Hamburg . Lange Schlangen vor dem Gesundheitsamt Mitte bei der TBC-Früherkennung. Zahl der Fälle in Hamburg in den vergangenen Monaten gestiegen.

Sie kommen aus Ländern, in denen die Gesundheitsversorgung nicht mehr oder noch nie funktioniert hat, sind geschwächt nach langer Flucht und leben nicht selten beengt und unter schwierigen hygienischen Bedingungen in Notquartieren: Die Flüchtlinge, die jetzt nach Hamburg kommen, sind besonders anfällig für ansteckende Krankheiten wie etwa Tuberkulose (TBC). „Wir müssen gewappnet sein“, sagt Professor Klaus Rabe, Chefarzt der Lungenclinic Großhansdorf. Bei Flüchtlingen, auch denen aus Syrien und dem Irak, die wahrscheinlich länger bei uns bleiben, bestehe eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass sie die Krankheit in sich tragen.

In den vergangenen Monaten hatte es immer wieder Gerüchte und Berichte über eine erhöhte Ansteckungsgefahr mit TBC bei Flüchtlingen gegeben. Die meisten stellten sich als falsch heraus. Die Alternative für Deutschland (AfD) hatte in sozialen Netzwerken gegen mutmaßlich mit TBC infizierte Flüchtlinge Stimmung gemacht.

Experte: Alle beteiligten Stellen müssen zusammenarbeiten

Professor Klaus Rabe, Chefarzt der Lungenclinic Großhansdorf
Professor Klaus Rabe, Chefarzt der Lungenclinic Großhansdorf © LungenClinic Großhansdorf

In Norddeutschland, sagte Professor Rabe, sei eine steigende Anfrage auf die Betten in dem Spezialkrankenhaus spürbar. Es gebe Überlegungen, das Angebot auszubauen, so der Mediziner. Es bestehe aber kein Grund für Panik vor einem erhöhten Ansteckungsrisiko in der Bevölkerung. „Aber es ist wichtig, dass Gesundheitsämter, Krankenhäuser und Mediziner jetzt eng zusammenarbeiten.“ Dabei geht es vor allem um die Erkennung der Krankheit im Rahmen des Gesundheitschecks, den alle Flüchtlinge nach der Ankunft durchlaufen.

Und genau da ist im Moment das Nadelöhr. Zuständig für die gesetzlich vorgeschriebenen Röntgenreihenuntersuchungen für Asylbewerber ab dem 15. Lebensjahr ist für ganz Hamburg das Gesundheitsamt des Bezirks Mitte. Nach den Angaben einer Sprecherin war es in den Räumen am Besenbinderhof in den vergangenen Wochen zu langen Wartenschlangen gekommen. „Die Mitarbeiter kommen nicht hinterher. Es ist der Wahnsinn.“ Teilweise hätten die Flüchtlinge vor der Tür campiert.

Zusätzliches Personal im Gesundheitsamt

Mehr als 8000 Flüchtlinge seien in diesem Jahr schon untersucht worden. Inzwischen hat die Behörde die Notbremse gezogen. Die Flüchtlinge würden nun in den Erstaufnahmen zu dem Röntgen-Screening abgeholt, sagt Bezirkssprecherin Sorina Weiland. So soll ein geordneter Ablauf sichergestellt werden. Zudem seien Personal und Öffnungszeiten des Gesundheitsamts aufgestockt worden.

Nach den aktuellsten Zahlen des Robert-Koch-Instituts zu meldepflichtigen Infektionskrankheiten sind bis Ende August dieses Jahres in Hamburg 99 Tuberkulose-Fälle gemeldet worden. Im Vergleichszeitraum des Vorjahrs waren es 88, das entspricht einem Anstieg von knapp elf Prozent. Deutlich mehr Erkrankte gab es allerdings 2013. Damals waren es im Vergleichszeitraum 133 Fälle.

In Deutschland kaum Todesfälle durch TBC

Tuberkulose ist eine weltweit verbreitete bakterielle Infektionskrankheit. Die Übertragung erfolgt über Tröpfcheninfektion. Laut Weltgesundheitsorganisation starben 2012 etwa 1,3 Millionen Menschen an TBC. In Deutschland kann die Krankheit, die früher auch Schwindsucht genannt wurde, gut behandelt werden. Nur fünf bis zehn Prozent der infizierten Patienten erkranken auch an der Lungenkrankheit. Betroffene Patienten werden wegen der Ansteckungsgefahr im Regelfall isoliert.

Auch in der Lungenabteilung des Asklepios-Klinikums Harburg ist die Zahl der Tuberkulose-Fälle gestiegen. „Im vergangenen Jahr hatten wir erstmals nach jahrelangem Rückgang wieder einen Zuwachs bei den Tuberkulose-Erkrankungen“, sagt der Chefarzt, Privatdozent Gunther Wiest. Die Liegezeiten hätten sich verdreifacht. Als Grund dafür sieht er die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in der Harburger Poststraße, die im vergangenen Jahr eröffnet worden war.

Angesichts der großen Herausforderung beim Gesundheitscheck von immer mehr Flüchtlingen schlage sich Hamburg gut, sagt Wiest. „Es gibt nicht viele verschleppte Fälle.“ Erst vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass Mediziner im brandenburgischen Eisenhüttenstadt offenbar mehrere Tuberkulosefälle von Asylbewerbern übersehen hatten. In Berlin ist ein Röngtenmobil im Einsatz.

Am Mittwoch Expertentreffen mit Bundesgesundheitsminister Gröhe

Das Thema beschäftigt inzwischen auch die Experten auf Bundesebene. Am Mittwoch findet ein Treffen mit Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) statt. In diesen Tagen startet zudem eine gemeinsame Blitzumfrage mehrerer Verbände in Deutschland, die sich mit der Bekämpfung von Tuberkulose befassen, um die Situation in Einrichtungen in ganz Deutschland festzustellen.

„Die Zahl der Erkrankungen wird weiter steigen“, sagt Lungenspezialist Professor Rabe aus Großhansdorf. „Wenn wir gut vorbereitet sind, bekommen wir die Sache in den Griff.“