Hamburg. Bei der Standortsuche gibt es angesichts des Ansturms auf Hamburg kaum noch Tabus. In allen Bezirken sollen Containerdörfer entstehen.
Bei der Bewältigung des Zustroms von Flüchtlingen steht die Stadt vor einem Wettlauf gegen die Zeit. Nach den Plänen des Senats sollen bis zum Herbst in allen sieben Bezirken neue Containerdörfer mit je 2000 bis 3000 Plätzen entstehen. Während bereits weitere Container für vier Millionen Euro bestellt wurden, verläuft die Suche nach geeigneten Standorten bislang aber äußerst schleppend.
Nach Abendblatt-Informationen haben die Bezirke und die Wirtschaftsbehörde bislang noch gar keine geeignete Fläche für die geplanten Großcontainerdörfer gemeldet. Dem Aufruf von Innensenator Michael Neumann (SPD) von vor zwei Wochen, Gewerbe- und Landwirtschaftsgrundstücke mit Platz für bis zu 3000 Flüchtlinge bereitzustellen, folgten nur „intensive Gespräche“ und Besichtigungen kleinerer Flächen, wie es aus dem Senat heißt. Allein im Juli kamen aber bereits mehr als 4100 Flüchtlinge in Hamburg an. Einen Plan B für den Fall, dass nicht genügend Standorte gefunden werden, gibt es demnach bislang nicht.
Im Fokus steht bei der Suche vor allem die Hamburg Port Authority (HPA) und die übergeordnete Wirtschaftsbehörde. Sie sollen leer stehende Gewerbeflächen im Hafen bereitstellen. „Wenn man genau hinschaut, gibt es dort viele Flächen, die schon planiert oder asphaltiert sind“, sagt Ralf-Dieter Fischer, Kreischef der CDU in Harburg. Aus den Bezirksämtern ist zu hören, dass der Rest der Stadt bereits enorm belastet sei, und nun auch der Hafen seinen Beitrag leisten müsse.
„Im Überflutungsgebiet kann kein Flüchtling ruhig schlafen“
Bei Gesprächen zwischen den Staatsräten von Innen- und Wirtschaftsbehörde ist bislang keine tragfähige Lösung in Sicht. Die Hafenvertreter argumentieren, dass man die leer stehenden Gewerbegebiete noch brauchen werde, um die Masse von Flüchtlingen in Arbeit zu bringen. Zudem seien große Teile der Gebiete noch mit Kampfmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg belastet und deshalb ungeeignet – „und im Überflutungsgebiet kann kein Flüchtling ruhig schlafen“. Nach Abendblatt-Informationen ist die Wirtschaftsbehörde höchstens bereit, einen Teil ihrer Flächenreserve von 100 Hektar für Flüchtlinge zu vergeben, und auch dies nur „temporär“.
Eine Alternative an großflächigen Standorten könnten Landwirtschaftsgebiete, etwa in den Vier- und Marschlanden sein. Entgegen der ersten Ankündigung von Senator Neumann kommen auch Grünflächen in allen Bezirken, besonders im ländlichen Nordosten der Stadt, verstärkt für große Flüchtlingsdörfer infrage.
Laut Innenbehörde muss ein Standort für eine Erstaufnahme mit 3000 Plätzen mindestens 30.000 Quadratmeter groß sein, bei jeweils dreistöckigen Containern. Solche Flächen, zumindest einigermaßen befestigt, sind in den Bezirken Mangelware. Laut einem Sprecher der Innenbehörde sei es „der entschlossene gemeinsame Wille bei allen städtischen Beteiligten, rechzeitig Kapazitäten zu schaffen“.
Unterscheidung nach Herkunftsländern
Parallel dazu laufen Planungen, wie die großen Containerdörfer ausgestattet werden sollen. In Senatskreisen ist dabei von „Städten innerhalb der Stadt“ die Rede: Die großen Containercamps sollen mit eigenen Stellen für Kinderbetreuung und Einkaufsmöglichkeiten, etwa einem Supermarkt, ausgestattet werden. Durch den großen Zustrom verbleiben Neuankömmlinge häufig mehr als ein halbes Jahr in der Erstaufnahme, doppelt so lang wie eigentlich vorgesehen.
Bei SPD-Politikern gibt es auch deshalb Sympathie für den Vorstoß der CDU, zur Beschleunigung der Asylverfahren bereits in der Unterbringung nach Herkunftsländern zu unterscheiden. Die Abgeordnete Karin Prien (CDU) hatte gefordert, mindestens eine der neuen Unterkünfte ausschließlich für Asylbewerber aus den sogenannten sicheren Herkunftsländern zu bringen, da diese in fast allen Fällen kein Bleiberecht erhielten und nach der Erstaufnahme ausgewiesen würden. Nach Ansicht des Senats könnten zwischenmenschliche Konflikte in den Unterkünften bei einer Ballung der Ethnien aber eskalieren. Die Grünen bestehen auf einer Gleichbehandlung aller Flüchtlinge.