Hamburg/Kiel. Vorstandschef spricht in geheimer Sitzung im Rathaus Tacheles. Es geht um Milliardenhilfen für die HSH von Hamburg und Kiel.

Matthias Popien

Die Situation war bezeichnend: Als der Ausschuss für öffentliche Unternehmen der Bürgerschaft am Dienstagabend das Thema HSH Nordbank aufrief, wurden Öffentlichkeit und Medien im Raum 151 des Hamburger Rathauses freundlich nach draußen gebeten. Was HSH-Vorstandschef Constantin von Oesterreich über die prekäre Lage des Instituts zu sagen hatte und wie Vertreter des rot-grünen Senats darüber denken – das gilt derzeit als geheime Verschlusssache. Damit das auch jeder versteht, trugen die Unterlagen mit der Überschrift „Finanzinformationen der HSH Nordbank per 30. Juni“, die die Ausschussmitglieder zur Vorbereitung erhielten, den Stempel „streng vertraulich“.

Und wenn es noch eines weiteren Beweises für die Brisanz des Themas bedurfte, dann lieferte den die Abwesenheit von Peter Tschentscher. Denn der SPD-Finanzsenator weilte an diesem Tag in Brüssel: Er verhandelte bei der EU-Kommission gemeinsam mit Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) über die Zukunft der HSH Nordbank. Mal wieder, könnte man sagen. Oder: immer noch.

Denn mittlerweile läuft der HSH und damit auch den Ländern als Haupteigentümer, die Zeit davon. Darauf wies Vorstandschef von Oesterreich hinter verschlossenen Türen noch deutlicher hin als je zuvor. Im Prinzip bis zum 30. September, spätestens aber in der ersten Oktoberhälfte, brauche man eine Entscheidung aus Brüssel, soll von Oesterreich nach übereinstimmender Schilderung von Teilnehmern der Sitzung gesagt haben.

Die Unsicherheit über ihre Zukunft sieht die Bank als größtes Problem

Das Problem, so wird es in Finanzkreisen geschildert, sei dabei weniger die ökonomische Lage der Bank. Die habe zum 30. Juni schwarze Zahlen geschrieben und verfüge über ausreichend Liquidität. Das Problem sei vielmehr die Unsicherheit über die Zukunft. Wenn die noch länger anhalte, könnten die Ratingagenturen die ohnehin schlechte Einstufung der Bank nochmals senken, Kunden könnten sich abwenden oder Investoren ihr Geld abziehen, Neugeschäft wäre dann kaum noch möglich. So eine Abwärtsspirale ist das Horrorszenario für die Bank und ihre Eigentümer – darauf, so die Interpretation von Ausschussmitgliedern, wollte Oesterreich hinweisen.

Offiziell verhandeln Hamburg und Schleswig-Holstein mit der EU-Wettbewerbskommission über die 2013 erfolgte Wiedererhöhung ihrer Garantie für die HSH von sieben auf zehn Milliarden Euro. Dabei soll aber eine endgültig tragfähige Lösung für die Bank gefunden werden, die 2008 im Zuge der Finanzkrise kurz vor der Pleite stand und von den Ländern mit besagter Garantie und drei Milliarden in bar gerettet werden musste.

Die Länder sollen der HSH ihreAltlasten in Milliardenhöhe abnehmen

Als wahrscheinlichste Lösung gilt, dass Hamburg und Schleswig-Holstein der HSH Altlasten – vor allem Schiffskredite – im zweistelligen Milliardenbereich abnehmen. Wie und zu welchem Preis und mit welchen Folgen für die ohnehin hoch verschuldeten Länder, ist Gegenstand der Verhandlungen – daher äußern sich weder die HSH noch die Landesregierungen dazu. Außerdem soll die Garantie so weit wie möglich reduziert und die Gebühr darauf gesenkt werden. Derzeit muss die HSH den Ländern mindestens 400 Millionen Euro pro Jahr dafür zahlen – das frisst ihre Erlöse fast vollständig auf. Daher hatte von Oesterreich zuletzt auch öffentlich deutlich gesagt, dass man diese Altlasten loswerden wolle.

Auch in Schleswig-Holstein verfolgt man die Entwicklung der HSH mit großen Sorgen. Die aktuellen Aussagen des Vorstandschefs sieht man als Bestätigung. In Kiel verweisen Gesprächspartner in diesem Zusammenhang auf die besonderen Berichtspflichten der HSH Nordbank. Sie muss die Ratingagenturen und die EU-Kommission regelmäßig mit Finanzkennzahlen beliefern, der nächste Termin ist das Quartalsende am 30. September. Bestandteil dieser Finanzinformation ist stets ein Ausblick auf die künftige Geschäftsentwicklung. So war Ende September 2014 noch von einer „gut gefüllten Geschäftspipeline“ die Rede, von „Neugeschäftswachstum“ und davon, dass die „Volumen- und Margenziele“ erreicht würden. Dieser für Geschäftsberichte typische Optimismus ist nun offenbar nicht mehr zu halten – darauf deuten auch die vertraulichen Unterlagen für den Ausschuss hin.

Die HSH Nordbank braucht einen Befreiungsschlag. Der muss, so heißt es in Hamburg und Kiel, zwar nicht unbedingt vor dem oder am 30. September verkündet werden. Aber spätestens in den dann folgenden Tagen.