Hamburg. Senator Detlef Scheele (SPD) beendet das umstrittene Projekt JUS-IT. Die Kosten sind zu hoch, und das System ist veraltet.

Die Sozialbehörde steigt aus der umstrittenen Behördensoftware JUS-IT aus. Sieben Jahre nach der Entscheidung, das ursprünglich 112 Millionen Euro teure Programm einzuführen, sowie nach einer Reihe von Pannen und Kostensteigerungen hat Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) nun einen Schlussstrich gezogen. Der Vertrag mit dem Hersteller IBM wird beendet. Nun soll ein Ausschreibungsverfahren für eine Ersatz-Software gestartet werden.

Allerdings betrifft diese Entscheidung nicht das gesamte Projekt, sondern nur einen Teil davon. Ursprünglich sollten Jugendämter und Sozialämter mit JUS-IT arbeiten. „Von der aktuellen Entscheidung ist die Jugendhilfe nicht betroffen. JUS-IT bleibt damit weiterhin das Arbeitswerkzeug in den Allgemeinen Sozialen Diensten und wird zusammen mit IBM weiter entwickelt“, sagt Marcel Schweitzer, Sprecher der Sozialbehörde.

Während das System also bereits seit Mai 2012 in der Jugendhilfe benutzt wird, steht die Einführung im Bereich der Sozialhilfe noch aus. Doch da die Kosten dafür immer weiter gestiegen sind und es mittlerweile Alternativen anderer Hersteller gibt, hat Scheele das Projekt gestoppt. Zudem hätten sich seit Projektbeginn im Jahr 2008 „die Anforderungen an das neue Sozialhilfeverfahren geändert“, heißt es in einer Mitteilung des IT-Dienstleisters Dataport, der für Hamburg nun das neue Ausschreibungsverfahren durchführen soll. JUS-IT ist also veraltet.

Das Programm JUS-IT sollte die Arbeit der Sachbearbeiter besser vernetzen

Ziel war es, dass JUS-IT von den Jugend-, den Sozialämtern sowie den Wohngeldstellen angewendet wird – von insgesamt 1850 Mitarbeitern. JUS-IT sollte dazu beitragen, den Kinderschutz zu verbessern, weil es die Arbeit der Sachbearbeiter besser vernetzt. Initiiert hatte das Projekt der damalige Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU). Es war als Konsequenz aus früheren Fällen von Kindesvernachlässigungen mit tödlichen Folgen wie bei Jessica und Lara-Mia geplant worden.

Mithilfe von JUS-IT sollten sich die Behördenmitarbeiter schnell einen Überblick über die Maßnahmen verschaffen können, die den jeweiligen Kindern und Familien zugeteilt worden sind – egal, mit welchen Ämtern sie bereits zu tun gehabt haben. Mit dem neuen System ließen sich dann daraus resultierende Maßnahmen ablesen.

In den Jugendämtern hat es mit der Einführung großen Widerstand gegen das neue System gegeben. Mitarbeiter der Allgemeinen Sozialen Dienste hatten immer wieder gegen JUS-IT protestiert und die Abschaffung des Computerprogramms gefordert. Es sei kompliziert, zeitraubend, fehlerbehaftet und diene zur Überwachung, kritisierten Jugendamtsmitarbeiter. Und auch Scheele selbst war nie ein großer Anhänger der Software. Im Familienausschuss vor fast genau einem Jahr kritisierte er seinen Vorgänger nahezu unverhohlen: „Die Zeit- und Kostenschätzungen (…) waren unrealistisch.“ Und: „Wäre ich Behördenleitung gewesen, hätte es diesen Vertrag nicht gegeben.“

Dennoch ließ Scheele sich weitere 21,5 Millionen Euro für die Einführung des Systems von der Bürgerschaft bewilligen. Damit waren die Kosten bereits auf 133,5 Millionen Euro angewachsen. Dieser Schritt war aus Sicht der Sozialbehörde nötig, da sich abzeichnete, dass das anfangs veranschlagte Budget nicht ausreichen würde. Zu diesem Zeitpunkt war die Einführung von JUS-IT in den Jugendämtern nämlich noch nicht abgeschlossen – und in den Sozialämtern war mit der Einführung noch lange nicht begonnen worden.

Bislang sind 109 Millionen Euro für das neue System ausgegeben worden

Derzeit sind die zusätzlichen 21,5 Millionen Euro gesperrt und können nicht in das Projekt fließen. Laut Sozialbehörde sind bis Ende des vergangenen Jahres knapp 109 Millionen Euro für das System ausgegeben worden. Wie viel in diesem Jahr hinzugekommen ist, könne noch nicht beziffert werden. Ein erheblicher Teil des Geldes dürfte wohl auch in die Planung für die Sozialhilfe-Software geflossen sein. Die Erwartung ist, dass diese Planung auch in das nun neu zu beschaffende Computerprogramm fließt.

Dass es ein neues Proramm geben muss, scheint außer Frage zu stehen. Das bisherige ist rund 20 Jahre alt und gilt daher als völlig veraltet. In der Behörde rechnet man damit, dass es etwa drei Jahre dauert, bis ein neues System eingeführt ist. Ob die von der Bürgerschaft bewilligten 21,5 Millionen Euro dafür ausreichen, steht allerdings in den Sternen. Behördensprecher Marcel Schweitzer: „Das wird die Ausschreibung zeigen.“