiefung sei auch noch nicht in Sicht, meint Wybierek.
Die Argumente der Analysten sind stichhaltig, aber sind sie ausreichend? Neben der HHLA gibt es mit Eurogate einen zweiten Umschlagbetrieb im Hamburger Hafen, der sich in den gleichen Geschäftsfeldern tummelt. Seine geografische Lage ist dieselbe, und das Problem mit der Elbvertiefung auch. Nur die Entwicklung ist am Eurogate-Terminal eine völlig andere: Während der Containerumschlag bei der HHLA im ersten Halbjahr 2015 um zehn Prozent einbrach legte er bei Eurogate im gleichen Zeitraum um 4,1 Prozent zu. Und auch die Aktienentwicklung der beiden Hafenkonkurrenten klafft auseinander: Während die HHLA Anfang des Jahres von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) mit einem Kursverlust von 36 Prozent in fünf Jahren auf die Liste der größten deutschen Kapitalvernichter gesetzt worden war, konnte die Eurokai, zu der Eurogate zu 50 Prozent gehört, ihren Aktienwert im gleichen Zeitraum kräftig steigern.
Allerdings sind die beiden Unternehmen auch strategisch unterschiedlich aufgestellt. Eurogate betreibt Terminals überall in Europa: Neben Hamburg ist das Unternehmen in Bremerhaven, Wilhelmshaven, in verschiedenen italienischen Häfen, sowie im portugiesischen Lissabon und im marokkanischen Tanger präsent. Die HHLA hat nur Hafenbeteiligungen in Hamburg und im ukrainischen Odessa. Deshalb wächst die Kritik am Vorstand, dass der HHLA die Internationalisierung fehlt und sie nicht breit genug aufgestellt ist. Zuletzt scheiterte die HHLA mit dem Versuch, sich am Hafen Bronka in Sankt Petersburg zu beteiligen. Die geplante Expansion entwickelte sich zur Posse: Die Verhandlungen blieben ergebnislos, hatten aber zur Folge, dass die HHLA ihren Strategiechef verlor. Der Leiter der Unternehmensentwicklung, Stefan Wilkens, schmiss seinen Job. Er managt künftig den Hafen Bronka. Der HHLA-Aktie dient das alles nicht gerade.
Haspa-Analyst Schmidt empfiehlt trotz allem, die Wertpapiere weiter zu halten. „Allerdings braucht man da einen sehr langen Atem“, sagt er. Diesen langen Atem muss auch die Stadt beweisen, die über die Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement (HGV) mit knapp 70 Prozent der Anteile Hauptaktionär der HHLA ist. Die HHLA spielt innerhalb der HGV eine bedeutende Rolle. Ihr Anteil am Konzernumsatz beträgt 28,7 Prozent. Nach Rekordgewinnen im vergangenen Jahr hatte die HHLA an die städtische HGV noch eine Rekorddividende in Höhe von 29,4 Millionen Euro ausgezahlt. Für dieses Jahr wird die Dividende an die Stadt geringer ausfallen.