Hamburg. An 15 Straßen des Bezirks Mitte werden verschiedene Baumarten und -sorten auf ihre Anpassungsfähigkeit getestet.

Straßenbäume in der Stadt haben es schwer. Tausalz, verdichteter oder schlechter Boden schädigen ihr Wurzelwerk, das ohnehin oft nur wenig Raum hat. Staub und Luftschadstoffe tun ein Übriges. Vor allem aber leiden viele Bäume unter dem im Vergleich zum Umland wärmeren Stadtklima. „Die versiegelten Flächen der Stadt speichern Wärme. Dadurch können die Temperaturen um zehn Grad höher liegen als am Waldboden, dem natürlichen Standort der Bäume“, sagt Bernhard von Ehren, Chef der Hamburger Baumschule Lorenz von Ehren. Nach Prognosen von Klimaforschern wird die Erderwärmung den Stress für die Bäume weiter erhöhen.

Vor allem längere Trockenheits­perioden und die Verbreitung von wärmeliebenden Schädlingen könnten den Pflanzen im Raum Hamburg künftig stärker zusetzen, fürchten Experten. Förster, Gärtner, Landschafts- und Stadtplaner suchen deshalb nach denjenigen Baumarten, die mit dem vorhersehbaren Wandel am besten zurechtkommen. 2011 startete die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein auf ihrer Versuchsfläche in Ellerhoop zwischen Elmshorn und Quickborn das Projekt „Klimawandel und Baumsortimente der Zukunft“. 240 Bäume (jeweils fünf Exemplare von 48 Arten oder Sorten) sollen ihre Tauglichkeit als „Klimabaum“ beweisen.

Eschen sterben in Hamburg an einem Pilz, Rosskastanien haben die Motten

Als die Heranwachsenden auf dem Versuchsfeld allmählich in Platznot gerieten, entstand die Idee, etwa die Hälfte der Probanden an besonders ungünstige Standorte zu verpflanzen und sie mit den unter Idealbedingungen wachsenden Artgenossen in Ellerhoop zu vergleichen – die zweite Hälfte sollte zu Straßenbäumen werden. Die Landwirtschaftskammer knüpfte Kontakte zum Bezirksamt Mitte und erhielt grünes Licht: Im Herbst wurden 114 Bäume an 15 belebte Straßen des Bezirks gepflanzt; der kleinste maß 3,80, der größte 7,10 Meter. Alle haben den Winter überlebt und sollen nun über Jahre hinweg ihre Anpassungsfähigkeit an die Straßenrandverhältnisse und an sich ändernde Klimabedingungen zeigen.

An Hamburgs Straßen wachsen etwa 250.000 Bäume, rund 38.000 sind es im Bezirk Mitte. „In den 1970er- und 1980er-Jahren wurden reichlich Platanen gepflanzt. Sie gelten als stadtklimafest“, sagt Markus Weiler, Oberbaurat in Mitte. „Später stellte man fest, dass die Bäume sehr groß werden, und der Platz, den sie beanspruchen, oft im Straßenraum gar nicht da ist. Das lässt sich heute an mehreren Standorten im Bezirk Mitte beobachten.“

Die Anpassungsfähigkeit an widrige äußere Bedingungen seien nur eine von mehreren Anforderungen an Straßenbäume, so Weiler. Doch sie gewinne an Bedeutung: „Trockenheit war immer schon ein Problem, aber dieses hat sich in jüngster Zeit verstärkt. Durch die globale Vernetzung kommt jedes Jahr ein neuer Schädling – Käfer oder Pilz – in die Stadt. Einigen Arten kommt das tendenziell wärmere Klima entgegen, sie vermehren sich und werden dann zum Problem.“

„Eschen sterben in Hamburg an einem Pilz. Dieser verstopft die Leitungsbahnen, mit denen der Baum Nährstoffe transportiert, sodass die Triebe absterben. Rosskastanien haben seit Jahren unter Miniermotten zu leiden. Und ein Pseudomonas-Bakterium lässt vor allem ältere Kastanien absterben“, sagt Bernhard von Ehren. Bei der Umpflanzung der Testbäume aus Ellerhoop in die Stadtmitte übernahm die Baumschule von Ehren die Transporte. Zunächst sollte eine Spedition beauftragt werden, doch die Kosten wären so hoch gewesen, dass sie das gesamte Projekt in Frage stellten.

Die Hamburger Traditions-Baumschule sprang ein. Der Umzugsdienst ist nicht ganz uneigennützig. „Wir wollen Bäume verkaufen, die nachhaltig sind, die auch noch in einigen Jahrzehnten gut gedeihen. Deshalb freuen wir uns über das Projekt der Landwirtschaftskammer und würden uns noch mehr behördliche Unterstützung bei der Suche nach anpassungsfähigen Sorten wünschen. Eine Baumschule braucht zehn, 20 Jahre Vorlauf. Denn wir müssen die klimafesten Sorten erst groß ziehen und vermehren, bevor wir sie verkaufen können“, sagt von Ehren.

Zerreiche und Silberlinde sollen sich bewähren

Dichter Verkehr rauscht an dem Baumschulchef und den Vertretern des Bezirksamts Mitte vorbei – sie stehen an der Eiffestraße. Hier müssen 36 der 114 Probanden beweisen, dass auch unter großem Stress aus schmächtigem Jungvolk stattliche Straßenbäume werden können. Zu ihnen gehört die Zerreiche, eine südeuropäische Art, die auch als anpassungsfähiger Waldbaum in Frage kommt. Auch zwei Sorten von Silberlinden sollen sich bewähren, ein „Problemlosbaum“, sagt von Ehren über die Art.

Zu den Kandidaten für das Straßenbegleitgrün der Zukunft zählen Ungarische Eiche, Spanische Eiche, ­Japanische Ulme, Amerikanischer Amberbaum. Mit der Tatsache, dass viele Versuchsbäume keine einheimischen Arten sind, hat Weiler kein Problem: „Wir brauchen diejenigen Pflanzen, die für die verschiedenen Standorte innerhalb der Stadt optimal sind.“

Um den Jungbäumen – wie allen anderen neu gepflanzten Hamburger Straßenbäumen – einen optimalen Start zu verpassen, werden sie noch drei Jahre lang gepflegt (gewässert und geschnitten). Danach müssen sie allein zurechtkommen. Dabei werden sie jedoch weiter unter Beobachtung stehen. Weiler: „Wir erheben phenologische Daten wie den Zeitpunkt des Blattaustriebs, der Blüte, der Herbstfärbung und des Laubfalls. Und natürlich werden der Gesundheitszustand und möglicher Schädlingsbefall protokolliert.“

Manche Bäume beweisen schon unter heutigen Bedingungen ein eisernes Durchhaltevermögen. Markus ­Weiler erzählt von den Linden an der Reeperbahn: „Die Bäume lassen oft schon im August ihre Blätter fallen. Das zeigt, dass sie unter Stress stehen. Aber sie treiben dennoch jedes Frühjahr von Neuem aus.“