Hamburg. Das Regenwetter und fehlende Medikamente zehren an den Nerven der Flüchtlinge. Mittel gegen Krätze kommt in der nächsten Woche.

Mit mehreren Lkw-Ladungen Rindenmulch, Sand und Kies versucht „Fördern & Wohnen“, der städtische Betreiber der Hamburger Flüchtlingsunterkünfte, die durch den tagelangen Regen aufgeweichten Böden in der Schnackenburgallee in Stellingen und am Jenfelder Moorpark trockenzulegen. Das miserable Wetter macht allen Beteiligten zu schaffen und verschärft die eh schon angespannte Situation – vor allem für diejenigen Flüchtlinge, die in Zelten untergebracht werden müssen.

„Zum Glück sind die Unterkünfte wenigstens dicht“, sagt Susanne Schwendtke, Sprecherin von „Fördern & Wohnen“, „aber das wirklich große Problem ist die Feuchtigkeit. Es gibt keinen Platz, um die klamme Kleidung zu trocknen.“ Die Flüchtlinge in den Zelten würden daher mit frischen Decken und Bettzeug ausgestattet.

Achim Friedmann, 53, Anwohner des Jenfelder Moorparks und bis vor Kurzem auf dem Gelände engagiert, bezeichnete dem Abendblatt gegenüber die Zustände in dieser Erstaufnahme als „skandalös“: „Fördern & Wohnen geht fahrlässig mit den Flüchtlingen um“, sagt der ehemalige Zeitsoldat, der Katastrophenschutz studiert hat. Er könne nicht verstehen, warum die Flüchtlinge weder medikamentös gegen Krätze behandelt würden noch frische, milbenfreie Kleidung erhielten. Außerdem bemängelte er das Fehlen von Evakuierungsplänen für die Zeltunterkünfte. „Als es neulich eine Unwetterwarnung gegeben hat, wurden die Zelte zu spät mit Sandsäcken und Seilen gesichert.“

Jeder Flüchtling braucht ein eigenes Rezept für ein Medikament gegen Krätze

Friedmann, der inzwischen als Querulant gilt, hat Platzverbot erhalten und auch Susanne Schwendtke widerspricht ihm vehement: „Die Standsicherheit der Zelte wird vom Sicherheitsdienst rund um die Uhr geprüft.“ Und der Stopp der Kleiderausgabe habe einen wichtigen medizinischen Grund: „Durch die Anprobe der Kleidung kann die Scabies (Krätze, die Red.) weiter verbreitet werden“, sagt sie. „In der nächsten Woche werden alle Bewohner ihre gesamte Kleidung austauschen können, wenn das Medikament Ivermectin endlich eintrifft. Es hat uns selbst am meisten überrascht, dass der Import dieses Mittels aus Frankreich so lange dauert, aber die akuten Krätzefälle werden selbstverständlich behandelt.“

Die Verzögerung, so Schwendtke, liege an der EU, die trotz der größten Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg bürokratisch an europäischem Patientenschutz festhalte: „Wir mussten daher zunächst in enger Absprache mit den Ärzten jedem Einzelnen der rund 700 Flüchtlinge ein persönliches Rezept ausstellen lassen“, sagt Schwendtke.

Auch der geplante Aufbau der 22 Bundeswehrzelte auf dem ehemaligen Concordia Sportplatz an der Oktaviostraße in Marienthal musste wegen des aufgeweichten Bodens auf kommende Woche verschoben werden. „Die Zelte würden nicht standsicher sein. Das vorausgesagte bessere Wetter mit der Chance auf trockenen Boden gibt uns zusätzlich die Gelegenheit, den Boden zusätzlich zu verdichten und Schotter aufzubringen“, sagt Oberstleutnant Klaus Brandel vom Bundeswehr Landeskommando Hamburg.

Dagegen ist die Kleiderausgabe in den Hallen B6 und B7 auf dem Messegelände dank des Einsatzes Hunderter ehrenamtlicher Helfer der Aktionsgemeinschaft „Karoviertel Refugees welcome“, reibungslos angelaufen. Helfer berichten zunehmend aber auch, dass vor allem viele der Neuankömmlinge aus ihrer Enttäuschung über die Aussicht, sich längere Zeit in Zelten oder Hallen auf Feldbetten einrichten zu müssen, keinen Hehl machen würden. „Deutschland“, sagt eine ehrenamtliche Mitarbeiterin am Mittwoch, „haben sich die meisten ganz anders vorgestellt.“