Hamburg. Die Hamburger Wirtschaftsvertretung legt ein Konzept vor, um Einwanderern schneller zu Jobs oder zu einer Ausbildung zu verhelfen.
Die Handelskammer sieht im Zustrom der Flüchtlinge eine große Chance, dem wachsenden Fachkräftemangel in Hamburg zu begegnen. Dazu müssen vor allem die jugendlichen Einwanderer unter 18 Jahren möglichst bald ausgebildet werden – sie machen die Hälfte der Migranten aus. Bislang hindern auch bürokratische Hürden Flüchtlinge und Unternehmen daran, schnell Arbeitsverhältnisse einzugehen, kritisiert Fritz Horst Melsheimer, Präses der Handelskammer Hamburg. Er fordert eine „Allianz für Flüchtlinge“, in der die Fachbehörden der Stadt, Handels- und Handwerkskammer, Unternehmensverbände und Gewerkschaften sowie die Agentur für Arbeit gemeinsam die Integration ins Berufsleben beschleunigen.
20.000 Zuwanderer kommen dieses Jahr nach Hamburg
Die Handelskammer hat am Montag ein Flüchtlingskonzept vorgelegt, mit dem sie den Beitrag der Hamburger Wirtschaft zur Integration der Flüchtlinge erhöhen will. Etwa 20.000 Zuwanderer werden nach Angaben der Kammer in diesem Jahr in die Stadt kommen, in ganz Deutschland werden etwa 800.000 Menschen erwartet. Dies sei, so Melsheimer, „die größte Herausforderung seit der Wiedervereinigung“. Das Thema werde „auch im nächsten Jahrzehnt jedes Jahr an erster Stelle stehen“.
Als eine große Hürde zur Anstellung von Flüchtlingen benennt die Handelskammer die sogenannte Vorrangprüfung. Dabei prüft die Agentur für Arbeit, ob es für einen bestimmten Arbeitsplatz, für den ein Unternehmen einen Einwanderer einstellen möchte, alternativ deutsche Bewerber gibt, die dann bevorrechtigt wären. Die Frist für den Prüfungsvorgang beträgt 15 Monate – aus Sicht des Betriebs und des Bewerbers wertvolle Zeit, die weitgehend ungenutzt verstreicht. Ein zweites Hindernis sind mangelnde Sprachkenntnisse. Hier schlägt Sönke Fock, Geschäftsführer der Arbeitsagentur Hamburg, vor, mit der Ausbildung nicht zu warten bis mehrmonatige Sprachkurse absolviert sind, sondern beides parallel laufen zu lassen. Diese Lösung habe zudem den Charme, dass passendes Fachvokabular vermittelt werden könne.
19.000 Fachkräfte fehlen in Hamburg
Es gelte, neben der notwendigen humanitären Hilfe „auch die Chance zu erkennen, die in dem gegenwärtigen Zustrom von Flüchtlingen liegt“, sagt Melsheimer. Bereits heute fehlten der Hamburger Wirtschaft rund 19.000 Fachkräfte. Diese Zahl könnte sich nach dem Fachkräftemonitor der Kammer im kommenden Jahrzehnt mehr als verdoppeln. Für das Jahr 2030 rechnet die Handelskammer sogar mit einer Lücke von mehr als 46.000 Arbeitnehmern, davon 6800 mit akademischer, 3000 mit technischer und 37.000 mit kaufmännischer Qualifikation.
Jenseits rechtlicher Hindernisse will die Handelskammer ihre 150.000 Mitgliedsunternehmen darin unterstützen, das bereits vorhandene Engagement für Flüchtlinge deutlich zu verstärken. Dazu wird sie ihre Mitglieder befragen, ob diese Praktikums- und Ausbildungsplätze anzubieten haben und deren konkrete Anforderungen an die Bewerber erheben.
Ein 30-seitiger Leitfaden zur Beschäftigung von Flüchtlingen informiert über rechtliche Regelungen und beantwortet Fragen etwa zu Versicherungen, Einschätzung von Sprachkenntnissen oder Fördermöglichkeiten. Er ist aus dem Internet unter www.hk24.de/fluechtlinge herunterzuladen. Zusätzlich will die Kammer gemeinsam mit der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter auf Veranstaltungen über arbeits- und aufenthaltsrechtliche Fragen informieren.
Handelskammer sucht Paten für Flüchtlinge
Zudem sucht die oberste Vertretung der Hamburger Wirtschaft ehrenamtliche Paten, die die Flüchtlinge an ihrer Arbeitsstelle begleiten. Ideal wären natürlich Kollegen aus dem aufnehmenden Betrieb. Aber auch andere Betriebe, internationale Organisationen, Unternehmensvereinigungen, Ländervereine, Konsularkorps oder Stiftungen und Betriebe, die im Herkunftsland des Einwanderers aktiv sind, können Paten stellen. Eine Datenbank mit potenziellen Paten soll aufgebaut werden. Bis dahin können sich interessierte Hamburger an die Abteilung „Migrantische Unternehmen“ wenden, die die Kammer am 1. August gegründet hat.
Ein „Marktplatz“, auf dem interessierte Unternehmen direkt mit Flüchtlingen Kontakt aufnehmen können, plant die Handelskammer als regelmäßige Veranstaltung – die erste soll am 4. November stattfinden. Weiterhin könnten, so das Konzept der Kammer, Ausländer, die schon länger in der Stadt sind, als sprachliche Brückenbauer zwischen den Flüchtlingen und Ämtern oder Betrieben fungieren.
Dass sich Migranten erfolgreich in Hamburg integrieren können, zeigt nicht zuletzt die Mitgliederkartei der Handelskammer: Rund 20.000 der 150.000 dort organisierten Unternehmen sind Betriebe von Inhabern, die im Ausland geboren sind.