Norderstedt. Elternbeiräte sammeln bis Ende des Monats Unterschriften an den Norderstedter Schulen. Sie wollen die Listen an Bildungsministerin Ernst übergeben

Die Eltern in Norderstedt wollen den Unterrichtsausfall nicht widerstandslos hinnehmen. Sie haben eine breit angelegte Unterschriftenaktion gestartet und wollen die Protestnote Anfang Mai Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) übergeben. „Wir übergeben ihnen die Unterschriften von Schülern, Eltern und Lehrkräften, die mit dem immer häufiger vorkommenden Unterrichtsausfall an den Schulen unserer Stadt bze. in Schleswig-Holstein zu Recht sehr unzufrieden sind“, heißt es im Begleitschreiben zur Unterschriftenliste, das auch an Ministerpräsident Torsten Albig und die Vorsitzende des Bildungsausschusses, Anke Erdmann (Grüne), adressiert sein wird.

Dass regelmäßig Unterricht ausfällt und es keinen Ersatz dafür gebe, sei seit Langem bekannt. „Die Lehrerverbände haben immer wieder auf dieses Problem aufmerksam gemacht“, sagt Thomas Thedens, Vorsitzender des Elternbeirats am Lise-Meitner Gymnasium und Initiator der Unterschriftenaktion. Durchschnittlich würden nur gut neun von zehn Unterrichtsstunden erteilt. Das Bildungsministerium gehe ohnehin nur von einer durchschnittlichen Unterrichtsversorgung von 96 Prozent aus. Hinzu komme ein Minus von drei bis fünf Prozent durch Krankheit von Lehrkräften.

„Im vorigen Jahr fiel eine Deutschlehrerin für sechs Wochen aus. Das bedeutete einen Lernausfall, der gerade in der Oberstufe, wenn es aufs Abi zugeht, gravierende Folgen haben kann“, sagt Thedens, der für seine Initiative an fast allen Norderstedter Schulen geworben hat und auf offene Ohren gestoßen ist. In fast allen der 24 Schulen liegen Listen aus.

Am Coppernicus-Gymnasium gab es gleich mehrere langzeitkranke Pädagogen, der Ausfall traf vor allem das Fach Biologie. „Das ging so weit, dass die Schüler außer in der Oberstufe in den Halbjahreszeugnissen in dem Fach keine Note bekamen“, sagt Stefanie Nowatzky, Vorsitzende des Elternbeirats am Norderstedter Gymnasium. Am Copp fielen fünf Prozent des vorgeschriebenen Unterrichts aus. Die Lehrkräfte unterstützen die Protestaktion der Eltern.

Ingrid Kirschte, die den Elternbeirat des Gymnasiums Harksheide leitet, weist auf einen Trick hin: „Die Statistik wird geschönt, indem die Lehrer den Schülern Arbeitsaufträge geben.“ Das sei vom Ministerium so vorgegeben. Beide Elternsprecherinnen weisen darauf hin, dass sich die Lücken nicht schließen lassen, weil keine Lehrkräfte auf dem Markt seien. „Der Pool ist so gut wie leer“, sagt Thedens.

Zudem sei Norderstedt wie das gesamte Hamburger Umland durch seine Lage benachteiligt. „Wer will schon für drei Wochen jeden Tag von Kiel nach Norderstedt fahren?“, sagt Stefanie Nowatzky. Weiterer Nachteil im Vergleich zu den Uni-Standorten Kiel, Lübeck und Flensburg sei, dass das Wohnen und Leben am Rande der Metropole teurer sei.

Die Eltern fordern eine Unterrichtsquote von 105 Prozent. Durch den Überhang könne Ausfall ausgeglichen werden – ein Modell, so Thedens, das in Rheinland-Pfalz erfolgreich praktiziert werde. Die Eltern meckern aber und fordern nicht nur, sie machen auch Vorschläge, wie das Land die Mehrausgaben finanzieren könne: Gut 18 Millionen Euro habe das Land in unnütze Projekte investiert, allein 13 Millionen für den Kran, der im Kieler Hafen instandgesetzt wurde, um anschließend festzustellen, dass ihn niemand braucht. „Mit solchen Summen könnte das Land eine Menge Pädagogen bezahlen“, sagt Thedens, der als Zielmarke für die Aktion, die bis Ende April laufen soll, 1000 Unterschriften und mehr anpeilt.

Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Britta Ernst findet es grundsätzlich gut, wenn sich Eltern engagieren und den Finger in die Wunde legen, „wenn es nötig ist“. Allerdings sei nicht jeder Ausfall einer regulären Schulstunde auch wirklich Unterrichtsausfall. Oft genug gebe es guten und gewinnbringenden Vertretungsunterricht. „Zurzeit können wir das leider noch nicht explizit für alle Schulen sagen“, so die Ministerin. „Wir wollen das aber genau wissen und haben ein neues System entwickelt, das den Unterrichtsausfall besser erfasst und das jetzt im Praxistext ist.“

An den Schulen im Land sollen 1480 Lehrerstellen mehr besetzt sein, als von der Vorgängerregierung geplant – aber: Unter dem Strich bedeutet das nicht mehr, sondern weniger Lehrerstellen. Die Vorgängerregierung wollte 2125 Stellen abbauen, die jetzige Regierung rechnet mit einem Minus von 644 Stellen. Unbefristete Planstellen sollen für eine „mobile Vertretungsfeuerwehr“ eingerichtet werden – pro Kreis fünf bis sechs Stellen.

Kreisschulrat Jürgen Hübner hält die Zahl der Lehrerplanstellen im Kreis Segeberg für „auskömmlich“, es gebe auch keinen Mangel an Fachlehrern. „Wir haben in der Praxis eine hundertprozentige Versorgung mit Lehrern“, sagt Kreisschulrat Hübner. „Wenn es aber zu Ausfällen kommt, gibt es natürlich Probleme.“ Derzeit gebe es einen Pool von 16 Springerlehrkräften im Kreis Segeberg.