Hamburg. Sechs Thesen zum digitalen Wandel vom Abendblatt-Wirtschaftsgipfel: Wie Unternehmen die Zukunft erfolgreich meistern können.

Mehr als 400 Gäste aus der Wirtschaft, gut vier Stunden Vorträge und Podiumsdiskussionen – der erste Abendblatt-Wirtschaftsgipfel im Hotel Atlantic war von den Herausforderungen der digitalen Revolution gekennzeichnet. Prominente Redner, unter ihnen Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche oder der Vorstandsvorsitzende der Metro AG, Olaf Koch, berichteten darüber, welche Lösungsansätze ihre Unternehmen im Umgang mit dem digitalen Wandel verfolgen.

Fasst man die Vorträge und die Diskussionen zusammen, kristallisieren sich sechs Thesen zum digitalen Wandel in der Wirtschaft heraus:

1. Deutschland droht in der digitalen Revolution zu verlieren

EU-Digitalkommissar Günther Oettinger warnte davor, dass unser Land bei der Digitalisierung der Wirtschaft Gefahr laufe, ins Hintertreffen zu geraten. Bislang hätten in der digitalen Revolution die Amerikaner und fernöstliche Staaten wie Südkorea oder Japan die Nase vorn. Oettinger glaubt, dass bis Ende dieses Jahrzehnts entschieden werde, wer Gewinner und wer Verlierer des Transformationsprozesses sein werde. „Wer jetzt die Umstellung auf digitale Produktionsketten verpasst, kann schon in fünf Jahren zu den Verlierern gehören.“

2. Das Thema Sicherheit wird zum zentralen Überlebensthema

Auch beim Thema Sicherheit im Netz ist der Nachholbedarf Deutschlands enorm. Hierzulande fehle es den Unternehmern an der notwendigen Sensibilität, sagte EU-Kommissar Oettinger. Sie gingen gar fahrlässig mit Unternehmensdaten um. „Wer aber die Daten hat, hat die Macht.“ Rüdiger Stroh, der Hamburger Chef des Chipherstellers NXP, schlug einen „New Deal“ vor. Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sollten sich auf verbindliche Standards für den Schutz vor Sicherheitsproblemen einigen.

3. Die deutsche Autobranche ist Gestalter des digitalen Wandels

Daimler-Vorstandschef ließ keinen Zweifel daran, dass die Autoindustrie mit der digitalen Revolution „die spannendste Phase in der Geschichte des Automobilbaus“ erlebt. Zudem äußerte er sich zuversichtlich, dass seine Branche „Treiber und nicht Getriebene“ sein werde. Dazu müsse jeder Unternehmer in seinem Kerngeschäft prüfen, welche neuen, digitalen Geschäftsideen entwickelt und umgesetzt werden könnten. „Machen Sie Ihrem Kerngeschäft selbst Konkurrenz“, rief Zetsche den Gästen zu und verwies auf den Erfolg des Carsharing-Anbieters Car2Go, der erst durch Smartphones möglich wurde. Zetsche verwies zudem auf Erfolge deutscher Autobauer bei der Entwicklung von autonom fahrenden Autos. Die größten Probleme seien gelöst.

4. Hamburgs Hafen ist Vorreiter der Digitalisierung

Abseits von Google und Apple wird oft übersehen, dass in vielen Wirtschaftsbereichen die digitale Vernetzung weit vorangeschritten ist. So würden im Hamburger Hafen derzeit Schiffe entwickelt, die ohne Crew über die Weltmeere fahren könnten, sagte Gunther Bonz, Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg. Johann Killinger, Geschäftsführer der Hamburger Buss Group, verwies auf das IT-Unternehmen Dakosy. Diese Firma sorge für die Vernetzung von verschiedenen Beteiligten im Hafen, vom Reeder über den Zoll bis hin zu den Spediteuren.

5. Die Internetbranche leidet in Hamburg unter einem Mangel an Fachkräften

Die Klage über das Fehlen von IT-Spezialisten ist in vielen Bereichen der Wirtschaft zu vernehmen. EU-Kommissar Günther Oettinger forderte nachdrücklich, dass in den Bereichen Bildung, Forschung und Weiterbildung die Anstrengungen auf diesem Gebiet erhöht werden müssten. Deutschland habe europaweit die ältesten Arbeitnehmer. Im Vergleich zu den USA seien diese hierzulande durchschnittlich acht Jahre älter. „Das sind acht Jahre mehr Lebenserfahrung, aber eben auch das Fehlen von acht Jahrgängen Digital Natives.“ Philipp Wes­termeyer von der Plattform Online Marketing Rockstars plädierte dafür, einen Stadtteil für Softwareentwickler aufzubauen. „Kaufleute haben wir genug.“

6. Das Internet revolutioniert den Handel

Der Kunde ist König – dieser Satz gilt im Handel seit Jahrzehnten. Im Internetzeitalter aber habe der Kunde alles selbst in der Hand, sagte der Vorstandschef der Metro AG, Olaf Koch. Mit wenigen Mausklicks könne er Preise vergleichen und Ware kaufen. Deshalb bedeute das im Großhandel beispielsweise, dem Kunden nicht nur etwas zu verkaufen, sondern ihm durch Schulungen oder die Vermittlung von Experten zu helfen, erfolgreich zu sein. Die Berliner GASAG-Chefin Vera Gäde-Butzlaff meinte, es reiche bei Weitem nicht mehr aus, nur Strom oder Gas zu liefern. Stattdessen wollten die Menschen Dienstleistungen.