Hamburg . Hamburgs Probleme mit der Fernwärme: Anlage wird wohl nie gebaut wie geplant. BUND will Vermieter zu energetischer Sanierung zwingen.

Das Strom- und Gasnetz ist nach dem erfolgreichen Volksentscheid aus dem Herbst 2013 bereits von der Stadt zurückgekauft worden, die Fernwärme soll 2019 an Hamburg zurückfallen. Völlig unklar aber ist noch immer, wie denn die Hunderttausende Haushalte im Hamburger Westen künftig versorgt werden sollen, die auf Fernwärme angewiesen sind. Rund 120.000 von ihnen bekommen laut Vattenfall derzeit ihre Wärme vom alten Steinkohlekraftwerk Wedel. Das sollte ursprünglich durch ein großes, modernes Gas- und Dampf-Kraftwerk (GuD) ersetzt werden. Schon vor der Bürgerschaftswahl aber waren aufgrund veränderter Energiepreise Zweifel an der Wirtschaftlichkeit aufgekommen. Die Entscheidung über den Bau des neuen Kraftwerks wurde vertagt. Bald nach der Wahl wolle man sich in der neuen Regierung festlegen, hieß es. Nun aber zieht sich die Entscheidungsfindung weiter hin – voraussichtlich mindestens bis in den Herbst.

Das von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) beauftragte Gutachten, das Grundlage der Entscheidung sein soll, werde nun erst „in der Sommerpause“ vorliegen, heißt es jetzt. Hinzu kommt, dass der Bund wohl frühestens im Herbst über die weitere Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) befinden wird – auch dies ist ein wichtiger Faktor für die Hamburger Entscheidung.

Bei all dem scheint aber jetzt schon klar, dass das GuD-Kraftwerk in seiner bisher geplanten Form niemals gebaut werden wird. „Insgesamt besteht wohl Konsens, dass ein mögliches GuD-Kraftwerk sehr viel kleiner ausfallen wird als ursprünglich geplant, etwa 50 Prozent“, sagt etwa die SPD-Umweltpolitikerin Monika Schaal.

„Die Rahmenbedingungen haben sich in den vergangenen zwei Jahren gravierend geändert. Das hat auch Auswirkungen auf die Entscheidung zum Standort Wedel“, sagt auch BSU-Sprecher Jan Dube. Es ergäben sich gleichwohl „interessante Mischkonzepte aus größeren und kleineren Anlagen.“ Eine Entscheidung zum Kraftwerksstandort Wedel werde „für die zweite Jahreshälfte angestrebt“.

Für CDU-Umweltpolitiker Stephan Gamm ist klar: „Der Senat hat auf Zeit gespielt – und zwar auf Kosten der Steuerzahler.“ Wenn nämlich ein mögliches neues Kraftwerk nicht rechtzeitig fertig würde, müsse das alte für den Übergang noch ertüchtigt werden, so Gamm – und zwar vermutlich für einen „zweistelligen Millionenbetrag.“

Auch der BUND hat sich derweil erneut gegen einen großen Neubau in Wedel ausgesprochen. Ein von den Naturschützern in Auftrag gegebenes Gutachten komme zu dem Schluss, dass „der Ersatz des in die Jahre gekommenen Kohlekraftwerks durch eine große fossile Kraft-Wärme-Kopplungsanlage sowohl aus ökologischen als auch aus ökonomischen Gründen nicht sinnvoll“ sei. Die hohen Investitions- und Betriebskosten derartiger Anlagen könnten „durch die relativ geringe Primärenergieeinsparung derzeit nicht refinanziert werden“. Stattdessen solle schrittweise mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien in der Fernwärmeversorgung begonnen werden, forderten die Gutachter Christian Maaß und Matthias Sandrock vom Hamburg-Institut – auch um die Ziele beim Klimaschutz zu erreichen.

„Die Bereitstellung von Wärme verursacht rund ein Drittel des Hamburger CO2-Ausstoßes. Die Heizkosten werden für die Stadt und vor allem für die Mieter in Altbauwohnungen inzwischen zu einer enormen finanziellen Belastung“, sagte BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch. Damit der Klimaschutz nicht nur auf Kosten der Haushalte gehe, solle eine von den Gutachtern vorgeschlagene „Hamburger Wärmepreisbremse“ eingeführt werden, forderte Braasch. Damit sollten Eigentümer von Gebäuden mit hohem Energiebedarf „ordnungsrechtlich zur Sanierung verpflichtet werden“. Die durch die Umlage der Kosten erhöhte Miete gleiche sich für Mieter durch eingesparte Energiekosten aus, so die Idee. Auch die Stadt profitiere, da sie derzeit die Heizkosten für Transfergeldempfänger in Höhe von 76 Millionen Euro pro Jahr trage.

SPD-Umweltpolitikerin Schaal erteilte dem Vorschlag eine Absage. „Wärmepreisbremse hört sich gut an, aber mit ordnungsrechtlichen Mitteln werden wir den Gebäudebestand nicht nennenswert verbessern“, so Schaal. „Denn Aus- und Umbau der Wärmeversorgung und energetische Gebäudesanierung obliegen vor allem der Entscheidung privater Investoren. Und die springen nicht, wenn ihnen etwas verordnet oder aufgezwungen wird.“ Ähnliche Versuche seien bereits fehlgeschlagen. „Erfolgreicher war und ist die Kooperation mit allen Akteuren.“