Schröder war Musik- und Filmproduzent, gewann mit Werbung viele Preise. Nun besinnt er sich wieder auf seine wahre Liebe: Bildhauerei.

Es ist ein ungewöhnlich dunkler Raum für einen Bildhauer. Die in Weinrot gestrichenen Wände schlucken zusätzlich etwas von dem ohnehin wenigen Licht, das durch die schmalen, von Sträuchern zugewachsenen Fenster fällt.

Ein Ort, an dem Bernd Schröder Ruhe findet, wenn er an seinen Plastiken arbeitet. In diesen Tagen steht in der Mitte des Raumes, von durchsichtiger Folie verhüllt, die Plastik einer schwebenden Frau. Ihr Bein hat sie etwas angewinkelt. Ihre Arme stehen leicht ab, so als halte sie Balance. „Meine Freundin“, sagt Bernd Schröder.

Der 57-Jährige hat ein bewegtes Leben hinter und – davon ist er überzeugt – ein künstlerisch erfülltes vor sich. „Seit einiger Zeit widme ich mich dem, was sich seit meiner Schulzeit wie ein roter Faden durch mein Leben zieht: der Arbeit als Bildhauer.“ Ähnlich wie Meditation sei diese Tätigkeit, sagt er. „Ich vergesse Zeit und Raum.“

Einem Außenstehenden erscheint die Arbeit eines Bildhauers eher profan. Erst eine Art Drahtskelett bauen, dann entlang dieses Gestells mit Ton eine Figur modellieren. Anschließend kommt der Bildgießer und schafft mit Gips oder Silikon eine Negativform. Diese wird mit flüssiger Bronze gefüllt, und das Kunstwerk ist fertig.

Bernd Schröder hat sich in der gymnasialen Oberstufe das klassische Modellieren selbst beigebracht. Sein erstes Objekt, eine Männerbüste, steht in seiner Wohnung. Über die Jahre ist der weiß gestrichene Ton trocken geworden und hat Risse bekommen. Es erfülle ihn, mit eigenen Händen etwas zu schaffen, sagt Bernd Schröder. „Mich reizt die Möglichkeit, meine Gedanken und Gefühle zu einer realen Form werden zu lassen.“ Er beschreibt es als einen „bildhauerischen Schnappschuss, weil ich mit Hilfe meiner Figuren einen Moment einfrieren kann“.

Der Vater war hoher Offizier, der Sohn verweigerte den Wehrdienst

Schröder versucht mit seinen Werken einen Widerspruch zu bändigen. „Ich will in einem Moment der Bewegung die Zeit anhalten.“ Wer die Skulpturen „Der Schrei“ oder „Faun“ betrachtet, erkennt die Dynamik des Augenblicks. Zudem liebt der Künstler es, wenn – wie das „Lachende Pferd“ – sein Werke scheinbar aus der Wand kommt. „Das wirkt geisterhaft.“

Bernd Schröder fühlte sich immer als Bildhauer, auch wenn er „hauptberuflich“ viele Jahre etwas anderes getan hat. 1957 wurde er in Bonn geboren. 1962 zogen seine Eltern des Vaters wegen nach Hamburg. Der war Berufsoffizier und am Ende seiner Karriere Chef der Führungsakademie der Bundeswehr in Blankenese. Die Mutter kümmerte sich um den Haushalt.

„Mein Vater passt in keines der gängigen Klischees eines Berufsoffiziers“, sagt der Künstler. Die Familie habe zwar oft umziehen müssen, „aber ich habe ihn als toleranten Menschen in Erinnerung. Wenn er abends heim- kam, zog der die Uniform aus – auch was sein Verhalten anging“.

Die Toleranz des Vaters wird auf die Probe gestellt, als der junge Bernd sich entscheidet, den Kriegsdienst zu verweigern. „Wir diskutierten heftig, doch am Ende hat er meine Entscheidung akzeptiert.“ Seinen Dienst absolviert Bernd Schröder in der Altonaer Altenhilfe. An einem Weihnachtsabend bringt er einen älteren Mann mit nach Hause und demonstriert, dass seine Tätigkeit genauso wichtig ist wie der Dienst an der Waffe.

Bernd Schröder spürt früh seine Affinität zur Kunst. Seine beiden älteren Geschwister sehen das mit Skepsis – wohl auch deshalb, weil sie ihm in manchen Momenten den Weg bereiteten. „Wenn mein Bruder den Kriegsdienst hätte verweigern wollen, wäre er damit wohl nicht durchgekommen.“ Bernd Schröder gewöhnt sich an die eher liebevoll-frotzelnden Ratschläge, was „Anständiges zu machen, mit dem man Geld verdient“.

Neben seinen Versuchen als Bildhauer begeistert der junge Bernd sich für die Fotografie. Da liegt es nahe, bei einem erfolgreichen Fotografen in die Lehre zu gehen. „Nach dem Abitur wollte ich nicht länger eine Schule besuchen“, erzählt er. Stattdessen führt ihn 1979 sein Weg in den Bunker am Heiligengeistfeld. Dort hängt am schwarzen Brett eine Anzeige des Fotografen Hanns Bühner.

Der sucht eigentlich einen Assistenten, akzeptiert aber, Bernd Schröder anzulernen. „Bis 1981 dauerte meine Ausbildung.“ Dann arbeitet er als freier Fotograf, mietet Studios, macht Porträts – auch von Freunden. „Mein privater Blick auf die Welt.“ Die meisten der Fotos aus jener Zeit schlummern noch unveröffentlicht in seinem Archiv. „Vieles ist mir zu privat, um es öffentlich zu zeigen.“

Mit Rötger Feldmann produzierte er den zweiten Werner-Film

Vor allem aber lernt er Menschen kennen. Dabei hilft ihm, „dass ich rasch eine intensive Beziehung zu anderen aufbauen kann“. Auch wird Schröder sich in jenen Fotografenjahren seiner Ästhetik bewusst. „Ich mag indirektes Licht und einen ordentlichen Schluck Schwarz.“ Fotos von dunklen Räumen und Kerzenlicht, die an den Wänden seines Hauses in Flottbek hängen, verdeutlichen das.

Das Fotografieren macht Appetit auf mehr. Durch Ausbildung und Arbeit wird er sicherer im Umgang mit Technik und Materie. Er lernt einen Fotografen kennen, der auch als Kameramann arbeitet. Anfang der 80er-Jahre übernimmt Schröder die Aufnahmeleitung bei einem Low-Budget-Film. Der wird zwar kein Erfolg. „Aber ich habe sehr viel gelernt.“

Mit diesem Rüstzeug arbeitet er für den NDR und für private Fernsehsender wie RTL und Sat.1 als Kameramann, aber auch als Redakteur. „Meine Aufträge zogen sich immer nur über einige Monate hin“, erinnert er sich. Was an Neuem von ihm verlangt wird, eignet er sich im Selbststudium an.

Über seine Arbeit lernt er eine Regisseurin kennen, mit der er Industriefilme und Werbung produziert. Unternehmen wie Mercedes-Benz, Reemtsma und Beiersdorf gehören zu seinen Auftraggebern. Er gewinnt nationale und internationale Preise dafür; die Plaketten stehen in seinem Wohnzimmerfenster, und als Gast spürt man den Stolz, wenn er davon erzählt.

Doch Schröder findet sich nicht mit dem Status quo ab. „Ich habe stets ohne doppelten Boden gearbeitet“, sagt er. „Mir war wichtig, meinen Tag selber einteilen zu können.“ Ein Rädchen in einem großen Getriebe wollte er nie werden. Dass die Welt nicht immer so schwarz-weiß ist, erlebt er bei seinem Engagement für Mercedes. „Wir hatten für einen Werbefilm das Produktionsbudgets eines ,Tatorts‘. Das war ungewöhnlich und toll.“ Doch er lernt bei diesem Projekt eben auch, wie eine strenge Konzernstruktur funktioniert. „Mir wurde klar, dass ich so etwas auf Dauer nicht würde machen können.“

Es sei Glück gewesen, dass er in jenen Jahren mit Rötger Feldmann einen der erfolgreichsten deutschen Comiczeichner und Erfinder von „Werner“ kennenlernt. Die beiden Männer verstehen sich auf Anhieb. Bernd Schröder wird Co-Produzent des zweite Werner-Films „Werner – Das muss kesseln!!!“. In dem Film wird er als reicher Restaurantbesitzer Nobelschröder verewigt.

Wie so oft in diesem Metier kommt eins zum anderen. Bei seiner Zusammenarbeit mit Feldmann – Schröder kümmert sich um den Soundtrack des Films – lernt er den Musikmanager Jonas Schäfer und die Flensburger Band Echt kennen. Er wird Produzent der Gruppe und als deren Sänger Kim Frank in Leander Haußmanns Film „NVA“ die Hauptrolle erhält, eröffnet sich für Bernd Schröder ein neues Feld.

Nach der Unruhe ist es Zeit für Stille, in der der Bildhauer modellieren kann

Er lehnt sich in dem Ledersessel in seinem Wohnzimmer zurück und zögert ein wenig, bevor er weitererzählt. Es geht um die 2011 veröffentlichte Tragikomödie „Hotel Lux“. Haußmann führt Regie, Michael Herbig, Jürgen Vogel und Thekla Reuten spielen die Hauptrollen. „Ich bekam die Chance, an einer ganz großen Filmproduktion mitzuwirken“, erzählt Bernd Schröder.

Wieder hilft ihm seine Fähigkeit, „Künstler, die komplexe Persönlichkeiten sind, gut zu verstehen“. Und so ist Schröder bei der Produktion von „Hotel Lux“ mittendrin. Er baut den Kontakt zur Bavaria, einem der traditionsreichsten europäischen Medienunternehmen, auf, vermittelt, ist bei Vertragsabschluss dabei und steht den Künstlern zur Seite. „Was hätte alles werden können, wenn „Hotel Lux“ ein Blockbuster geworden wäre?“ Bernd Schröder zögert, lächelt und spricht dann davon, „dass es schon seit Langem in mir kokelte, mich mehr mit der Bildhauerei zu beschäftigen“.

Es erinnere ihn ein wenig an die Rückkehr zu seinen Wurzeln, sagt er. „Ich brauchte die Unruhe der Film- und Musikprojekte.“ Aber jetzt sei Zeit für Ruhe, für dieses „nicht Hören und nur Modellieren“. Neben einigen Auftragsarbeiten will Schröder sich den Ideen widmen, „die schon seit Jahren in meinem Kopf herumspuken“.

Doch sich ganz und gar in sein Atelier zurückziehen, das reicht dem 57-Jährigen nicht. Mit seinem langjährigen Freund Percy Bongers will er die Plattform ‚Elbpuls‘ entwickeln. Und damit anderen Künstlern die Möglichkeit verschaffen, ihre Werke der Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Drei Fragen

1. Was zieht sich wie ein roter Faden durch Ihr Leben? Die Begegnungen mit außergewöhnlichen Persönlichkeiten.

2. Was verbindet Sie mit der Person, an die Sie den roten Faden weitergeben? Die Liebe zur Musik.

3. Warum geben Sie den roten Faden an diese Person weiter? Weil Mansour Mamaghani ein exzellentes Gespür für den feinen Klang hat.