Hamburg. Peter Tschentscher deutet in der Bürgerschaft an, wie Hamburg und Kiel die Landesbank retten wollen.
Trotz der Flüchtlingskrise und trotz der Olympiabewerbung: Keine andere Einzelentscheidung bereitet der Hamburger Politik derzeit so große Magenschmerzen wie die über die Zukunft der HSH Nordbank. Denn die Frage, wie viele Milliarden Euro Hamburg und Schleswig-Holstein dieses mal für die Stabilisierung der Bank werden aufwenden müssen, muss in den nächsten Wochen beantwortet werden. Wie berichtet, hatte Vorstandschef Constantin von Oesterreich kürzlich in einer vertraulichen Sitzung im Rathaus sogar gefordert, die Entscheidung müsse möglichst bis zum 30. September fallen.
Das war gestern. Und insofern lag die Linkspartei goldrichtig damit, die Lage der ehemaligen Landesbank am Mittwoch zur Aktuellen Stunde der Bürgerschaft anzumelden. Andererseits, und das kritisierten alle anderen fünf Fraktionen – SPD, CDU, Grüne, FDP und AfD –, war es der denkbar ungeeignetste Zeitpunkt, ausgerechnet auf der Zielgeraden äußerst brisanter Verhandlungen diese öffentlich debattieren zu wollen.
„Wir befinden uns in der letzten Phase eines komplexen Verhandlungsprozesses“, erklärte Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD). Die beiden Landesregierungen in Hamburg und Kiel, die EU-Kommission, das Bundesfinanzministerium, die Europäische Zentralbank und die deutsche Bankenaufsicht seien ständig in Gesprächen. Er könne dazu nicht öffentlich Stellung nehmen, „da wir das Ergebnis der Verhandlungen gefährden würden“.
Umso bemerkenswerter war, was Tschentscher in nur dreieinhalb Minuten dann doch sagte. Es gehe jetzt um „eine Entlastung der HSH von Garantiegebühren und von Risiken aus Altgeschäften“. Diesen Weg, den auch die HSH selbst vehement einfordert, würden Hamburg und Schleswig-Holstein „unterstützen und für erforderlich halten“. Das war zwar im Kern nicht neu, angesichts der nun schon seit zwei Jahren laufenden Verhandlungen mit der EU, angesichts der Sorge, dass am Ende doch eine Abwicklung der HSH stehen könnte und angesichts der Tatsache, dass die Linke das Thema unter der Überschrift „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ angemeldet hatte, eine deutliche Klarstellung.
Eine Abwicklung wäre teuer und riskant, betonte der Finanzsenator
„Eine Abwicklung der HSH wäre für die Länder nicht nur teuer, sondern würde viele zusätzliche, unwägbare Risiken bedeuten“, betonte Tschentscher. Stattdessen wollten Hamburg und Schleswig-Holstein die Bank „bei ihrer weiteren Restrukturierung unterstützen“ – sie also am Leben erhalten statt sie abzuwickeln.
Die beiden Bundesländer, denen 85 Prozent der HSH gehört, hatten die Bank schon im Zuge der Finanzkrise 2009 mit drei Milliarden Euro frischem Kapital und einer Garantie über zehn Milliarden Euro gerettet. Solche staatlichen Stützungsmaßnahmen müssen von der EU-Kommission genehmigt werden. Dass die Länder seit 2013 erneut „in Brüssel auf der Strafbank sitzen“, wie der FDP-Abgeordnete Michael Kruse süffisant bemerkte, liegt daran, dass die Garantie zwischenzeitlich auf sieben Milliarden Euro abgesenkt, dann aber doch wieder erhöht worden war. Tschentscher machte aber deutlich, dass es in den Verhandlungen keineswegs nur um die Genehmigung der Garantieerhöhung gehe, sondern um eine große Lösung.
Das Problem sei nicht das Neugeschäft der Bank, das schreibe schwarze Zahlen. Im Blick habe man vielmehr „problematische Altgeschäfte, insbesondere Schiffskredite, die als Lasten der Vergangenheit wie Blei in der Bilanz liegen“, so der Finanzsenator. Solche Kredite, die die HSH im Umfang von mehr als 20 Milliarden Euro in den Büchern hat, würden das Rating, die Stabilität und die Ertragskraft einer Bank verschlechtern, sagte Tschentscher: „Diese Altlasten gefährden damit letztlich die Zukunft der HSH, und dieses Problem muss gelöst werden.“
Wie viel die Länder zahlen müssen, ist noch offen. Vermutlich Milliarden
Wie berichtet, sind Hamburg und Schleswig-Holstein bereit, der HSH solche Altlasten im zweistelligen Milliardenbereich abzunehmen. Da die Länder aber nicht die jetzigen Buchwerte der Kredite bezahlen würden, sondern einen niedrigeren, noch zu ermittelnden Marktpreis, und weil das Ganze mit der Garantie verrechnet werden würde, ist noch völlig offen, was diese Lösung die Länder am Ende kosten wird – das betonte auch der Finanzsenator. Sicher ist nur: Die Entscheidung muss bald fallen, sonst könnte der HSH die Unsicherheit über ihre Zukunft zum Verhängnis werden. Und dann, das wollte Vorstandschef von Oesterreich mit seinen deutlichen Worten betonen, könnte es noch ungemütlicher werden. Nach Abendblatt-Informationen wird die Entscheidung aber nicht vor Mitte Oktober fallen.
Oberstes Ziel müsse es sein, die Haushalte der beiden Bundesländer zu schonen, betonten fast alle Redner in der Bürgerschaft. „Jede Lösung, die das jetzt schon bestehende Risiko noch erhöht“, sei inakzeptabel, sagte CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer, und schloss fast schon resigniert: „Ich vermeide im Zusammenhang mit der HSH das Wort Hoffnung. Aber ich hoffe, dass wir bald Klarheit haben.“
Eine Sonderrolle nimmt die Linkspartei ein, die schon seit Langem eine geordnete Abwicklung der HSH Nordbank fordert. Das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) sei schließlich extra für solche Fälle geschaffen worden, sagte ihr Finanzexperte Norbert Hackbusch. „Die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein haben wahnwitzig viel Steuergeld in die Hand genommen, um die Bank vor dem Aus zu bewahren“, erinnerte er an die Ereignisse aus 2009. „Und was hat es gebracht? Nichts, gar nichts. Die Bank steht erneut am Abgrund und bettelt wieder um Hilfe aus Steuergeldern.“