Hamburg. Aida-Präsident Michael Unger mahnt weitere Liegekapazitäten für Luxusliner in Hamburg an. Auch sieht er Nachholbedarf im Umweltschutz.
Ein Schwerpunkt der seit Montag laufenden Welthafenkonferenz mit mehr als 900 Teilnehmern in Hamburg ist das Kreuzfahrtgeschäft. Dieses wächst stark und verändert die Hafenstädte. Michael Ungerer, Präsident von Deutschlands größtem Kreuzfahrtanbieter Aida Cruises, sagt im Abendblatt-Interview, wo Hamburg aus seiner Sicht noch Defizite hat.
Hamburger Abendblatt: Herr Ungerer, das dritte Kreuzfahrtterminal wird am Dienstag in Hamburg eröffnet. Reicht dieser Ausbau aus Ihrer Sicht ?
Michael Ungerer: Im Hinblick auf die Nachnutzung des Olympia-Geländes ist aus meiner Sicht jetzt die perfekte Gelegenheit, bei der Planung ein viertes Kreuzfahrtterminal zu berücksichtigen. Hamburg braucht dieses Terminal, um am Boom der Kreuzfahrtindustrie weiter teilzuhaben. Die Forderung ist eigentlich nicht neu. Schon bei der Eröffnung des Terminals in Altona wurde darüber diskutiert, dass wir in Hamburg mittel- und langfristig weitere Kapazitäten schaffen müssen. Anfangs muss es ja auch kein ganzes Kreuzfahrtterminal zusätzlich sein, was wir aber brauchen sind weitere Liegeplätze.
Im vergangenen Jahr haben 1,77 Millionen Deutsche eine Kreuzfahrt gemacht. Wann fällt die Zwei-Millionen-Grenze?
Ungerer: Vielleicht noch in diesem, aber definitiv im kommenden Jahr.
Sie sagen der Markt ist noch nicht ausgereizt. Aber in diesem Jahr werden in Hamburg erstmals weniger Kreuzfahrtschiffe anlegen als im Vorjahr. Und die Kurve des Passagierwachstums ist auch abgeflacht. Sind das nicht Anzeichen für eine Sättigung?
Ungerer: Keinesfalls. Es werden in diesem Jahr zwar weniger Schiffe Hamburg anlaufen, aber das Passagieraufkommen wächst weiter, da die Schiffe größer werden. Dass sich die Wachstumskurve im vergangenen Jahr abgeflacht hat, liegt auch nicht an der Nachfrage, sondern am Angebot: Es gab Verzögerungen bei der Ablieferung und Bereitstellung neuer Schiffe. Nichts spricht für eine Abkühlung. Im Gegenteil: Das Potenzial ist noch riesengroß.
Fördert ein zusätzliches Angebot die Nachfrage?
Ungerer: Für Hamburg gilt das auf alle Fälle. Der Kreuzfahrtboom begann hier mit dem Bau eines ersten festen Passagierterminals. Zudem liegt die Stadt ideal für Rundreisen in Nordwesteuropa. Wo sonst kann man innerhalb einer Woche so komfortabel und ohne zusätzliches Kofferpacken fünf Hauptstädte bereisen als bei einer Kreuzfahrt von Hamburg aus? Das reizt viele unserer Kunden. Zudem ist Hamburg für Kreuzfahrtgäste attraktiv. Studien zufolge bucht ein Drittel der Passagiere ein zusätzliches Vor- oder Nachprogramm in der Stadt. Allerdings gibt es auch noch Nachholbedarf.
Wobei?
Ungerer: Die Stadt hat eine gute verkehrliche Anbindung mit dem nahen Flughafen. Sie hat gute Voraussetzungen zum Start von Kreuzfahrten geschaffen – und sie ist touristisch attraktiv. Das Zusammenspiel dieser Vorteile klappt aber noch nicht so, wie es könnte und wie es das Beispiel Kopenhagen vormacht. Das sehen sie daran, dass der Anteil internationaler Gäste immer noch sehr gering ist. Mit einer besseren internationalen Vermarktung Hamburgs als Kreuzfahrtdestination könnte man beispielsweise mehr amerikanische und asiatische Touristen anlocken.
Gibt es weitere Hemmnisse?
Ungerer: Ein weiteres Problem sind die Kosten. Durch die lange Revierfahrt, den zusätzlichen Bedarf an Lotsen sind die Kosten hier natürlich höher als anderswo. Aber selbst wenn wir diese Sonderbelastungen abziehen, ist Hamburg immer noch deutlich teurer als alle anderen deutschen Hafenstädte und als die meisten vergleichbaren europäischen Destinationen.
Was müssen Sie denn an Passagiergebühr und Liegegeld zahlen?
Ungerer: Ich kann es Ihnen nicht sagen. Darüber wird immer noch verhandelt. Wir brauchen darüber Klarheit. Am 1. Januar 2016 soll eine neue Gebührenordnung in Kraft treten, aber demnach sollen die Kosten weiter steigen, anstatt zu sinken.
Die Verstimmung hat Sie und Ihr Mutterunternehmen Costa nicht daran gehindert, weitere Teile Ihrer Verwaltung nach Hamburg zu verlagern.
Ungerer: Das stimmt. Was die Geschäftsansiedelung betrifft, macht Hamburg das gut. Das maritime Cluster ist natürlich ein Anziehungspunkt für die Kreuzfahrtbranche. Insgesamt beschäftigen unsere Unternehmungen etwa 400 feste Mitarbeiter in der Stadt. Hinzu kommen zahlreiche freie Beschäftigte etwa im Bereich der Bordunterhaltung. Zulieferer oder die Hamburger Werft Blohm + Voss, die einen Exklusivvertrag für die Wartung unserer Schiffe hat, sind da noch gar nicht mit eingerechnet.
Trotz des Booms verlangen Sie von Ihrer Branche auch einen stärkeren Wandel etwa im Umweltschutz.
Ungerer: Ja, da ist zwar schon einiges geschehen. Einzelne Maßnahmen können etwas bewirken, aber wenn alle an einem Strang ziehen geht vieles leichter. Deshalb fordere ich, dass sich alle Beteiligten auf gemeinsame Ziele einigen müssen, die Kreuzfahrtreeder, die Zulieferer aber auch die öffentliche Hand.
Fordern sie zusätzliches Geld für die Umrüstung der Schiffe?
Ungerer: Nicht direkt, aber eine Unterstützung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten wäre denkbar. Und vor allem müssen die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen verbessert werden. Dass – wie in Hamburg geschehen – ein privates Unternehmen ohne erfolgte Betriebsgenehmigung in Vorleistung geht und eine mit Flüssigerdgas betriebene Hybrid-Barge zu Stromversorgung der Schiffe baut, ist nicht der Regelfall.
Immerhin hat Hamburg mit öffentlichem Geld die Landstromversorgung von Schiffen am Kreuzfahrtterminal Altona finanziert ...
Ungerer: Ja, ich glaube aber, dass das nur eine Brückentechnologie ist.
Was führt Sie zu dieser Ansicht? im Moment gilt eine solche Anlage doch als sehr fortschrittlich.
Ungerer: Alles deutet darauf hin, dass sich Flüssigerdgas zur Stromversorgung und als Antrieb für Kreuzfahrtschiffe durchsetzen wird. Die neuen Dual-Fuel-Motoren können sowohl mit herkömmlichen Kraftstoff wie auch mit Flüssigerdgas betrieben werden. Und – ich glaube, das Angebot an Land schreitet voran. Ein europäischer Hafen hat uns schon versprochen, unsere „AIDAprima“, die als erstes Kreuzfahrtschiff einen Dual-Fuel-Motor haben wird, direkt mit Flüssigerdgas zu versorgen, wenn wir anlegen.
Was reizt Sie an der aktuellen Welthafenkonferenz in Hamburg?
Ungerer: Die Konferenz ist eine einmalige Gelegenheit, um bei den Häfen das Verständnis für die Kreuzfahrt zu vertiefen. In der globalen Schifffahrt sind wir noch immer ein kleines Licht, und werden auch von den Häfen mitunter stiefmütterlich behandelt. Wir trommeln hier dafür, dass sich das ändert.