Hamburg. Weniger Umsatz, weniger Gewinn, schlankere Struktur: Doch die HSH Nordbank hat faule Papiere in der Bilanz. Hilft Hamburg noch einmal?
Die Führungsetage der HSH Nordbank bewegt sich gedanklich schon in zwei Welten. Die eine, das ist die Realität, ausgedrückt am Freitag in Halbjahreszahlen: Dort steht eine von 110 auf 108 Milliarden Euro gesunkene Bilanzsumme, stabile Gesamterträge von 652 Millionen Euro, eine um 110 Köpfe kleinere Mitarbeiterzahl von 2469, aber dennoch ein glatt halbierter Gewinn. Nach 432 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum waren es in den ersten sechs Monaten 2015 nur noch 222 Millionen Euro, vor Steuern.
Das Problem daran ist vor allem, dass kaum jemand diese Summe einschätzen kann. Denn sie steht am Ende einer komplizierten Rechnung aus normaler Geschäftstätigkeit, dem Abbau von Altlasten, der bilanziellen Wirkungsweise öffentlicher Garantien und einem Forderungsverzicht der Eigentümer Hamburg und Schleswig-Holstein. Diese unübersichtliche Lage ist gleichzeitig der Anlass für den Vorstand um Constantin von Oesterreich, sich gedanklich schon eine bessere Welt auszumalen. Eine ohne Altlasten, ohne hin- und hergebuchte Garantieprämien und ohne komplizierte Forderungsverzichte, die man kaum einer Ratingagentur erklären kann.
Die Kernbank gesundet – wenn nicht die Altlasten wären
Diese Welt hat in der Präsentation der HSH zum Halbjahr sogar eine eigene Seite bekommen, Seite 15: Dort heißt es, dass die um „sämtliche Sondereffekte“ bereinigte Kernbank – also ohne die in der Abbaubank gebündelten Altlasten – einen Gewinn von 268 Millionen Euro gemacht hätte, 14 Prozent mehr als 2014. Das klingt schon besser.
Und weil das so ist, sagte von Oesterreich auch deutlicher als zuvor, was Sache ist: Die Lage der Kernbank sei zwar gut, aber: „Wir können die Altlasten aus der Schifffahrt, die sich absolut nicht positiv entwickeln, nicht tragen. Wir wollen sie auf unsere Eigentümer übertragen.“ Knapp 2000 Schiffskredite hat die HSH noch in den Büchern, viele davon notleidend. Zu entscheiden habe das allerdings nicht die Bank, sondern die Eigentümer und die EU-Kommission. „Im Herbst“ rechnet der HSH-Chef mit einer Entscheidung.
Die HSH ist erneut ein Fall für Brüssel
So geht das nun seit Monaten. Zum 30. April hatte die Beratungsgesellschaft Bain & Company im Auftrag der Kieler Landesregierung ein Papier erstellt (liegt dem Abendblatt vor) mit den Optionen für die Länder, die 85 Prozent an der HSH halten: „Zielmodell“ war demnach genau das, was jetzt immer noch diskutiert wird: Eine „Stabilisierung“ der Bank durch Verkauf von Altlasten (an die Länder) und gleichzeitiges Absenken der Garantiebelastung für die Bank.
Die hatte 2009 von Hamburg und Schleswig-Holstein nicht nur drei Milliarden Euro in bar bekommen, sondern auch eine Garantie über zehn Milliarden, die Verluste aus Altgeschäften abdecken soll. Dafür zahlt die Bank rund 400 Millionen Euro Gebühr im Jahr an die Länder, insgesamt bereits 2,5 Milliarden Euro. Die EU hatte das unter strengen Auflagen schon abgesegnet und der HSH noch eine „Zusatzprämie“ aufgebrummt, die ihr die Länder jedoch teilweise stunden – besagter Forderungsverzicht. Und weil die Garantie zwischenzeitlich auf sieben Milliarden Euro abgesenkt, dann aber wieder erhöht worden war, liegt der Fall HSH nun seit 2013 erneut in Brüssel.
Finanzplan 6.0: Kauft Hamburg die Schiffskredite?
Der Nachweis der „Lebensfähigkeit“ der HSH sei das zentrale Kriterium, damit die EU die Garantie nachträglich genehmige, schreibt Bain. Problem: Die Finanzplanung „5.0“ der Bank sei in Brüssel schon durchgefallen, und die neue „6.0“ habe sich noch „verschlechtert“. Sollte die EU jedoch den Daumen senken, müsse die HSH wohl nach den Kriterien des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes (SAG) rekapitalisiert werden, und dann drohe ein „hoher Vermögensschaden“ für die Länder. Diese Option werde daher „nicht präferiert“. Das gilt bis heute.
Stattdessen ist folgendes Modell die wahrscheinlichste Lösung: Hamburg und Schleswig-Holstein kaufen der Bank einen Großteil ihrer alten Schiffskredite ab – Bain nennt hier eine Größenordnung von drei bis 14 Milliarden Euro. Um ein erneutes EU-Beihilfeverfahren zu vermeiden, müsste das zu Marktwerten geschehen, die niedriger sind als die Buchwerte der HSH.
Wie sollen die Länder Milliarden aufbringen?
Der Verlust würde auf die Garantie angerechnet, müssten also die Länder cash an die HSH zahlen. Im Gegenzug könnte die Garantie deutlich reduziert oder im Idealfall ganz beendet werden – die HSH würde immense Gebühren sparen und müsste die Altlasten nicht mehr mit Eigenkapital unterlegen. So würde eine lebensfähige HSH entstehen, woran auch die Länder als Eigentümer ein Interesse hätten.
Völlig unklar ist indes, wie die Länder die Milliarden aufbringen, denn die Haushalte geben das nicht her. Eine Variante wäre der von Hamburg und Kiel betriebene HSH Finanzfonds, der schon die drei Milliarden und die Garantie gestellt hat. Er hat jedoch weder eine Banklizenz, noch darf er so gewaltige Kredite aufnehmen.
„Das wird für alle Beteiligten ein heißer Herbst werden“, glaubt Norbert Hackbusch. Der Finanzexperte der Linkspartei hatte die Rettung der HSH schon immer kritisch gesehen. Das aktuelle EU-Verfahren erinnere ihn an die West-LB: „Das Ergebnis war die Zerschlagung der Bank. So viel zur strahlenden Zukunft der HSH.“