Hamburg. Der neue Chef des Schiffs-TÜV DNV GL wirbt bei Bürgermeister Scholz für grüne Innovationen auf dem Wasser.
Mit den Ideen von Remi Eriksen könnte Hamburg seine Probleme mit der Luftverschmutzung im Hafen zumindest zum Teil lösen. Denn der designierte Chef des Schiffs-TÜV DNV GL weiß genau, wie man Schiffsabgase vermeiden kann: Batteriebetrieb statt Verbrennungsmotoren lautet eine seiner Zauberformeln. Im August tritt Eriksen sein neues Amt an und löst Henrik O. Madsen ab.
Seit dem Zusammenschluss des traditionsreichen Hamburger Germanischen Lloyd (GL) mit dem norwegischen Det Norske Veritas (DNV) im Jahr 2013, bei dem die weltgrößte Prüf- und Klassifizierungsgesellschaft für Schiffe und Offshore-Anlagen entstand, ist der Hauptsitz des gemeinsamen Unternehmens Oslo. Hamburg sei und bleibe aber das maritime Zentrum des Konzerns, versicherte Eriksen nun im Abendblatt-Gespräch. Der neue Chef nutzte seinen jüngsten Hamburg-Aufenthalt denn auch, um sich bei Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) persönlich vorzustellen. Dabei warb Eriksen für die neuesten Erfindungen des DNV GL, darunter ein Schiff, das keine Abgase mehr produziert, weil es ausschließlich mit Batterien fährt.
Eriksen weiß, dass dieser saubere Antrieb längst keine Zukunftsmusik mehr, sondern schwimmende Realität ist. DNV GL hat nämlich eine Fähre entwickelt, die im norwegischen Sognefjord zwischen den Ortschaften Lavik und Oppedal verkehrt. Sie ist 80 Meter lang und kann bis zu 120 Autos transportieren – und sie tankt ausschließlich Strom, der aus Wasserkraft gewonnen wird. Wirtschaftlich sinnvoll wurde diese Innovation, weil die Batteriekosten seit Jahren signifikant sinken. „Das wäre eine zukunftsweisende Lösung für Hamburgs Hafenfähren“, sagt Eriksen dem Abendblatt.
„Ich bin von Haus aus Ingenieur und immer an neuen technischen Lösungen interessiert“, sagt der 47-jährige. Und er sei ein sehr neugieriger Mensch. „Wir haben weltweit 16.000 Mitarbeiter. Sie arbeiten in der maritimen Industrie, im Bereich Öl und Gas, in den Erneuerbaren Energien und auch im Versicherungswesen. Ein jeder zieht seinen Faden. Meine Aufgabe ist es, die Fäden zusammenzuknüpfen, um innovative Lösungen über die einzelnen Bereiche hinaus zu entwickeln.“
Um den Konzern darauf auszurichten, hat er jetzt eine Strategie bis zum Jahr 2020 entwickelt, über die der Aufsichtsrat allerdings noch abstimmen muss. Demnach ändert sich an der Sparte Maritime Industrie und an dem Hauptquartier für diesen Bereich in Hamburg in den kommenden Jahren wenig. Hier arbeiten 1600 Mitarbeiter, genauso viele wie vor dem Zusammenschluss. Es solle keinen nennenswerten Arbeitsplatzaufbau geben, aber auch keinen -abbau. „Hamburg bleibt für uns wichtig“, sagt Eriksen.
Allerdings bekommt der Standort an der Elbe einen neuen Chef: Tor Svenson, der bisherige Leiter der maritimen Sparte beim DNV GL, wechselt nach Oslo und wird sich als Vizepräsident der Unternehmensgruppe verstärkt um Kundenbindungen kümmern. Sein Nachfolger als Vorstandschef der Maritimen Sparte und damit als Chef des Hamburger Standorts wird Knut Ørbeck-Nilssen, der bereits seit 2013 Vorstand in Hamburg ist.
Die Nutzung von Flüssigerdgas als Alternative zu Schweröl schreitet voran
Die Idee mit den elektrisch betriebenen Hafenfähren trägt Eriksens Handschrift: „Wir klassifizieren und prüfen nicht nur das, was uns unsere Kunden vorlegen, sondern wir ergreifen selbst die Initiative und suchen ständig nach neuen Möglichkeiten komplizierte Probleme zu lösen“, sagt er. Dazu will er die unterschiedlichen Industriesparten, in denen DNV GL tätig ist, miteinander kombinieren, im Falle der Hafenfähren etwa die Erfahrungen im Schiffbau als Branchenführer der Klassifizierungsgesellschaften mit den Erfahrungen im Geschäftsfeld Erneuerbare Energien.
Hier spiele Hamburg durchaus eine wichtige Rolle, so Eriksen. Fragen zu Energieerzeugung, -speicherung und -übertragung würden in der Hansestadt intensiv im Rahmen der Energiewende diskutiert. „Da können wir die Stadt mit unseren Erfahrungen unterstützen – etwa bei der Frage, wie Erneuerbare Energien in ein bestehendes Netz integriert werden können.“
Auch die Nutzung von Flüssigerdgas (LNG) als Alternative zu Schweröl schreitet voran. Eriksen geht davon aus, dass im Jahr 2020 bereits etwa 1000 Schiffe mit dem weniger umweltschädlichen LNG fahren. In Skandinavien habe sich das Flüssigerdgas bereits etabliert. Aber auch in den USA würden immer mehr Schiffbauer auf LNG setzen, weil die Gaspreise dort sehr gering sind. Nicht zuletzt würden Unternehmen im Nahen Osten zunehmend Schiffe mit der neuen Antriebstechnik bestellen. Denn auch dort gibt es beachtliche Gasvorkommen.
Deutschland hat hier laut Eriksen noch Nachholbedarf. „Die Schaffung der notwendigen Infrastruktur liegt in der Verantwortung der Regierung. Der Betrieb von Bunkerstationen kann natürlich von privaten Firmen übernommen werden, aber die Politik muss das initiieren“, sagt der neue DNV-GL-Chef. Zudem müsse es eine staatliche Förderung geben, damit Reedereien auf Schiffe mit LNG umschwenken. Es gehe nicht um eine dauerhafte Förderung, sondern lediglich um einen Anreiz, um die Umrüstung in Gang zu bringen. Der Zeitpunkt dafür sei günstig, weil der Gaspreis gesunken ist, sagt Eriksen. Zudem würden derzeit Schiffe entwickelt, die Flüssiggas und Batterien nutzen. Noch eine Innovation, von der Hamburg profitieren könnte.