Hamburg. Jede 100. Stunde von Februar bis Juli gestrichen. Es gibt sogar Schulen mit mehr als drei Prozent. Vervierfachung an den Grundschulen.
Schulsenator Ties Rabe (SPD) hat den Kampf gegen den Unterrichtsausfall zu einem seiner politischen Schwerpunkte erklärt. Während das Ausmaß der Fehlstunden früher nicht zentral erhoben wurde, müssen alle Schulen heute ihre Daten erfassen und der Schulbehörde übermitteln.
Und es zeigt sich: Es gibt nicht nur Grundschulen, sondern auch weiterführende Schulen, an denen fast keine Stunde ausfällt. An anderen Standorten bleiben die Fehlzeiten und der hohe Anteil zu deren Überbrückung erteilter Arbeitsaufträge für die Schüler ein erhebliches Problem.
Deutliche Unterschiede zwischen Schulformen
Die CDU-Schulpolitikerin Karin Prien hat sich in einer Kleinen Anfrage nach den aktuellen Daten erkundigt. Laut Senatsantwort hat sich der Unterrichtsausfall an den staatlichen Schulen insgesamt leicht erhöht: Im zweiten Halbjahr des vergangenen Schuljahres (Februar bis Juli 2015) ist der Anteil der ausgefallenen Unterrichtsstunden auf 1,01 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr lag der Wert bei 0,94 Prozent. Allerdings bleibt der Unterrichtsausfall unter der Marke des zweiten Halbjahres 2013/14, als 1,2 Prozent registriert wurden.
An fünf Schulen (Vorjahr: neun) liegt der Stundenausfall bei mehr als drei Prozent: Die Stadtteilschule Fischbek/Falkenberg führt die Negativliste mit 3,67 Prozent an, gefolgt von der Stadtteilschule Öjendorf mit 3,33 Prozent. Ebenfalls dabei sind die Stadtteilschule Walddörfer mit 3,27 Prozent sowie das Goethe-Gymnasium in Lurup (3,24) und die Fritz-Köhne-Grundschule in Rothenburgsort (3,15).
Andererseits gelingt es nicht nur vielen Grundschulen, ihre Fehlstunden gegen Null zu verringern. So weist das Gymnasium Bondenwald (Niendorf) einen Durchschnittswert von nur 0,21 Prozent Stundenausfall aus, das Gymnasium Hochrad (Othmarschen) von 0,43 Prozent und die Stadtteilschulen Lurup und Ida Ehre (Harvestehude) von 0,30, bzw. 0,31 Prozent.
Zwischen den Schulformen zeigen sich deutliche Unterschiede: An den Stadtteilschulen fällt mit 1,5 Prozent (erstes Halbjahr: 1,33 Prozent, Februar bis Juli 2014: 1,76 Prozent) am meisten Unterricht aus. Überraschend hoch ist die Zunahme an den Grundschulen, an denen die Eltern sich eigentlich darauf verlassen dürfen, dass gar kein Unterricht ausfällt: 0,19 Prozent aller Stunden wurden ersatzlos gestrichen (bislang: 0,05 Prozent). Das bedeutet eine Vervierfachung der ausgefallenen Stunden, wenngleich auf niedrigem Niveau. Einen klar positiven Trend gibt es nur an den Gymnasien: von 1,9 Prozent über 1,6 Prozent auf jetzt 1,4 Prozent.
Der Anteil des planmäßig erteilten Unterrichts liegt bei 86,4 Prozent
„Besorgniserregend ist der Zuwachs des Unterrichtsausfalls an den Grundschulen, an denen es nach dem Schulgesetz gar keinen Stundenausfall geben dürfte“, sagt Prien. Die CDU-Politikerin vermutet, dass die von Rabe bestrittene Kürzung von Vertretungsstunden eine der Ursachen ist.
Der planmäßig erteilte Unterricht hat mit 86,4 Prozent wieder das Vorjahresniveau erreicht, während der Wert im ersten Halbjahr 2014/15 mit 89,38 Prozent deutlich höher lag. Gestiegen ist der Anteil des „Unterrichts in besonderer Form“ (Projektwochen, Klassenreisen usw.): von 5,92 Prozent vor einem Jahr auf jetzt 6,8 Prozent.
Die Schulen haben unterschiedliche Möglichkeiten, Stundenausfall zu vermeiden: Als idealer Ersatz gilt, wenn zum Beispiel ein Mathelehrer in der Mathestunde einen erkrankten Mathelehrer vertritt. Immerhin 3,48 Prozent (Vorjahr: 3,89 Prozent) aller Stunden wurden auf diesem Weg erteilt.
Eine deutliche Steigerung ist bei der weniger eleganten Lösung zu verzeichnen, Arbeitsaufträge zu verteilen, die die Schüler eigenständig bearbeiten, oder Klassen zusammenzulegen. Diese Variante wurde bei zwei Prozent aller Stunden gewählt. Vor einem Jahr waren es lediglich 1,12 Prozent und im ersten Halbjahr 2014/15 1,63 Prozent. „Bei dieser Form der Vertretung werden die Schüler allein gelassen. Mit ordentlichem Unterricht hat das nichts mehr zu tun“, kritisiert Prien. Hier werde „faktischer Unterrichtsausfall statistisch geschönt“.
Rabe: „Eine ganze Reihe Schuldaten sind nicht plausibel“
Prien hat beobachtet, dass an vielen Schulen „die Ausfallzeiten in der Oberstufe im Vergleich zu den übrigen Jahrgängen zurückgehen und dafür die Zahlen für Vertretung mit Arbeitsauftrag hochschnellen“. Auffällig ist, dass etliche Schulen insgesamt einen sehr hohen Anteil vertretener Stunden haben. Fünf Gymnasien, fünf Grundschulen und eine Stadtteilschule verzeichnen einen Anteil von mehr als zehn Prozent Vertretungsstunden. Alle Schulen erhalten allerdings nur 9,4 Prozent ihrer Schulstunden für den Vertretungsunterricht – nach Angaben der Schulbehörde ist Hamburg damit bundesweit Spitzenreiter.
„Eine ganze Reihe Schuldaten sind nicht plausibel. Da wir die neue Abfragesoftware Untis eingeführt haben, gehen wir davon aus, dass manche Daten schlicht falsch eingetragen sind“, sagt Schulsenator Ties Rabe. „Wir nehmen das Thema Unterrichtsausfall aber sehr ernst, daher haben wir zwei Maßnahmen auf den Weg gebracht“, sagt der SPD-Politiker.
Neben der von Rabe eingeführten ordentlichen Erfassung des Ausfalls werden die Probleme von diesem Schuljahr an von der Schulaufsicht ausführlich mit den einzelnen Schulen besprochen, „um Ursachen zu beleuchten und konkrete Gegenmaßnahmen zu ergreifen“, sagt Rabe.
CDU-Schulexpertin Prien zieht ein negatives Fazit. „Im Vergleich zum Vorjahr wurde keine Verbesserung erreicht, im Gegenteil“, sagt Prien. „Man gewinnt den Eindruck, als habe die Schulbehörde in Richtung auf die Bürgerschaftswahlen im Februar alles getan, um in ersten Schulhalbjahr 2014/15 beim Unterrichtsausfall vor den Eltern gut dazustehen, um dann aber im zweiten Halbjahr wieder in den Normalmodus zurückzufallen.“