Hamburg . Die 41-Jährige soll die Entwicklung zur Radfahrstadt voranbringen. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.

Nimmt man den enormen Medienandrang bei ihrer Vorstellung als Maßstab, dann müsste Kirsten Pfaue eine der mächtigsten Frauen Hamburgs sein. Dabei wurde die 41-Jährige am Dienstag lediglich als die künftige „Radverkehrskoordinatorin“ der Stadt präsentiert und wird als solche mit ganzen zwei Mitarbeitern die Verkehrsbehörde verstärken. Das große Interesse an ihrer Person kommt aber nicht von ungefähr. Denn die Stärkung des Radverkehrs ist eines der ambitioniertesten Ziele des Senats und vor allem den Grünen eine Herzensangelegenheit, und Kirsten Pfaue ist künftig das Gesicht dieses Projekts – die Frau, bei der die Fäden zusammenlaufen und die maßgeblichen Einfluss darauf hat, ob Hamburg wirklich zur „Fahrradstadt“ wird.

Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem Thema.

Wer ist Kirsten Pfaue?

Die gebürtige Hamburgerin ist Juristin und seit 2007 für die Stadt tätig. Von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt über das Bezirksamt Eimsbüttel und die Bürgerschaftskanzlei bis hin zum Bezirksamt Wandsbek, wo sie seit 2012 Leiterin des Rechtsamtes war, hat Kirsten Pfaue die Verwaltung kennengelernt. Von 2010 bis 2014 war sie zudem Landesvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC). „Sie ist seit Langem eine begeisterte und ehrenamtlich engagierte Radfahrerin und weiß genau, welche Potenziale das Radfahren für unsere Stadt hat“, so Verkehrssenator Frank Horch – der wie Pfaue parteilos ist.

Welche Aufgabe hat die Koordinatorin?

„Frau Pfaue ist nicht die oberste Entscheiderin über Hamburgs Radwege“, betonte Senator Horch. Diese Verantwortung müsse weiterhin die Politik tragen. Die Radverkehrskoordinatorin werde aber eng in die Behördenleitung eingebunden, könne jederzeit an Sitzungen teilnehmen und habe sogar ein „Vortragsrecht“ beim Bürgermeister. So könne sie „unter Abkürzung von Dienstwegen Entscheidungen auf hoher Ebene herbeiführen“. Bislang gab es in der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation nur zwei Mitarbeiter für den Bereich Radverkehr. Mit Kirsten Pfaue und ihren zwei weiteren Mitarbeitern wird das Personal mehr als verdoppelt.

Was kostet diese Maßnahme?

Der Senat sprach von „250.000 Euro plus Sachkosten“ für die drei neuen Stellen. Das Geld werde an anderer Stelle im Etat der Behörde eingespart. Die CDU verwies auf „Mehrausgaben von 317.000 Euro pro Jahr“ und kritisiert, dass dafür Infrastrukturausgaben gekürzt würden.

Welche Ziele soll sie konkret erreichen?

Der rot-grüne Senat will den Radverkehrsanteil im kommenden Jahrzehnt auf 25 Prozent verdoppeln. Pro Jahr sollen 50 Kilometer Radweg in Hamburg gebaut oder saniert werden. Das Veloroutennetz, von dem erst 80 Kilometer fertig sind, soll bis 2020 seine Gesamtlänge von rund 280 Kilometern erreichen. Als Mittel zum Zweck soll ein „Bündnis für den Radverkehr“ gegründet werden. Eine der wichtigsten Aufgaben von Kirsten Pfaue wird sein, die Konflikte im Zuge der Planungen zu entschärfen.

Was ist das Bündnis für den Radverkehr?

Wann dieses Bündnis gegründet wird und welche Ziele es genau verfolgen soll, ist noch offen. Vorbild dürfte aber das „Bündnis für das Wohnen“ sein, in dem Senat und Bezirke 2011 vereinbart hatten, in welchem Bezirk wie viele Wohnungen entstehen sollten. Da die Zielzahl von 6000 neuen Wohnungen pro Jahr seit 2013 erreicht wird, gilt das Bündnis als Erfolg – auch und vor allem ein Verdienst von Michael Sachs, der von 2010 bis zum Frühjahr 2015 als „Wohnungsbaukoordinator“ wirkte. Sein Nachfolger ist der neue Staatsrat für Stadtentwicklung, Matthias Kock.

Was sagen die Regierungsparteien?

„Kirsten Pfaue ist die ideale Besetzung für diese herausragende Aufgabe“, sagte Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks. Pfaue kenne die Verwaltung und habe sich als ADFC-Vorsitzende „mit Herzblut für das Thema Radverkehr eingesetzt“. Auch Lars Pochnicht (SPD) erwartete „zusätzlichen Schwung“ durch Pfaue: „Zentrale Aufgabe der neuen Radverkehrskoordinatorin ist es, die vielen Maßnahmen zwischen Fachbehörden, Bezirken und den Bürgern abzustimmen und zügig voranzubringen.“

Was sagt die Opposition?

„SPD und Grüne machen eine Fahrradlobbyistin zur Chefkoordinatorin ihrer Verkehrspolitik“, kritisierte Dennis Thering (CDU). „Das zeigt, es geht hier nicht um die sinnvolle Weiterentwicklung der Hamburger Verkehrswege, sondern allein um Ideologie.“ Wieland Schinnenburg (FDP) schlug in die gleiche Kerbe: Ein „Anti-Stau-Koordinator“ oder ein „Straßenbau-Koordinator“ würde mehr Sinn machen.

Heike Sudmann (Linkspartei) wünschte Pfaue dagegen „viel Durchsetzungskraft. Das Aufheulen von CDU und FDP und deren plumper Versuch, eine Radverkehrsexpertin als reine Lobbyistin zu diffamieren, zeigen die Empfindlichkeit der Autofetischisten.“

Was sagt Kirsten Pfaue selbst?

„Für mich wird ein Traum wahr, da ich meine Leidenschaft für das Radfahren mit meiner beruflichen Expertise in der Verwaltung verbinden kann“, sagte die 41-Jährige. Von den „alten Kampfbildern“ halte sie nicht viel: „Jeder Hamburger ist alles: mal Autofahrer, mal Radfahrer, mal ÖPNV-Nutzer und mal Fußgänger. Mir geht es darum, die Interessen zum Ausgleich zu bringen.“