Hamburg. Steigende Temperaturen und weniger Regen im Sommer: Forscher untersuchen jetzt, wie sehr Bäume unter der Klimaveränderung leiden.

Elbe, Alster, Bille – Hamburg scheint gut mit Wasser versorgt zu sein. Können Bäume in der Hansestadt dennoch in Trockenstress geraten? Ja, sagt Annette Eschenbach vom Institut für Bodenkunde an der Universität Hamburg. Zwar stünden viele Bäume auf marschigen Böden mit einem hohen Grundwasserspiegel. Aber die rund 250.000 Straßenbäume haben ganz andere Wuchsbedingungen. „Die Straßenbäume haben schon eine hohe Belastung. Es ist klar, dass der Klimawandel da noch eins obendrauf setzt“, erklärt die Professorin.

Die Flächen über den Wurzeln der Bäume sind zum Großteil versiegelt. Wasser kann nur schlecht versickern. Auch der Wurzelraum in der Erde ist beschränkt. Um die Bäume herum führen unterirdische Leitungen, Baugruben werden mit Bauschutt oder Asphaltresten aufgefüllt. Hinzu kommen Schadstoffe. Im Winter schädigen Streusalze die Bäume und verringern die Verfügbarkeit der Nährstoffe. Die Bäume „verhungern“ regelrecht, sagt Eschenbach. Das ganze Jahr über dringen Schwermetalle aus Autoabgasen und Reifenabrieb in den Boden. Wenn es dann im Sommer über längere Zeit nicht regnet, kann das Laub vorzeitig vergilben, es kommt zu Wuchsstörungen.

Die Niederschlagsmenge ändert sich nicht, aber die Verteilung

Der Klimawandel könnte die Lage verschärfen. Klimawissenschaftler sagen nach Angaben von Eschenbach voraus, dass sich die Metropolregion Hamburg auf einen Anstieg der Temperatur um 1,5 bis 1,7 Grad im Jahresmittel bis 2050 einstellen muss. Die Niederschlagsmenge werde sich nur wenig ändern, aber deren Verteilung über das Jahr. Im Sommer könnte es zwischen 11 und 25 Prozent weniger regnen.

Wie werden die Straßenbäume darauf reagieren? Sollte die Stadt bei Neupflanzungen weiter auf Linde, Eiche und Ahorn – bislang die verbreitetsten Gattungen - setzen? Was muss zur Erhaltung der Bäume getan werden? Welche Standorte sind für Neupflanzungen auch in Zukunft noch geeignet? Die Behörde für Umwelt und Energie hat darum zusammen mit Eschenbach, der Hafencity-Universität und dem Biozentrum Klein Flottbek ein Forschungsvorhaben im Rahmen des Exzellenzclusters „Clisap“ auf den Weg gebracht.

In München sind schon viele Bäume tot

Gerhard Doobe von der Umweltbehörde ist froh, dass die Studie endlich gestartet ist. „Bäume reagieren sehr, sehr langsam“, sagt der Baumexperte. Wenn Trockenschäden eintreten, sei es meist schon zu spät. Großstädte wie Hamburg nähmen den Klimawandel vorweg, denn in den Metropolen sei es immer zwei bis drei Grad wärmer als im Umland. In diesem Sommer mit Hitze- und Trockenperioden habe Hamburg noch Glück gehabt. „In München, da sind reihenweise die Bäume tot“, sagt Doobe.

Kurze, heftige Regenfälle nützen wenig. Das Wasser fließt ab und versickert kaum. Stockholm und New York experimentieren schon mit Versickerungsanlagen, wie Wolfgang Dickhaut, Professor für umweltgerechte Stadtplanung an der Hafencity-Universität, sagt. Mit speziellem Material und Kunststoffkästen sollen die Wurzeln feucht gehalten werden. Wie Regenwasser in Hamburg bewirtschaftet werden kann, untersuchen Dickhaut und seine Kollegen im Rahmen der Studie.

Wann ein Baum gut oder schlecht gewachsen ist, können Botaniker unter anderem an den Jahresringen sehen. Darum erhalten die Forscher von allen Straßenbäumen, die in Hamburg gefällt oder beschnitten werden, Baumscheiben. Um den aktuellen Trockenstress zu erkennen, wollen Eschenbach und ihre Mitarbeiter die Wasserverfügbarkeit messen. An sechs Standorten werden dafür Messstationen eingerichtet. Die Wissenschaftler bringen drei Metallstäbe am Baum an. Auf diese Weise können sie erkennen, wie schnell die Pflanze einen Hitzeimpuls an die Wurzel weitergibt. Dies erlaubt Rückschlüsse auf den Wasserfluss.

Gartenbauamt untersucht, welche Arten sich am besten eignen

Unabhängig von der Studie untersucht bereits das Gartenbauamt an 18 Standorten, welche Baumarten sich für das Pflanzen in der Stadt besonders gut eignen. „Es geht dabei auch um Klimatauglichkeit“, sagt Doobe. So habe sich etwa herausgestellt, dass die Silberlinde in Hamburg nicht so gut gedeiht, die Brabanter Silberlinde - eine Weiterzüchtung - dagegen sehr viel besser wächst. Die Ergebnisse der Untersuchungen in Hamburg und mehreren anderen deutschen Städten fließen in eine digitale Empfehlungsliste der Gartenamtsleiterkonferenz (galk.de) ein.

Früher wurden Bäume auch in der Stadt mehrere Hundert Jahre alt. Neupflanzungen schaffen nur noch 30 bis 60 Jahre. „Das ist hoch dramatisch“, meint Doobe. Es spiegele aber die Entwicklung einer gewachsenen Stadt wieder. „Wir kämpfen um den Altbaumbestand, denn den kriegen wir nie wieder.“ Doobe und seine Mitarbeiter sind froh, wenn Bürger oder auch die Feuerwehr bei Trockenheit jüngere Bäume etwas gießen. „Wasser ist ein echter Rettungsanker.“