Hamburg . Forscher warnen nach neuer Studie vor massiven Gesundheitsschäden auch bei modernem Schiffsdiesel und fordern schnelles Handeln.
Das sind schlechte Nachrichten für alle Hamburger, vor allem für diejenigen, die in Elb- und Hafennähe wohnen: Schiffsabgase sind für die menschliche Gesundheit offenbar noch deutlich gefährlicher als angenommen. Das zumindest legt eine aktuelle Untersuchung der Uni Rostock zusammen mit dem Helmholtz-Zentrum München nahe. In einer experimentellen Versuchsreihe haben die Forscher darin nachgewiesen, dass nicht nur Abgase aus der Verbrennung von Schweröl, sondern auch die aus modernem Schiffsdiesel die Gesundheit der Menschen in Hafenstädten und in Küstennähe sehr stark belasten.
„Schweröl ist und bleibt aufgrund der hohen Gesundheitsbelastung ein absolutes No-Go“, sagt Studienleiter Prof. Ralf Zimmermann. „Wir haben aber festgestellt, dass die biologische Wirkung von Abgasen aus modernem Schiffsdiesel nicht geringer ist. Auch mit diesem reagieren Lungenzellen sehr stark.“ Das habe die Forscher sehr überrascht und lasse auch hier auf „vermutlich starke gesundheitliche Auswirkungen“ schließen. „Unsere Forderung ist deswegen klar: Alle Schiffe müssen mit Rußpartikelfiltern ausgestattet werden“, so Zimmermann. „Es ist absurd, dass Sie in manchen Hafenstädten eine grüne Plakette brauchen, um mit dem Auto in die Stadt zu fahren, aber die Schiffe emittieren die Feinstäube ungefiltert in die Luft“, so der Wissenschaftler. „Wir brauchen endlich gesetzliche Grenzwerte für die Partikelemission aus Schiffsantrieben. Die gibt es leider bis heute nicht. Im Grunde ist das unverantwortlich.“
Der ebenfalls an der Studie beteiligte Prof. Jeroen Buters vom Zentrum Allergie und Umwelt (TU München/Helmholtz Zentrum München) betont, „dass die bei der Verbrennung von modernem Schiffsdiesel entstehende Gesundheitsbelastung größer ist, als man es bisher erhofft hat“. Auch die dort entstehenden Feinstäube führten zu Effekten, die entzündlichen Erkrankungen wie Allergien, Asthma oder Autoimmunerkrankungen verschlimmerten. „Zusätzlich sind die modernen Schiffsdieselpartikel als krebserregend eingestuft.“ Alle Schiffe müssten daher Rußpartikelfilter bekommen, wie sie bei Autos üblich seien. „Das Umstellen auf modernen Schiffsdiesel hilft, aber reicht bei Weitem nicht aus, um die Gesundheitsgefahren für die Menschen in den Hafenstädten zu senken“, so Buters. „Wir sind bei Schiffen heute leider erst so weit wie bei den Autos im Jahr 1935. Es ist höchste Zeit, hier schnell aufzuholen, um die Gesundheit der Menschen besser zu schützen.“
Bei der Versuchsreihe hatte das Team des „Helmholtz Virtual Institute of Complex Molecular Systems in Environmental Health (HICE)“ Abgase aus einem eigens betriebenen Schiffsdieselmotor über lebende Lungenzellen geleitet und die Reaktion gemessen.
Ausgerechnet im Hafen gibt es keine Station zur Messung der Luftbelastung
Malte Siegert vom Naturschutzbund Deutschland fordert angesichts der Ergebnisse eine rasche Nachrüstung zumindest der eigenen Hamburger Schiffe. „Das gilt für die Flotte der Hamburg Port Authority genauso wie für die 22 Fahrgastschiffe der HADAG“, so Siegert. „Auch innovative technische Lösungen wie die solarbetriebene ‚Alstersonne‘ dürfen nicht weiter die Ausnahme sein, sondern müssen zur Regel werden, wo der Staat selbst Steuerungsmöglichkeiten besitzt.“ Dieselruß sei extrem krebserregend. Besonders von staatseigenen Betrieben müssten die Bürger erwarten, „dass sie sich mit ihren 700 deutschen Schiffen an die Spitze der Karawane setzen und beim Schutz vor gesundheitsgefährlichen Emissionen nicht hinterherlaufen“.
Derweil ist bekannt geworden, dass die Ermittlungen gegen den Kapitän des Containerschiffes „Yang Ming Utmost“ bisher nichts erbracht haben. Das Schiff hatte am 4. Oktober 2014 eine riesige Rußwolke ausgeblasen, die über den Hamburger Westen zog. Laut Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des Linken-Abgeordneten Norbert Hackbusch dauern die Ermittlungen noch immer an. „Gegen Schiffseigner, Reeder und Charterer des Schiffes wird mangels Tatverdacht nicht ermittelt“, heißt es weiter in der Senatsantwort.
Auch die Linke fordert eine Nachrüstung von Fähren, der Schlepper und HPA-Schiffen mit Rußpartikelfiltern. „Es kann nicht sein, dass im Straßenverkehr etliche Verbesserungen erreicht wurden und die Schiffe im Hafen immer noch mit alten Maschinen ohne Filter und Katalysatoren herumschippern. Der Senat muss in seinem Zuständigkeitsbereich für eine Umrüstung sorgen.“ Zudem müsse es, unabhängig „mehr wasserseitige Umfuhren zwischen den Terminals geben, um die Lkw-Transporte im Hafen zu verringern“. Außerdem plädiere er für einen Ausbau des Verkehrsnetzes auf dem Wasser „etwa für mit Rußfiltern ausgerüstete Hadag-Fähren nach Harburg“, so Hackbusch. „Wir brauchen im Hafen endlich wieder eine Luft-Messstation. Es kann ja nicht sein, dass ausgerechnet in einem Bereich, der so stark an der Luftbelastung beteiligt ist, seit Jahren nicht mehr gemessen wird.“ Laut Luftreinhalteplan ist der Hafen für 38 Prozent der Luftbelastung durch giftige Stickoxide in der Stadt verantwortlich (Kfz: 35, Industrie: 16 Prozent) – und für 17 Prozent der Feinstaub-Belastung (Kfz: 30, Industrie: 40). Umweltbehörden-Sprecher Jan Dube sagte, man wolle in diesem Jahr eine Messstation im Hafen errichten: „Aktuell wird der Luftreinhalteplan überarbeitet. In die Fortschreibung werden Maßnahmen aufgenommen, die auf eine Reduzierung von Emissionen im Hafen zielen.“