Groß Flottbek. Ein Anwohner in Groß Flottbek ist von zwei Hells-Angels-Mitgliedern niedergeschlagen worden – weil sie langsamer fahren sollten.

Die Staudinger Straße, 250 Meter ruhige Wohngegend zwischen dem Windmühlenweg und der Seestraße. Kleinere Mehrfamilienhäuser säumen die Straße. Jägerzäune und Hecken grenzen die Grundstücke ab. Hier geht der 50 Jahre alte Anwohner am Sonnabendmorgen mit seinem Hund spazieren, als zwei Hells Angels mit ihren Harley-Davidson-Motorrädern in die Straße einbiegen. Kurz darauf liegt der Mann blutend auf der Straße. Die „Höllenengel“ hatten ihn krankenhausreif geprügelt.

Der Anlass war eine Nichtigkeit gewesen. Zu schnell, so der Eindruck des Spaziergängers, waren die Rocker, von denen einer einen sogenannten Windstopper mit Totenkopfmuster über Mund und Nase gezogen hatte, mit ihren Maschinen gewesen. Der Anwohner machte eine Handbewegung, signalisierte ihnen so, dass sie langsamer fahren sollen. Das reichte den Rockern, um aggressiv zu werden und brutal zuzuschlagen.

Was dann passierte, schilderte das Opfer später gegenüber der Polizei so: Die Hells Angels seien auf ihn zugefahren, eines der Motorräder hätte ihn gestreift. Dann hätten die Rocker angehalten, seien von ihren Maschinen gestiegen und auf den 50-Jährigen losgegangen. Nachdem sie ihn zu Boden geprügelt hätten, sollen sie noch auf ihn eingetreten haben. Eine Frau, die während des gesamten Vorfalls als Beifahrerin auf einer der Maschinen gesessen hatte, soll tatenlos zugesehen haben. Dann seien die Rocker wieder auf ihre Motorräder gestiegen und davon gerast. Ihr Opfer ließen sie mit einer Platzwunde im Gesicht, Prellungen und Blutergüssen liegen. Ein von einem Anwohner gerufener Rettungswagen brachte den Mann in die Universitätsklinik Eppendorf.

Die Polizei fahndete nach den Schlägern, die als kräftig beschrieben wurden, einer soll eine Glatze, der andere Stoppelschnitt getragen haben. Beide sollen Kutten getragen haben, auf denen der geflügelte Totenkopf, der Namenszug Hells Angels und der Name des Charters, also des Ortsverbandes, zu sehen ist. Danach gehören sie zum Club North End, der seinen Sitz in Alveslohe nördlich von Hamburg hat.

Bei der Fahndung kam die Feuerwehr den Beamten zu Hilfe. Einer Rettungswagenbesatzung waren die Hells Angels aufgefallen, als diese am Osdorfer Weg an einer Tankstelle standen. Drei weitere Rocker waren dazugestoßen. Die Feuerwehrleute sahen noch, wie die Gruppe mit ihren Maschinen abfuhr und auf die nahe A 7 in Richtung Elbtunnel einbogen. Ihre Beobachtung gaben sie an die Polizei weiter.

Für einen Haftbefehl reichte der Angriff auf den 50-Jährigen nicht

Die Rocker waren zwischenzeitlich über die Querverbindung via Tötensen auf die A 1 gefahren. Kurz vor Rade konnten Polizeikräfte die Gruppe Motorradfahrer aufnehmen und an der dortigen Abfahrt anhalten. Dabei wurden die beiden Männer identifiziert, die laut Opfer die Schläger waren. Die Polizei stellte die Personalien von Arne von J., einem 29 Jahre alten Hamburger, und von Angelo G., einem 32 Jahre alten Mann aus Brunsbüttel, fest. Der Ältere soll laut Aufnäher auf der Kutte ein „Prospect“, ein Anwärter für die Vollmitgliedschaft in dem Rockerclub sein.

Mindestens ein Jahr, so heißt es, müssten Bewerber sich in diesem Status bewähren, in dem sie zumeist Hilfsarbeiten ausführen oder die Motorräder der Vollmitglieder putzen müssen. Der 29-Jährige hatte einen Aufnäher auf der Kutte, der ihn als „Secretary“, also als Schriftführer des Clubs auswies. Die Beamten fertigten noch Fotos von den Männern und ihren Maschinen. Dann durfte sie mit ihren Kumpanen weiter in Richtung Bremen fahren. Für einen Haftbefehl reichte der Angriff auf den 50-Jährigen nicht. Vor Gericht werden sich die Männer aber verantworten müssen.

Die Hells Angels gibt es seit 1948. Sie wurden damals von Weltkriegsveteranen gegründet. 1973 wurde in Hamburg das erste deutsche Charter gegründet. Der Club North End feierte gerade sein 25. Jubiläum. In Hamburgs sind die Hells Angels seit 1986 als kriminelle Vereinigung verboten. Zehn weitere Verbote anderer Charters folgten, nachdem Hells Angels immer wieder in Schwerkriminalität oder brutale Auseinandersetzungen mit anderen Rockerclubs, wie mit den verfeindeten Bandidos, einem ebenfalls in den USA von Ex-Soldaten gegründeten Motorradclub, verwickelt waren.

Der Club North End war nicht von einem Verbot betroffen. In Schleswig-Holstein war zumindest das Tragen der Kutte seit Juni vergangenen Jahres verboten. Das sogenannte Kuttenverbot war im Juli vom Bundesgerichtshof aufgehoben worden. Dem Club war das der einzige Eintrag unter „News“ auf der eigenen Internetseite wert.