Puttgarden. Schiffe zwischen Puttgarden und Rødby sollen 2018/2019 ohne Diesel verkehren. Anfang wird jetzt schon gemacht. Technik aus Hamburg.

Die beliebte Fährverbindung (Vogelfluglinie) zwischen Puttgarden auf Fehmarn und dem dänischen Rødby wird grün. Mit einem bis zu 60 Millionen Euro teuren Umbauprogramm will die Reederei Scandlines den Fährbetrieb auf dieser Route auf Strombetrieb umstellen. „In wenigen Jahren, vielleicht 2018 oder 2019, wollen wir die vier Schiffe auf der Linie komplett abgasfrei und elektrisch betreiben“, kündigte Betriebsleiter Claus Nikolajsen bei einem Pressetermin an Bord der „Schleswig-Holstein“ an. Es wäre der erste rein elektrische Fährbetrieb dieser Größe in der internationalen Schifffahrt. Bislang fahren nur in Norwegen reine Elektrofähren, die allerdings deutlich kleiner sind als die Schiffe auf der Vogelfluglinie.

Scandlines spürt den Druck durch den angekündigten Bau eines Tunnels unter dem knapp 18 Kilometer langen Fehmarnbelt und will dem Projekt, dessen Baustart sich immer weiter nach hinten verzögert, eine grüne Fährlinie entgegensetzen. Den ersten Schritt ist das Unternehmen bereits gegangen und hat die vier Fähren mit der weltweit größten Hybrid-Technik ausgestattet. Die Schiffe werden also nicht mehr direkt von herkömmlichen Dieselmotoren angetrieben, sondern durch Elektromotoren. Die Dieselmotoren erzeugen nur noch den dafür benötigten Strom. Dazu wurde auf jedem Schiff einer von fünf Dieselmotoren entfernt und durch 399 Batterien mit einer Speicherkapazität von jeweils 6,5 Kilowattstunden ersetzt. Die gesamte Kapazität liegt folglich bei 2,7 Megawattstunden. Die Batterien werden im Schiffsbetrieb über die Dieselmotoren geladen.

Anstatt während der kurzen Überfahrt beim Wechsel zwischen langsamer und schneller Geschwindigkeit ständig hin und her zu schalten, laufen die Dieselmotoren nun gleichmäßig und konstant in ihrem effektivsten Leistungsbereich bei einer Auslastung zwischen 85 und 90 Prozent. Fährt die Fähre langsam, produzieren sie mehr Strom als benötigt. Diese überschüssige Energie wird in den Batterien gespeichert. Bei einer schnelleren Fahrt wird die gespeicherte Energie wieder in den Antrieb gespeist.

25 Millionen Euro hat der Umbau der Fähren gekostet. Die EU hat sich daran mit 6,4 Millionen Euro beteiligt. Entwickelt wurde die Technik in Hamburg. In der Hansestadt sitzt nämlich die Marine-Abteilung des Siemens-Konzerns. Rund 100 Mitarbeiter des Geschäftsbereichs Antriebstechnik des Industriekonzerns befassen sich hier mit zukunftsweisenden Antrieben für Schiffe. Seit 2013 läuft die Kooperation mit Scandlines. „Mit dem Hybrid-Antrieb sinkt der Treibstoffbedarf der Fähren um 15 bis 20 Prozent“, sagt Siemens-Direktor Stefan Kraus. Zudem erhöhe sich die Sicherheit an Bord: „Wenn ein Dieselaggregat ausfällt, dauert es bis zu 30 Sekunden, um den Ersatzmotor zu starten“, sagt Kraus. „Nun wird die Versorgung sofort von den Batterien übernommen.“ Zur Absenkung des Schadstoffausstoßes habe Siemens eine Rauchgasreinigung (Scrubber) installiert, mit der die Emissionen um 90 Prozent reduziert würden. Für Scandlines sind die Treibstoffeinsparungen erheblich. Die Linie zwischen Puttgarden und Rødby ist mit 34.000 Abfahrten im Jahr die am stärksten frequentierte Fährverbindung im Norden Europas. Alle 30 Minuten legt eine Fähre in den beiden Häfen ab, mehr als 90 Mal in 24 Stunden. Dabei transportieren die Fähren jährlich sechs Millionen Passagiere, 1,6 Millionen Autos und 13.000 Eisenbahnwaggons.

Für Scandlines ist die Umstellung auf die Hybrid-Technologie aber nur ein erster Schritt. In den kommenden zwei Jahren will Nikolajsen weitere Dieselmotoren auf den Schiffen stilllegen. Die wegfallende Energie soll dann über einen Stromanschluss in den Häfen kompensiert werden, bevor in einem dritten und letzten Schritt sämtliche Dieselmotoren durch Strom aus Batterien ersetzt werden.

Um komplett auf Batteriebetrieb umzusteigen, sind allerdings noch technische und wirtschaftliche Probleme zu lösen: Die 142 Meter langen Schiffe sind zwischen den beiden Häfen 45 Minuten unterwegs, und dann gibt es ein enges Zeitfenster von 15 Minuten, um die Batterien zu laden. Danach fahren die Schiffe wieder los. Für eine normale Überfahrt werden vier Megawattstunden Energie benötigt. Diese Menge an Strom müsste also innerhalb kürzester Zeit an Bord gepumpt und dort auf mehrere Batterieblöcke verteilt werden. Im strukturschwachen Norden Fehmarns gibt es keinen entsprechend groß dimensionierten Anschluss ans Stromnetz. Der müsste erst von Schleswig-Holstein Netz gebaut werden, die auf Fehmarn sowohl das Mittel- als auch das Hochspannungsnetz betreibt. „Schleswig-Holstein Netz steht den Plänen von Scandlines aufgeschlossen gegenüber und kann sich gut vorstellen, den notwendigen Stromanschluss zu errichten“, so ein Sprecher. Es gebe aber noch keine konkrete Anfrage, und die technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssten geklärt werden.

Und bei den wirtschaftlichen Fragen beginnt das zweite Problem: Die Umstellung auf Batterien rechnet sich nur, wenn die Fähren mindestens zehn Jahre laufen. Sollte der Fährbetrieb aufgrund der Fertigstellung des Tunnels vorher eingestellt werden, würde die Refinanzierungszeit nicht ausreichen. Bei Scandlines hofft man deshalb, dass sich der Tunnel weiter verzögert.