Hamburg . Daimler-Chef Zetsche sprach vor mehr als 400 Gästen beim Abendblatt-Wirtschaftsgipfel. EU-Kommissar Oettinger: „Wer die Daten hat, hat die Macht“

Dieter Zetsche zögerte keinen Moment. Es sei gut, dass Hamburg sich für die Austragung der Olympische Sommerspiele im Jahr 2024 bewerbe, sagte der Vorstandsvorsitzende der Daimler AG gut gelaunt am Mittwoch auf dem Abendblatt-Wirtschaftsgipfel im Gespräch mit Chefredakteur Lars Haider. „Hamburg ist eine eigenständige Marke und die Bevölkerung steht überwiegend hinter der Bewerbung.“ Vor allem aber sei so ein Sportereignis „eine tolle Chance, sich zu präsentieren“, fügte Zetsche hinzu.

Dieses unmissverständliche Statement dürfte die meisten der mehr als 400 Manager und Unternehmer im Großen Festsaal des Hotel Atlantic gefreut haben. Schließlich erhofft die Wirtschaft sich wichtige Impulse für Hamburg. Mehr Bekanntheit in der Welt dürfte da nicht von Schaden sein. Gekommen waren sie aber wohl vor allem, um mehr über die Vorstellungen des Daimler-Chefs über die Mobilität der Zukunft zu erfahren.

Darüber sprach Zetsche ausführlich in seiner Keynote. Der Manager erwartet, dass die Automobilindustrie in den kommenden Jahren sich dramatischer verändern werde als jemals zuvor. „Wir erleben gerade die spannendste Phase in der Geschichte des Automobilbaus.“ Die Digitalisierung revolutioniere die Arbeit von Autoherstellern über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Diese Revolution biete große Chancen. Deshalb laute die Frage auch: „Wie schaffen wir es, Treiber und nicht Getriebene zu sein.“

Der Daimler-Chef rief die anwesenden Unternehmer auf, aktiv die digitale Revolution anzugehen. „Machen Sie Ihrem Kerngeschäft selbst Konkurrenz, bevor es andere tun.“ Als Beispiel für eine gelungene Integration digitaler Technologie in das eigene Geschäft bezeichnete Zetsche das Carsharing-Angebot „Car2Go“, das nur durch die Erfindung des Smartphones möglich gewesen sei. Inzwischen sei dieses unter dem Dach von Daimler entwickelte Start-up der weltweit größte Carsharing-Anbieter und setze mehr als 13.000 Fahrzeuge ein.

Künftig werde es aber verstärkt um die intelligente Vernetzung unterschiedlicher Verkehrsmittel gehen, fügte der Manager hinzu und präsentierte die Smartphone-Applikation Moovel. Der Nutzer kann in einer App seine Wegstrecke planen, unter verschiedenen Verkehrsmitteln wählen und diese teilweise buchen sowie bezahlen.

Das Hamburger Abendblatt hatte zu dem Wirtschaftsgipfel 2015 geladen. Auf der Veranstaltung ging es um eine zentrale Zukunftsfrage für die deutsche Wirtschaft: Wie wird die Digitalisierung sich auf Unternehmen und Branchen auswirken? Abendblatt-Geschäftsführer Frank Mahlberg erklärte zur Eröffnung, im digitalen Zeitalter müssten Unternehmen schneller auf die sich verändernden Anforderungen des Marktes reagieren und sich zu allererst an den Wünschen der Kunden orientieren. Allerdings wäre es falsch, „alles ganz anders zu machen, wenn man noch nicht weiß, wohin man will“. Mahlberg warnte zudem vor Selbstzufriedenheit und plädierte für eine Veränderungskultur, in der eher die Chance als das Risiko gesehen werde.

Wie Mahlberg betonte auch Daimler-Vorstandschef Zetsche die Notwendigkeit der Kundenorientierung. „Konzentrieren Sie sich auf die Kundenbedürfnisse von morgen und nicht auf die Bedenkenträger von gestern.“ Zetsche riet den Unternehmern, bei der Digitalisierung schnell zu sein und zugleich einen langen Atem zu haben. Der Innovationsdruck in anderen Teilen der Welt sei enorm. Allerdings rechneten sich viele Start-ups über eine Reihe von Jahren nicht.

Von großer Bedeutung werde in den kommenden Jahren die Entwicklung autonom fahrender Kraftfahrzeuge sein, sagte der Chef des Autobauers weiter. Bereits heute gebe es viele kleine Helfer an Bord, die den Autofahrer unterstützten. Autonomes Fahren werde aber zu einem großen Fortschritt bei Verkehrssicherheit und Wirtschaftlichkeit führen. Diese Zukunft werde kommen, auch wenn neben den technischen noch rechtliche und ethische Probleme zu lösen seien.

Ähnlich positiv bewertete Zetsche die Zukunft der Elektromobilität. Auch wenn zunächst ein längerer Übergangsweg mit Zwischenschritten vor uns liege, gehöre dem Elektromotor die Zukunft, sagte er. „Heute müssen wir mit dem Verbrennungsmotor das Geld für die Entwicklung des Elektromotors verdienen.“ Nötig sei es, die Reichweite von Elektroautos zu vergrößern.

EU-Kommissar Günther Oettinger warnte in seiner Rede davor, dass Europa bei der Digitalisierung der Wirtschaft ins Hintertreffen geraten könnte. „Das Jahrhundert, in dem wir wirtschaften, ist durch die digitale Revolution geprägt.“ Bislang habe man jedoch den Wettbewerb dieser Revolution verloren. Amerikaner und Koreaner seien stärker. Jetzt ergreife die digitale Revolution die Realwirtschaft. „Jeder Sektor der Wirtschaft wird in den nächsten Jahren erfasst werden.“

Bis Ende dieses Jahrzehnts werde entschieden, wer Gewinner und wer Verlierer dieser Veränderung sein werde, fügte der EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft hinzu. „Die Amerikaner wollen aus ihrer digitalen Überlegenheit wirtschaftliche Überlegenheit machen.“ Das ziele auf die europäische Industrie. Schließlich sei Europa mit seinen mehr als 500 Millionen Einwohnern auch wirtschaftlich von großem Interesse.

Oettinger mahnte ein europäisches Datenschutzgesetz an, das den Datenschutz auf wesentliche wichtige Regeln reduziere, aber die Chancen der Digitalisierung nutze. Landesdatenschutzgesetze spielten für international agierende digitale Unternehmen kaum eine Rolle. Die Firmen suchten sich die Länder aus, in denen die für sie günstigsten Regeln herrschten.

Oettinger mahnte die anwesenden Unternehmer, mehr in die Datensicherheit zu investieren. Hierzulande fehle es an der notwendigen Sensibilität und Verantwortung. Deutsche Firmen gingen aus seiner Sicht fahrlässig mit Unternehmensdaten um. „Wer aber die Daten hat, hat die Macht.“

Auch wenn im Verlaufe des Nachmittags die Digitalisierung des Hafens und des Handels, die Energiewende in Großstädten und die sozialen Medien im Mittelpunkt standen, war Hamburgs Olympiabewerbung immer wieder ein Thema. Der Vorstandsvorsitzende der Metro AG, Olaf Koch, erwartet von so einem Ereignis „Inspiration für Kultur und Infrastruktur“. Johann Killinger von der Buss Group mahnte, Hamburgs Hafen und die Olympiabewerbung sollten sich ergänzen.