Hamburg . Deutschlands größter Kirchenkreis Hamburg-Ost will jedes dritte Haus anders nutzen. Ein Verkauf an andere Religionen ist ausgeschlossen.

In Deutschlands größtem Kirchenkreis bleibt künftig kein Stein mehr auf dem anderen: Der evangelische Kirchenkreis Hamburg-Ost (442.000 Mitglieder, 116 Gemeinden, 270 Pastoren) hat fast alle 300 Gebäude und ihre Nutzung auf den Prüfstand gestellt. Die Region reicht von Stormarn bis nach Harburg und von Geesthacht bis ins Alstertal.

Im Abendblatt-Interview bezieht jetzt erstmals ein hochrangiger Kirchenmann öffentlich Position zu den Plänen. „Wir gehen davon aus, dass wir in zehn bis 15 Jahren 30 Kirchengebäude weniger in ausschließlich gemeindlicher Nutzung haben werden“, sagte Johann Hinrich Claussen, Propst im Kirchenkreis Hamburg-Ost. Das bedeutet den Angaben zufolge aber nicht zwangsläufig die Schließung, sondern eine andere Nutzung. Aus den kirchlichen Gebäuden könnten Kindergärten, Bürgerhäuser, soziale Zentren und Bildungsorte für Familien entstehen. Propst Claussen: „Wir müssen überlegen, wo wir als Kirche in Zukunft mit guten Gebäuden präsent sein wollen.“

Anlass für die Gebäude-Offensive sind der rasante gesellschaftliche Wandel, die sozialen Veränderungen in den Stadtteilen und der erwartete Rückgang der Finanzmittel. Während die Präsenz der Hauptkirchen wie dem Michel als wenig problematisch gilt, müssen andere Kirchengemeinden um den Fortbestand ihrer bisherigen Gebäudenutzung bangen. Dazu gehören Kirchengemeinden im Alstertal, Duvenstedt und in Teilen Eppendorfs. Kriterien für die internen Auswahlprozesse sind Renovierungsstau, Lage, Sichtbarkeit im Stadtteil und Bedeutung für das Leben im Quartier.

Den Verkauf von Kirchen an Moscheegemeinden und private Unternehmen schließt der Kirchenkreis Hamburg-Ost jedoch aus. Als praktikabel erscheint hingegen die Nutzung der Sakralbauten durch andere christliche Konfessionen. So ist die evangelische Kirche in Borgfelde inzwischen zum Zentrum für afrikanische Gemeinden geworden. Derzeit gibt es auch Gespräche mit chinesischen und orthodoxen Christen.

Der Kirchenkreis Hamburg-Ost, zu dem auch Teile der Innenstadt gehören, verfügt über 142 Kirchen, 128 Gemeindehäuser, 132 Pastorate und 27 Gemeindezentren. Nach Ansicht von Johann Hinrich Claussen, der auch Präsident des Evangelischen Kirchbautages ist, gibt es durch den Bauboom in der Nachkriegszeit in der Hansestadt heute zu viele Kirchen. Zwischen Auslastung und Finanzierung bestehe in einigen Gemeinden eine Diskrepanz.

Die Kirchensteuereinnahmen in der gesamten Nordkirche liegen bei mehr als 400 Millionen Euro pro Jahr. Allerdings ist nach Einschätzung der Evangelischen Kirche in Deutschland bis zum Jahr 2030 mit einer Halbierung zu rechnen. Grund sind Austritte und der demografischer Wandel.