Hamburg. Jeder dritte Hamburger hat ausländische Wurzeln. Am buntesten ist es im Bezirk Mitte. Abendblatt.de hat eine interaktive Karte erstellt.
Little Italy liegt in St. Georg, Petite France dagegen auf der anderen Alsterseite in Rotherbaum und in direkter Nachbarschaft - im feinen Harvestehude oder auf der Uhlenhorst - wohnen die meisten Iraner.
Einwanderung hat in der Hafenstadt Hamburg Tradition. Schon immer zog es Menschen aus der ganzen Welt an Elbe und Alster, um hier zu leben und zu arbeiten. Nach aktuellen Zahlen, die das Statistikamt Nord, jetzt veröffentlichte, hat jeder dritte Hamburger ausländische Wurzeln. Ende vergangenen Jahres waren es 565.919 (31,5 Prozent), und damit etwa 50.000 mehr als 2013 (+0,7).
Nach Definition der Statistiker zählen zu den Hamburgern mit Migrationshintergrund drei Gruppen: Ausländer, Eingebürgerte und von außerhalb Deutschlands Zugezogene sowie ihre minderjährigen Kinder. Asylbewerber in laufenden Verfahren und mit Wohnsitz in Hamburg gehören ebenfalls dazu. Nicht enthalten sind Flüchtlinge, die nur zur Erstaufnahme in Hamburg waren, und alle Flüchtlinge, die erst in diesem Jahr in die Stadt gekommen sind.
Die meisten Einwanderer haben türkische Wurzeln
Nach den Zahlen für 2014, die dem Hamburger Abendblatt bereits vorab vorlagen, bilden die Menschen türkischer Abstammung die größte Gruppe: 92.549 (5,2 Prozent). Die Zahl ist seit mehreren Jahren nahezu konstant. Dahinter folgen Migranten aus Russland sowie den Staaten der früheren Sowjetunion (76.505; 4,3 Prozent) und Polen (72.530; 4 Prozent). Mit deutlichem Abstand folgen auf Platz 4 und 5 Einwanderer aus Afghanistan (32.156; 1,8 Prozent) und dem Iran (19.601; 1,1 Prozent).
Große regionale Unterschiede bei der Verteilung
Bei der Verteilung im Stadtgebiet gibt es große Unterschiede. Ein Viertel der Einwanderer lebt in Hamburg-Mitte. Besonders bunt ist die Karte in den östlichen Stadtteilen des Bezirks, wo die Mieten deutlich günstiger als der Durchschnitt sind. In Billstedt, Wilhelmsburg und Rahlstedt wohnen die absolut meisten Menschen mit Migrationshintergrund, die höchsten Anteile an der Bevölkerung haben die Migranten in Billbrook mit 74,4 Prozent, auf der Veddel (71 Prozent) und in Neuallermöhe (63,1 Prozent). Während in den Bezirken Mitte, Bergedorf und Harburg der Hauptteil der Integration geleistet wird, leben im teureren Westen und im Norden Hamburgs deutlich weniger Einwanderer.
Was Veddel und Neuallermöhe unterscheidet
Mit einem Bevölkerungsanteil von 23,2 Prozent stellen Menschen mit türkischen Wurzeln die größte Gruppe auf der Elbinsel Veddel. Ganz im Osten der Stadt, in Neuallermöhe, leben mit 25,8 Prozent die meisten Zugewanderten aus Russland und mit 14,7 Prozent auch aus Polen.
Für die Verteilung im Stadtgebiet sieht Stadtforscher Jürgen Oßenbrügge mehrere Gründe. "Es entstehen Migranten-Netzwerke. Standorte, an denen sich eine Nationalität angesiedelt hat, werden meist größer", sagt der Professor für Wirtschaftsgeografie an der Hamburger Universität. "Man geht dahin, wo bereits die eigenen Leute sind." Das treffe auf die türkische Community in Hamburg zu, aber auch auf die Menschen, die aus den GUS-Staaten und Polen zugezogen sind.
Migrationswellen werden auf der Stadtkarte sichtbar
Zudem spiegele die Karte den Hamburger Wohnungsmarkt: Zuwanderer sind meist dort zu finden, wo die Mieten zum Zeitpunkt der Ankunft günstig sind oder wo geförderter Wohnraum zur Verfügung steht. "Migration verläuft nicht als gleichmäßiger Strom sondern in Wellen", sagt Stadtforscher Oßenbrügge.
Dass heute besonders viele Migranten aus den GUS-Ländern und Polen in Neuallermöhe wohnen, hat etwa damit zu tun, dass preiswerter Wohnraum Ende der 1980er Jahre in Hamburg knapp wurde. Wegen der gleichzeitig boomenden Zuwanderung beschloss der Senat die Weiterentwicklung von Neuallermöhe. In diese Sozialwohnungen zogen dann in den 1990er Jahren viele Aussiedler als Polen und Russland. "Es ist die Frage, wo Wohnraum zur Verfügung steht", sagt Oßenbrügge.
Billbrook ist Hochburg der Afghanen
Viele Zuwanderer aus Afghanistan leben in Billbrook. Dort bilden sie mit 17,9 Prozent die größte Migrantengruppe. Der Hintergrund: In dem Stadtteil gibt es seit Langem eine große Unterkunft für Asylbewerber. Viele Kriegsflüchtlinge aus Afghanistan sind dort untergebracht, im Vergleich dazu gibt es nur wenige Einzelhäuser.
Warum Wohldorf-Ohlstedt polnisch ist
Während es in den meisten Stadtteilen mehrere große Migrantengruppen gibt, taucht in einzelnen Stadtteile nur ein Bezugsland auf. So bilden etwa in Wohldorf-Ohlstedt die 60 polnischstämmigen Menschen – das entspricht einem Anteil von 1,3 Prozent an der Stadtteilbevölkerung – die größte Migrantengruppe. Dass sich diese Zahl so deutlich in der Statistik niederschlägt, liegt daran, dass in dem Stadtteil Menschen mit vielen verschiedenen Nationalitäten leben, aber jeweils in sehr kleiner Zahl.
Eine Besonderheit ist bei Finkenwerder (11.718 Einwohner) und Waltershof (3) zu beachten. Das Statistikamt fasst beide Stadtteile zusammen, daraus ergibt sich ein Zuwanderer-Anteil von 26,5 Prozent in der Bevölkerung, die größte Gruppe sind Menschen mit türkischen Wurzel (11,6 Prozent) gefolgt von Polen (2,3 Prozent) und Russen (Prozent). Weil eine Umsetzung auf der interakiven Karte nicht möglich ist, erscheint dort der Hinweise: Keine Daten.
333 Portugiesen leben in der Neustadt
Zu den 16 Ländern mit einer Bevölkerung von mehr als 7500 Menschen gehört auch Portugal (11.689; 0,7 Prozent) . Dabei ist der Anteil der Portugiesen in Hammerbrook mit 4,6 Prozent am höchsten. Auf Platz 2 folgt die Neustadt (2,7 Prozent), zu der auch das sogenannte Portugiesen-Viertel zählt. 333 Portugiesen sind hier zu Hause.
Franzosen suchen die Nähe zum Institut Francais und zu Airbus
Weitere Top-Zuzugsländer in Hamburg sind auf Platz 9 Griechenland, gefolgt von Rumänien, Serbien, Spanien, Frankreich, Bulgarien, Mazedonien und Österreich. Dabei leben prozentual die meisten Franzosen (8239) in Rotherbaum (1,6 Prozent), Lokstedt und Nienstedten (beide 1,3 Prozent). Kein Wunder: In Rotherbaum liegt das Institut Francais, in Lokstedt das Lycée Francais und von Nienstedten ist es nicht weit zum Airbus-Werk in Finkenwerder, wo viele Franzosen arbeiten. Eine interessante Verteilung ergibt sich auch für die kleinste der großen Zuwanderergruppen: die Österreicher. Nach absoluten Zahlen bevorzugen unsere Nachbarn die Stadtteile Eimsbüttel, Winterhude und Niendorf.
Iraner kamen wegen des Orientteppichhandels
Die ungewöhnliche Häufung von Einwanderern aus dem Iran rund um die Alster und in Wellingsbüttel hat übrigens mit dem Handelsplatz Hamburg zu tun. In der Speicherstadt war lange weltweit der größte Umschlagplatz für Orientteppiche. Schon in den 50er-Jahren schickten wohlhabende Perser ihrer Kinder zum Studium nach Hamburg - viele blieben. Der Bau der 1965 fertiggestellten Imam-Ali-Moschee, im Volksmund "Blaue Moschee", an der Außenalster ist ein sichtbares Symbol.