Hamburg. Nachfrage nach Baufinanzierungen in Hamburg ist im ersten Halbjahr im Schnitt um 40 Prozent gestiegen.
Die stetig steigenden Preise halten die Hamburger nicht vom Immobilienkauf ab. Im Gegenteil. Die Nachfrage ist ungebrochen, wie die Baufinanzierungen bei den Hamburger Instituten zeigen. „Wir haben das Neugeschäft bei privaten Baufinanzierungen im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 52 Prozent gesteigert“, sagt Dieter Jurgeit, Vorstandsvorsitzender der PSD Bank Nord, die sich immer stärker auf Baufinanzierungen in Norddeutschland spezialisiert. Mit Neugeschäft im Volumen von 154 Millionen Euro liegt das Institut klar über Plan.
Andere Banken bestätigen den Trend, im Schnitt haben sie ihr Baufinanzierungsvolumen im ersten Halbjahr um 40 Prozent gesteigert. „Der Bau- und Kaufboom hält angesichts der niedrigen Zinsen ungebrochen an“, sagt Frank Oetjen, Baufinanzierungsleiter der Hamburger Volksbank. „Nachdem die Nachfrage schon in der zweiten Jahreshälfte 2014 deutlich angezogen hat, setzt sich jetzt dieser Trend fort“, sagt Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg. Die Zuwachsraten liegen zwischen 25 Prozent (Hamburger Volksbank, Sparda Bank Hamburg) und 83 Prozent (HypoVereinsbank), ergab eine Umfrage bei sieben Banken. „Die Steigerung basiert sowohl auf einer höheren Anzahl von Abschlüssen wie auch auf einem höheren Volumen pro Kreditvertrag“, sagt Jurgeit. Ein Drittel ihres Neugeschäfts erzielte die Bank über Internetplattformen wie Interhyp. „Wir gehören bei den Konditionen zu den Top-Anbietern und können schnell Zusagen machen“, sagt Jurgeit.
In den zweistelligen Zuwachsraten der Kreditinstitute schlagen sich auch die höheren Kaufpreise nieder. Knapp 3000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche müssen in Hamburg für eine Eigentumswohnung derzeit bezahlt werden, wobei es große Unterschiede zwischen den Stadtteilen gibt. Das ermittelte das führende Immobilienportal Immobilien Scout für das Abendblatt. Vor fünf Jahren waren es noch rund 1000 Euro weniger pro Quadratmeter. Seit 2010 sind die Preise damit um 47 Prozent gestiegen. Allein im ersten Halbjahr 2015 stiegen die Preise um knapp sechs Prozent. Für ein Einfamilienhaus in Hamburg müssen im Schnitt knapp 462.000 Euro bezahlt werden – 38 Prozent mehr als vor fünf Jahren.
Inzwischen halten 58 Prozent der Deutschen in ihrer Region die Immobilienpreise für zu hoch, ergab eine Umfrage der Comdirect. Auch die Bundesbank betrachtet die Entwicklung mit Sorge und sieht eine Überbewertung der Wohnungspreise von zehn bis 20 Prozent in einigen Großstädten, darunter auch Hamburg.
Doch die Nachfrage nach Immobilien dämpft das nicht. Obwohl eine Mehrheit Wohneigentum inzwischen für zu teuer hält, sehen 63 Prozent der Befragten in einer Großstadt den Zeitpunkt zum Kauf der eigenen vier Wände noch als günstig an.
Das liegt auch an den niedrigen Zinsen. „Angesichts steigender Mieten fragen sich immer mehr Menschen, ob sie nicht mit ihrer Miete eine Wohnung finanzieren können“, sagt Max Herbst von der FMH-Finanzberatung. Außerdem hat ein leichter Zinsanstieg im Frühjahr viele Verbraucher wach gerüttelt. Damals gab es die ersten Baukredite mit zehnjähriger Zinsbindung für knapp ein Prozent Zinsen. Inzwischen liegen die günstigsten Angebote bei 1,60 Prozent. Ein kräftiger Zinsanstieg, wenn auch auf niedrigem Niveau. „Bei einer solchen Entwicklung werden die Leute munter. Da werden dann auch schnell Kreditverträge unterschrieben, die schon vorbereitet waren“, sagt Herbst. „Steigende Zinsen und Preise befeuern den Immobilienmarkt.“ Diese Entwicklung bestätigt die Deutsche Bank. „Die leicht gestiegenen Zinsen haben die Entschlusskraft der Kunden noch verstärkt, ihren Immobilienwunsch zu realisieren“, sagt ein Sprecher des Instituts.
Von dieser Entwicklung profitieren jetzt die Banken. „Im ersten Halbjahr haben wir in Hamburg Wohneigentum in Höhe von mehr als 500 Millionen Euro finanziert“, sagt Dagmar Baier, Sprecherin der Commerzbank in Hamburg. Das ist eine Steigerung von rund 30 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Konkurrent Deutsche Bank verzeichnet einen Zuwachs von 50 Prozent bei den Baufinanzierungen in der Region Hamburg.
Die Immobilie ist nach Einschätzung der Bank für viele Anleger auch eine Alternative zum Kapitalmarkt. Statt ihr Geld anzulegen, investieren sie es lieber in eine weitere Wohnung. Denn selbst für einen Anlagezeitraum von fünf Jahren liegt die durchschnittliche Verzinsung für Spareinlagen nur noch bei 0,44 Prozent. Innerhalb eines Jahres hat sich der Wert halbiert. Auch andere Banken berichten von Mehrfachkäufern. „Da werden Wohnungen schon für Kinder und Enkelkinder gekauft“, sagt Dieter Miloschik von der Sparda Bank Hamburg.
Solche Käufer verfügen über ausreichend hohes Eigenkapital. Denn angesichts der gestiegenen Preise achten die Banken verstärkt auf Sicherheit. „Wir konnten keine Bonitätsverschlechterung der Kreditnehmer feststellen“, sagt Sönke Karwei, Regionalbereichsleiter der HypoVereinsbank. Um sich abzusichern, verlangen die Banken eine höhere Tilgung als die früher üblichen ein Prozent. „Die Kunden wählen eine lange Zinsbindung von mehr als zehn Jahren. „Bevorzugt werden 15 Jahre“, sagt Miloschick.
Im zweiten Halbjahr dürfte der Andrang der Kunden nach Baufinanzierungen anhalten. Denn Experte Herbst rechnet mit weiter steigenden Zinsen. „Ende des Jahres kann bei einer zehnjährigen Zinsbindung schon eine zwei vor dem Komma stehen“, sagt Herbst. Auch die Preise für Immobilien dürften weiter anziehen. „Es lohnt sich, den hohen Preisen auszuweichen und in weniger nachgefragten Lagen zu suchen“, sagt der Hamburger Makler Axel-H. Wittinger. „Südlich der Elbe ist die Lage immer noch vergleichsweise entspannt, ebenso wie im Hamburger Osten.“