Nur die US-Amerikaner machen noch mehr. Aida-Chef Michael Ungerer sieht für die kommenden Jahre besonders für Hamburg großes Potenzial.

Hamburg. Der Kreuzfahrttourismus in Deutschland und in Europa wird aus Sicht des Branchenverbands CLIA deutlich weiter wachsen. Deutschland und hier wiederum besonders Hamburg besitzen auch für die kommenden Jahre großes Potenzial. „Deutschland hat 2014 Großbritannien und Irland beim Passagieraufkommen überholt und steht nun nach den Vereinigten Staaten weltweit auf Rang zwei“, sagte Michael Ungerer, Präsident der Kreuzfahrtreederei Aida Cruises und Vorsitzender von CLIA Deutschland, beim Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten.

Die genauen Zahlen will CLIA bei der Reisemesse ITB Anfang März in Berlin präsentieren. 2013 hatten Großbritannien und Irland, die als ein Markt gezählt werden, 1,73 Millionen Kreuzfahrtpassagiere verbucht, knapp darunter lag Deutschland mit 1,69 Millionen Passagieren, die USA allerdings weit voran mit 10,92 Millionen Passagieren.

Hamburg hat sich in den vergangenen Jahren als wichtigster deutscher Kreuzfahrthafen etabliert. 2014 zählte die Hansestadt bei 189 Schiffsanläufen 588.000 Passagiere. Mitte der 90er- Jahre waren es lediglich 20.000 bis 30.000 Passagiere im Jahr. Der Boom an der Elbe begann im Jahr 2004 mit dem ersten Anlauf des Cunard-Flaggschiffs „Queen Mary 2“. Mittlerweile arbeitet Hamburg an der Fertigstellung seines dritten Kreuzfahrtterminals, das im Juni in Betrieb gehen soll.

Die Schiffe von Aida Cruises und deren Dachgesellschaft Costa – beide gehören zum Kreuzfahrtkonzern Carnival – sollen von Ende 2015 an aus Hamburg per Ferndiagnose technisch überwacht werden. Aida plant zudem von 2016 an mit einer wöchentlichen Abfahrt von Hamburg aus zu einer Nordsee-Metropolentour als erste Kreuzfahrtreederei ein ganzjähriges Angebot. „Hamburg hat heutzutage nur einen Anteil von rund 20 Prozent ausländischen Kreuzfahrtpassagieren, und davon wiederum kommt nur ein kleiner Teil aus Übersee“, sagte Aida-Chef Ungerer. „Gerade gemeinsam mit Berlin hätte die Hansestadt aber Potenzial, zum Beispiel mehr Touristen aus den Vereinigten Staaten oder aus Asien als Kreuzfahrtpassagiere anzuziehen. Dafür müssten sich die beiden deutschen Metropolen allerdings noch deutlich enger gemeinsam vermarkten.“

Für den deutschen Markt insgesamt erwartet Ungerer bis zum Jahr 2020 rund drei Millionen Kreuzfahrtpassagiere. „Nur rund zwei Prozent aller Deutschen machen derzeit jährlich eine Kreuzfahrt“, sagte der Branchenexperte. Von dieser Basis aus seien noch erhebliche Steigerungen möglich. Auch der demografische Wandel mit einem wachsenden älteren und der Kreuzfahrt zugeneigten Publikum komme dieser Trend entgegen.

„Die Kreuzfahrt ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“

„Die Kreuzfahrt ist in den vergangenen Jahren demokratisch geworden, sie ist, im Sinne der Bezahlbarkeit, in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, sagte Ungerer. Es gebe heute eine genaue Differenzierung für viele verschiedene Zielgruppen, von großen bis kleinen Schiffen, sehr günstiger bis luxuriöser Ausstattung, von Städtetouren bis zu hoch spezialisierten Expeditionskreuzfahrten etwa in die arktische Region, und von Kurzreisen bis zu Atlantiküberquerungen nach New York.

Hamburg machte sich diesen Trend zu eigen, nachdem die Passagierschifffahrt im Hafen der Hansestadt viele Jahre lang nur eine Nebenrolle gespielt hatte. Inzwischen erzielen Kreuzfahrten in der Hamburger Wirtschaft – unter anderem durch rund 400 in der Stadt ansässige Zulieferunternehmen – im Jahr etwa 270 Millionen Euro Wertschöpfung. Auch dieser Betrag wird aus Ungerers Sicht deutlich weiter steigen. „Ich sehe in Hamburg bei den Schiffsgrößen und auch bei der Zahl der jährlichen Anläufe keine Restriktionen“, sagte der Manager auch mit Blick auf die starke Frequentierung des Hamburger Hafens durch Container- und Massengutfrachter. Langfristig sei in der Hansestadt ein viertes Kreuzfahrtterminal denkbar.

Einen zusätzlichen Schub könnte der Kreuzfahrtbranche eine mögliche Austragung der Olympischen Sommerspiele in Hamburg im Jahr 2024 bringen, durch direkte und indirekte Effekte. Derzeit führt der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) in Berlin und in Hamburg repräsentative Umfragen durch. Sie sollen zu der für den 21. März vorgesehen Entscheidung beitragen, welche der beiden größten deutschen Metropolen der DOSB für die Olympiabewerbung 2024 beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) ins Rennen schicken wird.

Olympia würde den Tourismus in der Hansestadt stark beflügeln, erwartet Ungerer. Schiffe könnten aber auch wichtige logistische Funktionen übernehmen. „Wenn man, was Hamburg ja plant, Olympische Sommerspiele besonders nachhaltig und mit kurzen Wegen austragen will, könnten Kreuzfahrtschiffe als Wohn- und Veranstaltungsstätten die festen Einrichtungen an Land ideal ergänzen“, sagte Ungerer. In Barcelona etwa hätten Kreuzfahrtschiffe während der Olympischen Sommerspiele 1992 stark dazu beigetragen, die Stadt später zum wichtigsten Kreuzfahrthafen des Mittelmeers zu machen. „Das“, sagte Ungerer, „würde Hamburg auch guttun.“