Hamburg verliert mit Detlef Scheele einen ungewöhnlichen Politiker, der klare Worte nicht scheut. Das große Abschieds-Interview.

Etwas mehr als ein halbes Jahrzehnt ist es her, dass Hamburg ein politisches Erdbeben erschütterte. Mit Bürgermeister Ole von Beust (CDU), Axel Gedaschko (CDU) und Karin von Welck (parteilos) traten drei Senatsmitglieder gleichzeitig mitten in der laufenden Wahlperiode zurück. Kurz darauf gab auch Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) auf. Seitdem hat es diesen Fall in Hamburg nicht mehr gegeben. Wen Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) 2011 in seinen Senat berief, der hielt auch bis zur nächsten Wahl durch. Das galt bis heute.

An diesem Mittwoch hat Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) seinen letzten Arbeitstag. Am Vormittag erhält er von Scholz seine Entlassungsurkunde, und schon morgen wird die Bürgerschaftsabgeordnete Melanie Leonhard, bislang Familienexpertin der SPD-Fraktion, zu seiner Nachfolgerin gewählt. Am 15. Oktober tritt Scheele dann seinen neuen Job im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg an. Damit kehrt der bundesweit profilierte Arbeitsmarktexperte zu seinen Wurzeln zurück.

Mit dem Mann, der heute passenderweise auch seinen 59. Geburtstag feiert, geht nicht irgendein Senator. Scheele war als Staatssekretär schon Scholz’ rechte Hand im Bundesarbeitsministerium, er hat mehr als vier Jahre lang die Mammutbehörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) in Hamburg geführt und dabei ebenso wichtige wie brisante Themen verantwortet: vom massiven Ausbau des Kita-Systems über die Probleme in der Jugendhilfe mit den spektakulären Todesfällen Chantal und Yagmur bis hin zur Unterbringung der Flüchtlinge – dem alles beherrschenden Thema der vergangenen zwei Jahre.

Flüchtlinge: Impressionen aus Hamburg und Europa

Endlich angekommen: Eine 60-jährige Afghanin mit ihrem 110 Jahre alten Vater, den die Familie aus Angst vor den Taliban bis nach Bayern getragen hatte
Endlich angekommen: Eine 60-jährige Afghanin mit ihrem 110 Jahre alten Vater, den die Familie aus Angst vor den Taliban bis nach Bayern getragen hatte © dpa
Am 20. August war es in einer Flüchtlingsunterkunft im thüringischen Suhl zu einem massiven Gewaltausbruch unter Flüchtlingen gekommen
Am 20. August war es in einer Flüchtlingsunterkunft im thüringischen Suhl zu einem massiven Gewaltausbruch unter Flüchtlingen gekommen © dpa
Das Reichstagsgebäude: Am Dienstag will die Bundesregierung über Gesetzespaket zur Bewältigung der Flüchtlingskrise beraten
Das Reichstagsgebäude: Am Dienstag will die Bundesregierung über Gesetzespaket zur Bewältigung der Flüchtlingskrise beraten
Bei einer stundenlangen Massenschlägerei sind im Flüchtlingszeltlager im hessischen Calden mindestens neun Menschen leicht verletzt worden
Bei einer stundenlangen Massenschlägerei sind im Flüchtlingszeltlager im hessischen Calden mindestens neun Menschen leicht verletzt worden © dpa
Die Grenzen sind dicht: Kraftfahrer warten vergeblich am serbisch-kroatischen Übergang Batrovci-Bajakovo
Die Grenzen sind dicht: Kraftfahrer warten vergeblich am serbisch-kroatischen Übergang Batrovci-Bajakovo © dpa
Notunterkunft in Wiesen (Österreich)
Notunterkunft in Wiesen (Österreich) © dpa | Robert Jaeger
Unterschlupf vor dem Regen in Athen
Unterschlupf vor dem Regen in Athen © REUTERS | PAUL HANNA
Notunterkunft in Wiesen (Österreich)
Notunterkunft in Wiesen (Österreich) © dpa | Robert Jaeger
Helfer verteilen in der neuen Erstaufnahmestelle für Asylsuchende im Geutensweg in Neugraben-Fischbek bei Hamburg Feldbetten, Campingmatratzen und Schlafsäcke. Am Freitag wurden in dem ehemaligen OBI-Baumarkt rund 300 Schlafplätze aufgebaut, insgesamt sollen 500 Flüchtlinge in der Halle Platz finden
Helfer verteilen in der neuen Erstaufnahmestelle für Asylsuchende im Geutensweg in Neugraben-Fischbek bei Hamburg Feldbetten, Campingmatratzen und Schlafsäcke. Am Freitag wurden in dem ehemaligen OBI-Baumarkt rund 300 Schlafplätze aufgebaut, insgesamt sollen 500 Flüchtlinge in der Halle Platz finden © dpa | Christian Charisius
Die Roma-Familien wollen bleiben, bis ihnen der Aufenthalt in Hamburg zugesichert wird
Die Roma-Familien wollen bleiben, bis ihnen der Aufenthalt in Hamburg zugesichert wird © dpa | Markus Scholz
Afghanische und syrische Flüchtlinge, die offenbar kaum schwimmen können, vor der griechischen Insel Lesbos
Afghanische und syrische Flüchtlinge, die offenbar kaum schwimmen können, vor der griechischen Insel Lesbos © REUTERS | YANNIS BEHRAKIS
Fluchtversuch in Beli Manastir in Kroatien
Fluchtversuch in Beli Manastir in Kroatien © REUTERS | LASZLO BALOGH
Viele Menschen versuchen, den Zug Richtung Ungarn zu erreichen
Viele Menschen versuchen, den Zug Richtung Ungarn zu erreichen © dpa | Antonio Bat
Trotz Grenzblockaden strömen Tausende Flüchtlinge über Kroatien Richtung Deutschland und Skandinavien
Trotz Grenzblockaden strömen Tausende Flüchtlinge über Kroatien Richtung Deutschland und Skandinavien © dpa | Balazs Mohai
Self ist der Mann: Schauspieler Til Schweiger mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Musiker Thomas D.
Self ist der Mann: Schauspieler Til Schweiger mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Musiker Thomas D. © dpa | Rainer Jensen
Flüchtlingskinder in Hamburg bei der HSV-Hilfsaktion in der Nähe des Volksparkstadions
Flüchtlingskinder in Hamburg bei der HSV-Hilfsaktion in der Nähe des Volksparkstadions © WITTERS | ValeriaWitters
Maureen Reinmheimer (Freundin von Sven Schipplock) und Anncharlott Alfs (Freundin von Lewis Holtby) sortieren gespendete Kleidung
Maureen Reinmheimer (Freundin von Sven Schipplock) und Anncharlott Alfs (Freundin von Lewis Holtby) sortieren gespendete Kleidung © WITTERS | ValeriaWitters
Olcay Beiersdorfer (Ehefrau von Dietmar Beiersdorfer, Mitte) und Lilli Holunder (Freundin von René Adler, rechts) sortieren gespendete Kleidung
Olcay Beiersdorfer (Ehefrau von Dietmar Beiersdorfer, Mitte) und Lilli Holunder (Freundin von René Adler, rechts) sortieren gespendete Kleidung © WITTERS | ValeriaWitters
Flüchtlingskinder in Hamburg bei HSV-Hilfsaktion
Flüchtlingskinder in Hamburg bei HSV-Hilfsaktion © WITTERS | ValeriaWitters
Wasserwerfer und Tränengas: An der Grenze zu Ungarn eskalierte die Situation zwischen Polizei und Flüchtlingen
Wasserwerfer und Tränengas: An der Grenze zu Ungarn eskalierte die Situation zwischen Polizei und Flüchtlingen © dpa | Sandor Ujvari
Eine Passantin steht in der Wandelhalle im Hauptbahnhof in Hamburg vor einer Stellwand mit Informationen und Hinweisen für freiwillige Helfer und Flüchtlinge
Eine Passantin steht in der Wandelhalle im Hauptbahnhof in Hamburg vor einer Stellwand mit Informationen und Hinweisen für freiwillige Helfer und Flüchtlinge © dpa | Christian Charisius
Schauspieler Til Schweiger (3.v.l.) sowie der Schauspieler Jan Josef Liefers (v.l.) Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), die Politikerin Rita Süßmuth, Thomas Schreiber, Unterhaltungschef der ARD und Musiker Thomas D.
Schauspieler Til Schweiger (3.v.l.) sowie der Schauspieler Jan Josef Liefers (v.l.) Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), die Politikerin Rita Süßmuth, Thomas Schreiber, Unterhaltungschef der ARD und Musiker Thomas D. © dpa | Rainer Jensen
Zelte stehen vor dem Hauptbahnhof in Hamburg. In den Zelten sollen Flüchtlinge bis zu ihrer Weiterreise warten können
Zelte stehen vor dem Hauptbahnhof in Hamburg. In den Zelten sollen Flüchtlinge bis zu ihrer Weiterreise warten können © dpa | Daniel Reinhardt
Am Stacheldrahtzaun in die EU
Am Stacheldrahtzaun in die EU © Getty Images | Anadolu Agency
Ungarn hat das letzte Loch in seinem 175 Kilometer langen Zaun an der Grenze zu Serbien geschlossen
Ungarn hat das letzte Loch in seinem 175 Kilometer langen Zaun an der Grenze zu Serbien geschlossen © dpa | Thomas Brey
Eine Helferin steht mit einem Schild in der Wandelhalle im Hauptbahnhof in Hamburg und sammelt Spenden für Flüchtlinge
Eine Helferin steht mit einem Schild in der Wandelhalle im Hauptbahnhof in Hamburg und sammelt Spenden für Flüchtlinge © dpa | Christian Charisius
Die ungarische Polizei hat 16 Flüchtlinge festgenommen, die zuvor den Zaun an der Grenze zu Serbien durchschnitten und die Grenze überquert hatten
Die ungarische Polizei hat 16 Flüchtlinge festgenommen, die zuvor den Zaun an der Grenze zu Serbien durchschnitten und die Grenze überquert hatten © dpa | Sandor Ujvari
Flüchtlingsunterkunft im alten Stadion an der Oktaviostraße.
Flüchtlingsunterkunft im alten Stadion an der Oktaviostraße. © Michael Arning | Michael Arning
Flüchtlingsunterkunft im Jenfelder Moorpark an der Jenfelder Allee.
Flüchtlingsunterkunft im Jenfelder Moorpark an der Jenfelder Allee. © Michael Arning | Michael Arning
Flüchtlings- und Asylwerber- Erstaufnahmeeinrichtung in Kiel
Flüchtlings- und Asylwerber- Erstaufnahmeeinrichtung in Kiel © euroluftbild.de/Robert Grahn | euroluftbild.de/Robert Grahn
Ein Polizist kontrolliert am Grenzübergang in Mittenwald (Bayern) die von Österreich nach Deutschland einreisenden Autos
Ein Polizist kontrolliert am Grenzübergang in Mittenwald (Bayern) die von Österreich nach Deutschland einreisenden Autos © dpa | Sven Hoppe
Wegen der eingeführten Grenzkontrollen staute sich der Verkehr am frühen Morgen auf der Autobahn 8 rund drei Kilometer am Grenzübergang bei Bad Reichenhall
Wegen der eingeführten Grenzkontrollen staute sich der Verkehr am frühen Morgen auf der Autobahn 8 rund drei Kilometer am Grenzübergang bei Bad Reichenhall © dpa | Andreas Gebert
Die Autobahn zwischen Österreich und Ungarn war am Montagmorgen kurzzeitig gesperrt
Die Autobahn zwischen Österreich und Ungarn war am Montagmorgen kurzzeitig gesperrt © dpa | Boris Roessler
Ein Trachtler schaut in München auf einen Bus voller Flüchtlinge
Ein Trachtler schaut in München auf einen Bus voller Flüchtlinge © dpa | Nicolas Armer
Flüchtlinge am Hauptbahnhof in München
Flüchtlinge am Hauptbahnhof in München © dpa | Sven Hoppe
Feuerwehrleute löschen in Wiehl, Nordrhein-Westfalen, einen Zug. Die Polizei schließt einen fremdenfeindlichen Hintergrund nicht aus. Der Waggon war mit Parolen wie
Feuerwehrleute löschen in Wiehl, Nordrhein-Westfalen, einen Zug. Die Polizei schließt einen fremdenfeindlichen Hintergrund nicht aus. Der Waggon war mit Parolen wie "Go Home Asyl" beschmiert © dpa | Michael Kleinjung
Flüchtlinge in München
Flüchtlinge in München © dpa | Sven Hoppe
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht neben Bundespräsident Joachim Gauck beim Bürgerfest im Garten von Schloss Bellevue in Berlin mit Auszubildenden aus dem Verein „Ausbildung statt Abschiebung e.V.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht neben Bundespräsident Joachim Gauck beim Bürgerfest im Garten von Schloss Bellevue in Berlin mit Auszubildenden aus dem Verein „Ausbildung statt Abschiebung e.V.“ © dpa | Michael Kappeler
Papst Franziskus bei einem Besuch eines Camps mit Flüchtlingen in Rom
Papst Franziskus bei einem Besuch eines Camps mit Flüchtlingen in Rom © dpa | Osservatore Romano / Handout
Der 16-jährige Flüchtling Mogfaba aus Afghanistan kommuniziert am 10.09.2015 im Bahnhof von Flensburg zwischen schlafenden Flüchtlingen mit seinem Smartphone über ein Video-Chat-Programm mit einem Freund, der schon am Bahnhof in Kopenhagen (Dänemark) angekommen ist und dort auf ihn wartet
Der 16-jährige Flüchtling Mogfaba aus Afghanistan kommuniziert am 10.09.2015 im Bahnhof von Flensburg zwischen schlafenden Flüchtlingen mit seinem Smartphone über ein Video-Chat-Programm mit einem Freund, der schon am Bahnhof in Kopenhagen (Dänemark) angekommen ist und dort auf ihn wartet © dpa | Christian Charisius
Flüchtlinge schlafen am Bahnhof von Flensburg
Flüchtlinge schlafen am Bahnhof von Flensburg © dpa | Christian Charisius
Berlin: Flüchtlinge kommen in der Schmidt-Knobelsdorf Kaserne an
Berlin: Flüchtlinge kommen in der Schmidt-Knobelsdorf Kaserne an © Reto Klar | Reto Klar
Bundespräsident Joachim Gauck spricht neben seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt (l.) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Bürgerfest im Garten von Schloss Bellevue in Berlin mit Auszubildenden aus dem Verein „Ausbildung statt Abschiebung e.V.“
Bundespräsident Joachim Gauck spricht neben seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt (l.) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Bürgerfest im Garten von Schloss Bellevue in Berlin mit Auszubildenden aus dem Verein „Ausbildung statt Abschiebung e.V.“ © dpa | Michael Kappeler
Die sechs Monate alte Borusy aus Syrien wird in einer kurzfristig eingerichteten Notunterkunft in einer ehemaligen Bundeswehr-Sporthalle in Stern-Buchholz bei Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) von einer Helferin der Malteser gehalten
Die sechs Monate alte Borusy aus Syrien wird in einer kurzfristig eingerichteten Notunterkunft in einer ehemaligen Bundeswehr-Sporthalle in Stern-Buchholz bei Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) von einer Helferin der Malteser gehalten © dpa | Jens Büttner
Flüchtlingskind am Bahnhof in Salzburg
Flüchtlingskind am Bahnhof in Salzburg © dpa | Neumayr/Mmv
Bewohner stehen am 7. September 2015 in Rottenburg am Neckar (Baden-Württemberg) in der Nähe einer abgebrannten Flüchtlings-Unterkunft. Bei dem Brand sind fünf Bewohner verletzt worden
Bewohner stehen am 7. September 2015 in Rottenburg am Neckar (Baden-Württemberg) in der Nähe einer abgebrannten Flüchtlings-Unterkunft. Bei dem Brand sind fünf Bewohner verletzt worden © dpa | Marijan Murat
Einsatzkräfte der Feuerwehr stehen in Ebeleben (Thüringen) nach einem Brand in einer künftigen Flüchtlingsunterkunft auf einer Drehleiter
Einsatzkräfte der Feuerwehr stehen in Ebeleben (Thüringen) nach einem Brand in einer künftigen Flüchtlingsunterkunft auf einer Drehleiter © dpa | Sebastian Kahnert
Flüchtlinge nehmen einen Zug an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien
Flüchtlinge nehmen einen Zug an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien © dpa | Nake Batev
In Roszke (Ungarn) ist die Lage nach wie vor angespannt. Flüchtlinge laufen auf den Gleisen
In Roszke (Ungarn) ist die Lage nach wie vor angespannt. Flüchtlinge laufen auf den Gleisen © REUTERS | LASZLO BALOGH
An der Grenze zwischen Serbien und Ungarn
An der Grenze zwischen Serbien und Ungarn © Getty Images | Christopher Furlong
Asylbewerber Omar Ceesay (M.) unterhält sich in der Schreinerei Holitsch in Tettnang-Hiltensweiler (Baden-Württemberg) mit Schreiner Karl-Heinz Kübler (l.) und Geschäftsführer Alexander Lanz (r.), er macht eine Ausbildung
Asylbewerber Omar Ceesay (M.) unterhält sich in der Schreinerei Holitsch in Tettnang-Hiltensweiler (Baden-Württemberg) mit Schreiner Karl-Heinz Kübler (l.) und Geschäftsführer Alexander Lanz (r.), er macht eine Ausbildung © dpa | Felix Kästle
Die Leichen von Aylan und seinem Bruder Galip wurden am Freitag von der Türkei ins syrische Kobane gebracht
Die Leichen von Aylan und seinem Bruder Galip wurden am Freitag von der Türkei ins syrische Kobane gebracht © Reuters
Der Bestattungskonvoi wurde durch das türkische Militär gesichert
Der Bestattungskonvoi wurde durch das türkische Militär gesichert © Reuters
Die kleinen Jungen waren im Mittelmeer vor Bodrum ums Leben gekommenen
Die kleinen Jungen waren im Mittelmeer vor Bodrum ums Leben gekommenen © Reuters
Flüchtlinge weigern sich im ungarischen Bicske vor dem Transport in ein nahe gelegenes Auffanglager
Flüchtlinge weigern sich im ungarischen Bicske vor dem Transport in ein nahe gelegenes Auffanglager © Reuters
Im Hafen von Mytilene auf der griechischen Insel Lesbos spielen sich bei der Registrierung für Flüchtlingsfähren dramatische Szenen ab
Im Hafen von Mytilene auf der griechischen Insel Lesbos spielen sich bei der Registrierung für Flüchtlingsfähren dramatische Szenen ab © Reuters
Auf Lesbos setzte die griechische Polizei Blendgranaten gegen Flüchtlinge ein
Auf Lesbos setzte die griechische Polizei Blendgranaten gegen Flüchtlinge ein © dpa
Bei dem Brand in einer Flüchtlingsunterkunft im hessischen Heppenheim wurden mehrere Bewohner verletzt
Bei dem Brand in einer Flüchtlingsunterkunft im hessischen Heppenheim wurden mehrere Bewohner verletzt © dpa
Ein Mann sprang aus dem zweiten Stock ins Freie und verletzte sich schwer
Ein Mann sprang aus dem zweiten Stock ins Freie und verletzte sich schwer © dpa
Eine Frau mit Reisekoffer auf dem ungarischen Bahnhof Bicske. Auf einem anderen Gleis verweigern rund 500 Flüchtlinge die Fahrt in ein Auffanglager
Eine Frau mit Reisekoffer auf dem ungarischen Bahnhof Bicske. Auf einem anderen Gleis verweigern rund 500 Flüchtlinge die Fahrt in ein Auffanglager © Getty Images | Matt Cardy
Die Situation am Budapester Bahnhof Keleti blieb am Donnerstag äußerst unübersichtlich
Die Situation am Budapester Bahnhof Keleti blieb am Donnerstag äußerst unübersichtlich © Getty Images
Flüchtlinge protestieren in Budapest, sie wollen nach Deutschland
Flüchtlinge protestieren in Budapest, sie wollen nach Deutschland © Getty Images | Matt Cardy
Flüchtlinge am Bahnhof in Budapest
Flüchtlinge am Bahnhof in Budapest © REUTERS | LEONHARD FOEGER
Schleuser wollten diese Menschen Richtung Deutschland transportieren. Die ungarische Polizei stoppte sie 157 Kilometer südöstlich von Budapest in Szatymaz
Schleuser wollten diese Menschen Richtung Deutschland transportieren. Die ungarische Polizei stoppte sie 157 Kilometer südöstlich von Budapest in Szatymaz © dpa | Zoltan Gergely Kelemen
Lager am Bahnhof in Budapest
Lager am Bahnhof in Budapest © REUTERS | LEONHARD FOEGER
71 Flüchtlinge starben in Österreich in einem Schlepper-Lkw - vor dem Bochumer Schauspielhaus wurde dieses Szenario im Rahmen einer Mahnwache nachgestellt
71 Flüchtlinge starben in Österreich in einem Schlepper-Lkw - vor dem Bochumer Schauspielhaus wurde dieses Szenario im Rahmen einer Mahnwache nachgestellt © dpa
Flüchtlinge stürzen und werden niedergetrampelt bei dem Versuch, die griechisch-mazedonische Grenze zu überqueren
Flüchtlinge stürzen und werden niedergetrampelt bei dem Versuch, die griechisch-mazedonische Grenze zu überqueren © REUTERS | OGNEN TEOFILOVSKI
Ungarische Polizisten und Flüchtlinge stehen sich vor dem Budapester Bahnhof Keleti gegenüber
Ungarische Polizisten und Flüchtlinge stehen sich vor dem Budapester Bahnhof Keleti gegenüber © Reuters
Flüchtlinge warten nahe des Budapester Ostbahnhofes Keleti auf ihre Weiterreise Richtung Österreich und Deutschland
Flüchtlinge warten nahe des Budapester Ostbahnhofes Keleti auf ihre Weiterreise Richtung Österreich und Deutschland © Getty Images
In Serbien wiederum hoffen diese Menschen auf ein Durchkommen nach Ungarn
In Serbien wiederum hoffen diese Menschen auf ein Durchkommen nach Ungarn © Reuters
In Wien wurde von der Polizei ein verbarrikadierter Schlepper-Lkw gestoppt
In Wien wurde von der Polizei ein verbarrikadierter Schlepper-Lkw gestoppt © dpa
In dem zugeschweißten Transporter saßen 24 Afghanen, der Fahrer flüchtete
In dem zugeschweißten Transporter saßen 24 Afghanen, der Fahrer flüchtete © dpa
Eine Eurostar-Mitarbeiterin informiert Reisende in Calais über die Mitfahrversuche von Flüchtlingen
Eine Eurostar-Mitarbeiterin informiert Reisende in Calais über die Mitfahrversuche von Flüchtlingen © Reuters
Wiederholt versuchen Flüchtlinge, auf Schnellzüge aufzuspringen und durch den Ärmelkanaltunnel nach Englang zu fahren - Eurostar-Züge wurden daher gestoppt, Passagiere mussten warten
Wiederholt versuchen Flüchtlinge, auf Schnellzüge aufzuspringen und durch den Ärmelkanaltunnel nach Englang zu fahren - Eurostar-Züge wurden daher gestoppt, Passagiere mussten warten © Reuters
Ahmed (M.) ist mit seiner Familie aus Kabul (Afghanistan) am Hauptbahnhof München angekommen, über Budapest
Ahmed (M.) ist mit seiner Familie aus Kabul (Afghanistan) am Hauptbahnhof München angekommen, über Budapest © dpa | Peter Kneffel
Demonstration von Asylbewerbern in der Hamburger Schneckenburgallee
Demonstration von Asylbewerbern in der Hamburger Schneckenburgallee © Michael Arning | Michael Arning
Die Asylbewerber in Hamburg fordern Jobs oder Ausbildungs- und Studienplätze - sie wollen nicht nur herumsitzen
Die Asylbewerber in Hamburg fordern Jobs oder Ausbildungs- und Studienplätze - sie wollen nicht nur herumsitzen © Michael Arning | Michael Arning
Flüchtlinge und Polizisten stehen sich am vorübergehend gesperrten Budapester Ostbahnhof gegenüber
Flüchtlinge und Polizisten stehen sich am vorübergehend gesperrten Budapester Ostbahnhof gegenüber © Reuters
Die Behörden forderten die Flüchtlinge auf, den Bahnhof zu verlassen
Die Behörden forderten die Flüchtlinge auf, den Bahnhof zu verlassen © Reuters
Tausende Menschen drängen über Ungarn nach Westeuropa, viele rufen
Tausende Menschen drängen über Ungarn nach Westeuropa, viele rufen "Deutschland, Deutschland" © Reuters
In Salzburg drängten Tausende Flüchtlinge in Züge Richtung München
In Salzburg drängten Tausende Flüchtlinge in Züge Richtung München © dpa
Am Salzburger Bahnhof wurden kurzerhand Betten für die Flüchtlinge aufgestellt
Am Salzburger Bahnhof wurden kurzerhand Betten für die Flüchtlinge aufgestellt © dpa
An der griechisch-mazedonischen Grenze spielen sich dramatische Szenen mit Flüchtlingen ab
An der griechisch-mazedonischen Grenze spielen sich dramatische Szenen mit Flüchtlingen ab © dpa | Georgi Licovski
Der Lkw, in dem in Österreich 71 tote Flüchtlinge gefunden wurden
Der Lkw, in dem in Österreich 71 tote Flüchtlinge gefunden wurden © dpa | Hans Punz
In Berlin empfing Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig mit SPD-Genosse Sigmar Gabriel in Berlin ehrenamtliche Flüchtlingshelfer
In Berlin empfing Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig mit SPD-Genosse Sigmar Gabriel in Berlin ehrenamtliche Flüchtlingshelfer © dpa
Im niedersächsischen Salzhemmendorf wurde ein Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft verübt
Im niedersächsischen Salzhemmendorf wurde ein Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft verübt © dpa | Kreisfeuerwehr Hameln-Pyrmont
Auch im sächsichen Heidenau kam es zu Ausschreitungen rund um eine Erstaufnahme
Auch im sächsichen Heidenau kam es zu Ausschreitungen rund um eine Erstaufnahme © REUTERS | AXEL SCHMIDT
Bundeskanzlerin Angela Merkel (r.) bei ihrem Besuch einer Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Heidenau
Bundeskanzlerin Angela Merkel (r.) bei ihrem Besuch einer Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Heidenau © dpa
Die CDU-Chefin wurde nicht gerade freundlich begrüßt
Die CDU-Chefin wurde nicht gerade freundlich begrüßt © Getty Images
Sicherheitskräfte musste einen aufgebrachten Mob bändigen
Sicherheitskräfte musste einen aufgebrachten Mob bändigen © Getty Images
Etliche Menschen verschafften ihrem wie auch immer gearteten Ärger über die Flüchtlingspolitik Luft
Etliche Menschen verschafften ihrem wie auch immer gearteten Ärger über die Flüchtlingspolitik Luft © Getty Images
Merkel informierte sich indes bei Helfern über die Lage in Heidenau
Merkel informierte sich indes bei Helfern über die Lage in Heidenau © Getty Images
Zuvor hatte bereits Sigmar Gabriel die in einem ehemaligen Baumarkt eingerichtete Unterkunft besucht - als erstes Mitglied er Bundesregierung
Zuvor hatte bereits Sigmar Gabriel die in einem ehemaligen Baumarkt eingerichtete Unterkunft besucht - als erstes Mitglied er Bundesregierung © dpa | Maurice Weiss
Der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (r.) forderte harte Strafen für rassistische Übergriffe
Der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (r.) forderte harte Strafen für rassistische Übergriffe © dpa
Heidenaus Bürgermeister Jürgen Opitz (M.) im Gespräch mit Polizisten
Heidenaus Bürgermeister Jürgen Opitz (M.) im Gespräch mit Polizisten © dpa
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Und Scheele hat es wie kein zweites Senatsmitglied immer wieder geschafft, mit einem einzigen Satz große Debatten zu beeinflussen – womit er sich nicht immer Freunde gemacht hat. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand. Fest angelehnt“, sagte er im Sommer 2014 über den Flüchtlingsansturm. Wenn er geahnt hätte, dass die richtig große Welle erst noch kommt, hätte er den Satz damals wohl nicht gesagt. Aber die Wirkung der Worte war durchaus beabsichtigt – sie öffneten vielen Hamburgern erst die Augen, wie groß die Herausforderung wirklich ist und vielen Bundespolitikern, dass die Stadtstaaten latent überfordert sind.

„Tja, jetzt ist Schluss“, sagt Scheele, als er das Abendblatt zum Abschiedsgespräch empfängt. Sein Büro im zehnten Stock der Behörde an der Hamburger Straße hat er schon aufgeräumt. Wobei sich das „Aufräumen“ im Wesentlichen darauf beschränkte, vier persönliche Bilder abzunehmen. Zumindest eines davon, ein gewagtes Kunstwerk in Rot und Gold, zieht mit nach Nürnberg um. Die Möbel? Übernimmt seine Nachfolgerin. Und die Bücher im Schrank? Bleiben stehen, die stammen noch aus Zeiten seines Vorgängers Dietrich Wersich (CDU). Seine Stimmungslage? „Gut“, sagt Scheele. „Gut deswegen, weil ich – wenn man mal das Thema Flüchtlinge ausklammert – keine offenen Felder hinterlasse. Wenn Frau Leonhard kommt, dann findet sie eine geordnete Behörde vor.“

Es ist parteiintern kein Geheimnis, dass sich Scheele für die 38-Jährige als seine Nachfolgerin ausgesprochen hat. Mit Melanie Leonhard habe er in der Familienpolitik viele harte Phasen gemeinsam durchgestanden, etwa nach dem Tod von Chantal und Yagmur oder nach den Ausbrüchen von Jugendlichen aus dem Haasenburg-Heim in Brandenburg. „Und das hat Frau Leonhard alles klasse gemanagt“, sagt Scheele. „Sie kann das und ist in der dieser Situation die allerbeste Lösung.“

Schnell sind wir beim Thema Flüchtlinge. Ein schlechtes Gewissen, weil er seiner Nachfolgerin große Pro­bleme hinterlässt, habe er nicht, sagt Scheele. Die Behörde funktioniere ja und habe getan, was sie konnte. Aber einige Fragen stellen sich natürlich:

Hamburger Abendblatt : Kann die Verwaltung diese Aufgabe überhaupt bewältigen?

Detlef Scheele : Noch ja. Grundsätzlich gilt aber: Das Problem ist nicht die Hamburger Sozialbehörde, die steht am Ende der Nahrungskette und sucht leere Baumärkte. Das Problem ist die Schwäche der internationalen Organisationen und der EU, die zu wenig gegen die Fluchtursachen tun und die Flüchtlingsströme nicht in den Griff bekommen.

Sehen Sie die Gefahr, dass die Stimmung in der Bevölkerung kippt?

Scheele: Erstens: Solange die Wirtschaft prosperiert, die Arbeitslosigkeit niedrig ist und jedes Jahr eine fünfstellige Zahl neuer Jobs entsteht, darf man optimistisch sein. Zweitens müssen die auf dem Flüchtlingsgipfel beschlossenen Maßnahmen jetzt auch dazu führen, dass die Zugangszahlen aus den Ländern des westlichen Balkans zurückgehen, damit die große Hilfsbereitschaft gegenüber Kriegsflüchtlingen aus Syrien oder dem Irak anhält. Und drittens ist es wichtig, dass wir nicht an anderen für die Bevölkerung wichtigen Dingen sparen müssen, dass etwa Schulturnhallen belegt werden und dann nicht mehr für Schul- und Breitensport zur Verfügung stehen. Das darf nicht passieren. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, kann die positive Stimmung gegenüber den Flüchtlingen noch eine ganze Zeit anhalten.

Waren Zelte im Winter und Beschlagnahmung von Gebäuden nicht mal tabu?

Scheele: Das stimmt. Aber bei dem neuen Gesetz, das auch Beschlagnahmungen ermöglicht, geht es uns nur um leer stehende Gewerbehallen. Wir wollen keinem Bürger seine Wohnung wegnehmen.

Es war Detlef Scheele, der im Herbst 2014 immer wieder betonte hatte, dass kein Flüchtling im Winter in Zelten schlafen solle – was damals gelang, im kommenden Winter aber wohl nicht mehr. Und es war Scheele, der der verdutzten Öffentlichkeit zeitgleich mitteilte, dass neue Unterkünfte ab sofort notfalls auch nach „Polizeirecht“ geschaffen würden – also unter Umgehung normaler Verwaltungswege.

Erst vor Kurzem sorgte der Sozialsenator für Aufsehen, als er AfD-Abgeordnete, die Rot-Grün „Pro-Asyl-Propaganda“ vorwarfen, in der Bürgerschaft anherrschte: „Machen Sie die Augen auf, Himmel, Arsch und Zwirn!“ Die Menschen kämen „aus blanker Not“.

Gab es für Ihre deutlichen Aussagen mal einen Rüffel vom Bürgermeister?

Scheele: Nein. Nie.

Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Olaf Scholz beschreiben?

Scheele: Wir verstehen uns, was die politischen Themen angeht, ziemlich blind. Wir müssen gar nicht viel reden. Wenn wir uns dann mal treffen oder telefonieren, sind wir uns inhaltlich schnell einig.

Ist die mitunter sehr direkte und unverblümte Ausdrucksweise einfach Teil Ihrer Art, Politik zu machen?

Scheele: Das unterstellt, dass dahinter Strategie steckt, aber das tut es nicht. Wenn meine Reden manchmal anders klingen, als man das von Politikern gewohnt ist, dann bin das einfach ich. Ich kann nicht anders.

Er bereue in Wirklichkeit nur, dass er mal auf einer Betriebsversammlung des städtischen Kita-Trägers Elbkinder den Erzieherinnen ins Stammbuch schrieb, sie mögen doch nicht immer über ihre Situation jammern. Damals war er genervt, weil aus seiner Sicht nicht ausreichend gewürdigt wurde, dass Hamburg eine kostenlose Fünf-Stunden-Betreuung eingeführt habe und die Erzieherinnen schon überdurchschnittlich bezahle. Die jetzt erneut von Ver.di angekündigten Streiks hält er für „unangemessen“. Umgekehrt gilt: Dass Scheele sich lange unter Hinweis auf die Kosten gegen Verbesserungen der Betreuungsqualität gesperrt hatte, sorgte für mächtig Verstimmung. Letztlich vermittelte die SPD-Fraktion einen Kompromiss.

Das Thema Kinder hat den dreifachen Familienvater auf andere Weise betroffen: Chantal, 11, und Yagmur, 3, sind in seiner Amtszeit gestorben, obwohl sie in staatlicher Obhut waren.

Wie sehr hat Ihnen das zugesetzt?

Scheele: Sehr. Es berührt einen persönlich, wenn ein Kind stirbt. Und man ahnt, wie das folgende Jahr wird. Egal, wer formal zuständig oder verantwortlich ist: Als Senator gerät man immer in den Mittelpunkt. Und man denkt an die Mitarbeiter der Jugendämter, weil es dort nur noch darum geht, nach Fehlern, Fehlern, Fehlern zu suchen.

Sind Sie eigentlich erleichtert, für diesen krisenanfälligen Bereich Jugendhilfe nicht mehr verantwortlich zu sein?

Scheele: Dass man Haasenburg und Jugendhilfe nicht vermisst, wird einem keiner übelnehmen. Wobei man immer im Blick haben muss, dass da 449 Mitarbeiter tätig sind, die einen guten und verantwortungsvollen Job machen. Trotzdem: Wenn man nicht mehr verantwortlich ist, ist man eine Last los.

Vor den Abendblatt-Reportern sitzt ein entspannt wirkender Politiker, der mit sich und seinem Wirken in der Sozialbehörde im Reinen zu sein scheint. Typ: zupackender Pragmatiker mit Charme. Wer Scheele so erlebt, der übersieht leicht, dass er früher keinem Streit aus dem Weg ging, schon gar keinem parteiinternen. Scheele war einer der führenden Exponenten des einst existierenden linken Flügels der Hamburger SPD.

Die Entscheidung, Politik zu seinem beruflichen Schwerpunkt zu machen, fiel früh. Nach dem ersten Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien (Politik, Sport) schmiss Scheele das Referendariat nach vier Wochen, um 1985 persönlicher Referent des damaligen SPD-Landesvorsitzenden Ortwin Runde zu werden. Mit dem späteren Ersten Bürgermeister teilte Scheele die politische Heimat: den linken Kreisverband SPD Nord, dessen Kreisvorsitzender Scheele lange war.

Ende der 80er-Jahre wechselte er zum städtischen Zentrum zur beruflichen Qualifizierung (Zebra) – damals durchaus typisch für eine „linke“ Parteikarriere. Genauso wie die nächste Station bei der Hamburger Arbeit Beschäftigungsgesellschaft, deren Alleingeschäftsführer er 1995 wurde. Scheele blieb bemerkenswerterweise auch nach dem Regierungswechsel 2001 im Amt, als Ole von Beust (CDU) Bürgermeister wurde. Der SPD-Linke arrangierte sich mit CDU, Schill-Partei und FDP – und umgekehrt. Der Schritt zur pragmatischen Läuterung des Lagerpolitikers war vollzogen.

Als beamteter Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, wohin ihn der damalige Arbeitsminister Olaf Scholz 2008 geholt hatte, blieb Scheele dem Thema Arbeitsmarktpolitik treu. So gesehen, kehrt der 59-Jährige mit dem neuen Job in Nürnberg zu seinen Wurzeln zurück. „Ich werde jetzt einen Vertrag unterschreiben, der bis 2020 reicht“, sagt Scheele. „Dann bin ich 64 Jahre alt. Ich würde die dann amtierende Bundesarbeitsministerin fragen, ob ich noch ein oder auch zwei Jahre dranhängen kann. Meine Frau ist jünger, ich muss ein bisschen länger arbeiten, damit wir uns in der Mitte treffen.“ Also wieder Arbeitsmarkt.

Gehen Sie mit einem bestimmten Ziel nach Nürnberg? Wie damals Gerhard Schröder, der sich an sinkenden Arbeitslosenzahlen messen lassen wollte?

Scheele: Nein. (Lacht.) Ich halte auch nichts von solchen Messlatten. Es kommen Zigtausende von Flüchtlingen auf den Arbeitsmarkt, die vermutlich zum überwiegenden Teil zunächst nicht vermittlungsfähig sind. Insofern wird die Arbeitslosigkeit über eine längere Zeit erst einmal steigen. Das ist überhaupt gar keine Frage.

Olaf Scholz betont, dass eine der Hauptaufgaben angesichts der Flüchtlingsströme darin besteht, jetzt Jobs zu schaffen.

Scheele: Ja, das stimmt. Es hilft alles nichts, wir werden mehr Wohnungen bauen und mehr Arbeitsplätze schaffen müssen. Wir müssen alle Hebel in Bewegung setzen, damit die einheimische Bevölkerung die Zuversicht behält, dass eine Konkurrenzsituation ausbleibt.

Wenn Hamburg die schönste Stadt der Welt ist, wo rangiert dann Nürnberg?

Scheele: (Längere Pause.) Da ich mit dem Nürnberger Bürgermeister mal essen gehen will, bin ich ganz zurückhaltend. (Längere Pause, dann ein Stoßseufzer.) Nicht dicht dran. Franken ist schön, da sind wir früher viel radgefahren.