Hamburg. Die Wohnungswirtschaft wirft dem Mieterverein Bauernfängerei vor – Ein erster Test ergab: Die meisten Mieten sind zu hoch.
Die Hamburger Wohnungswirtschaft hat den vom Mieterverein zu Hamburg im Internet veröffentlichten Onlinecheck zur Mietpreisbremse massiv kritisiert und eine sofortige Korrektur gefordert. „Das Tool ist Bauernfängerei und soll lediglich dazu führen, dem Mieterverein neue Mitglieder zuzuführen“, sagte der Vorsitzende des Grundeigentümerverbands, Heinrich Stüven, am Donnerstag. Der Immobilienverband IvD Nord sprach von einer krassen Fehlinformation, die zu falschem Handeln von Mietern führen könne.
Der Mieterverein zu Hamburg bietet seit dem vergangenen Mittwoch im Internet einen sogenannten Mietpreischeck an. Mieter können dort Daten zu ihrer Wohnung und ihrer Miete eingeben. Wenige Klicks später erfahren sie, ob die Miete ihrer Wohnung gegen die Regelung der Mietpreisbremse verstößt. Zudem werden vorgefertigte Schreiben mit Rüge-Formulierung und Fristen an den Vermieter angeboten.
Hintergrund für das neue Tool ist die am 1. Juli flächendeckend in Hamburg eingeführte Mietpreisbremse. Der Regelung zufolge darf bei einer Neuvermietung die Miete nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Ausgenommen sind neu gebaute oder umfangreich sanierte Wohnungen. In Hamburg gibt es rund 600.000 Mietwohnungen.
„Wir sind keinesfalls gegen Kon-trolle und die Offenlegung von Missständen, aber dieses Tool ist irreführend und führt zu Falschaussagen“, sagte IVD-Vorstand Axel-H. Wittlinger dem Abendblatt. So fließe beispielsweise die genaue Lage einer Wohnung nicht in die Beurteilung ein. „Es kann doch nicht sein, dass für eine Straße in Eppendorf dieselben Mietpreise gelten wie für eine Straße in Horn“, sagt Wittlinger. Genau das sei aber bei den vom IVD durchgeführten Stichproben der Fall gewesen. „Das Tool vom Mieterverein kennt nur eine Durchschnittsmiete – den Mittelwert.“
Auch Heinrich Stüven kritisierte, dass einfach der Mittelwert genommen werde. Dabei weise der Mietenspiegel untere und höhere Werte aus. Lage und Wohnungsausstattung würden dabei berücksichtigt. Zudem sei bislang unklar, wie hoch die ortsübliche Vergleichsmiete eigentlich sei. „Das herauszufinden, ist für einen Vermieter ausgesprochen schwierig.“
Stüven und Wittlinger forderten den Mieterverein auf, das Internetangebot umgehend zu korrigieren. Der Chef des Grundeigentümerverbands fürchtet, das Tool wecke bei Mietern falsche Hoffnungen und werde zwischen den Parteien Streit produzieren. „Rechtlich ist das Ganze nicht haltbar“, sagte Heinrich Stüven.
Siegmund Chychla, Geschäftsführer des Mietervereins, verwies am Donnerstag darauf, dass der Onlinecheck zur Mietpreisbremse die umfassende rechtliche Beratung der Mieter nicht ersetze. Das Tool stelle in erster Linie eine Möglichkeit der Information dar, „sowohl für Mieter als auch für Vermieter“. In den ersten Tagen hätten Hunderte Hamburger den Mietpreischeck im Internet genutzt.
Chychla schätzt, dass bei 70 bis 80 Prozent der im Internet angebotenen Wohnungen der Verdacht besteht, dass die geforderte Miete gegen die Mietpreisbremse verstoße. Hier eine Stichprobe beim Wohnungsportal Immonet.
Beispiel 1: Eine Dreizimmerwohnung in Barmbek-Süd mit 81,33 Quadratmetern wird für 1020 Euro kalt angeboten. Wer diese Daten plus weitere Angaben wie Baujahr und Heizanlage in den Frage-Antwort-Katalog eingibt, erhält folgendes Ergebnis: „Die Miete liegt mit 96,24 Prozent über dem Mittelwert des Hamburger Mietenspiegels für ihre Wohnlage. Es besteht der dringende Verdacht auf einen Verstoß gegen §556d BGB in Verbindung mit der Hamburger Mietpreisbegrenzungsverordnung (sog. Mietpreisbremse).“
Beispiel 2: Angeboten wird eine Einzimmerwohnung ebenfalls in Barmbek-Süd. Größe: 45,5 Quadratmeter, Kosten 546 Euro. Das Urteil des Online-Checks: Diese Miete liegt zu 70,21 Prozent über dem Mittelwert des Hamburger Mietenspiegels. Für die Wohnlage liege der Mittelwert bei 7,05 Euro.
In beiden Beispielen besteht zudem der Verdacht auf strafrechtlich relevanten Mietwucher, weil die Mieten mehr als 50 Prozent über der Vergleichsmiete liegen. Weitere Stichproben in anderen Wohnvierteln ergeben zum Teil ähnliche Ergebnisse.
Der Rat, den der Mieterverein in solchen Fällen gibt, klingt erstmal ungewöhnlich. „Wenn man eine bestimmte Wohnung unbedingt haben will, sollte der Mieter auch dann unterschreiben, wenn die Miete zu hoch erscheint“, sagte Chychla. Danach sollte sich der Mieter allerdings unverzüglich an den Eigentümer oder Vermieter wenden. Ein vorgefertigtes Beschwerde-Schreiben wird bereitgestellt. Die Rückforderung ist dann für den Zeitraum ab dem Datum der Rüge möglich.
Wenn der Vermieter darauf nicht reagiert, sollte sich der Mieter um rechtliche Beratung bemühen, etwa beim Mieterverein. Dieser prüft noch mal im Detail, ob die Miethöhe gerechtfertigt ist. „Der Internet-Service ist nur eine grobe Orientierung“ so Chychla.
Der Mietpreis-Check im Netz:
http://mietpreisbremse-check.mieterverein-hamburg.de/