Hamburg. Ein Fall von Verdrängung? Der Verein hat sich aus finanziellen Gründen vom bisherigen Betreiber, dem Kino 3001, getrennt.

Von „Fack ju Göhte“ über „Good-bye Lenin“ bis zum Film über die Esso-Häuser: Zehn Jahre lang bot das 3001 Kino abwechslungsreiche sommerliche Filmkost auf der Südtribüne im Millerntor-Stadion. In diesem Jahr nicht mehr: Der FC St. Pauli hat sich aus wirtschaftlichen Gründen von dem Stadtteilkino getrennt und die Filmnächte an die Outdoor Cine GmbH vergeben, die auch das Open Air Schanzenkino im Schanzenpark veranstaltet. Die Filmnächte im Millerntor firmieren jetzt unter St. Pauli Sommerkino, in diesem Jahr vom 7. Juni bis zum 17. Juli. Für Vollzahler bleibt der Eintrittspreis acht Euro, der Preis für Ermäßigte steigt allerdings von fünf auf sieben Euro.

Der Konkurrent sei bereit, „eine deutlich höhere Miete“ für die Filmnächte zu zahlen, schreibt das 3001 in einer Stellungnahme. Die Betreiber sind tief verletzt. „Die Kleineren werden mal wieder von den Größeren weggedrängt“, sagt Carl Schröder vom 3001. „Wir hatten uns mit dem FCSP verständigt, dass wir eine nichtkommerzielle Nische gestalten wollten. Deshalb haben wir auch immer auf Werbung verzichtet und Angebote von Werbefirmen ausgeschlagen. Jetzt hat uns der Verein mitgeteilt, dass sein Wirtschaftsprüfer findet, man könne die Südtribüne nicht länger fast umsonst weggeben.“

Das 3001 habe pro Saison im Durchschnitt ca. 5000 Euro an den FC St. Pauli für die Filmnächte gezahlt. Schröder geht davon aus, dass Outdoor Cine rund 12.000 Euro mehr bietet. Das Argument des FCSP, er müsse Arbeitsplätze erhalten, sei nicht stichhaltig: „Von 12.000 Euro kann man keine Stelle finanzieren.“ Das 3001 hatte trotz persönlicher Anschreiben an Vorstand, Präsidium, Aufsichtsrat und Ehrenrat des FCSP keinerlei Reaktion bekommen.

Enttäuscht ist Schröder aber auch von Dirk Evers, dem Geschäftsführer von Outdoor Cine. Man kennt sich nämlich: Evers war früher selbst mal beim 3001 tätig – als Filmvorführer – und startete vor 15 Jahren das Schanzenkino auf der Wiese im Schanzenpark. Dort stieg im Jahr 2001 auch das 3001 Kino ein, brachte ein Leinwandgerüst und einen größeren Projektor mit, so Schröder. Ein paar Jahre später zog sich das 3001 aus dem Schanzenkino zurück – und organisierte 2003 die Filmnächte am Millerntor im Rahmen der Retter-Kampagne für den FCSP. „Dirk Evers hat uns jetzt nicht mal angerufen, als er die Anfrage vom FCSP erhielt“, sagt Schröder.

Vereinssprecher Christoph Pieper bestätigt auf Nachfrage im Wesentlichen die Angaben, die Pauli-Präsident Oke Göttlich im Gespräch mit dem Fan-Magazin „Übersteiger“ gemacht hatte. „Aufgrund der sportlichen Situation und eines möglichen Abstiegs in die 3. Liga ist das Präsidium durch den Aufsichtsrat und den Betriebsrat aufgefordert, bei wirtschaftlichen Entscheidungen so zu verfahren, dass Kosten minimiert und Erlöse erzielt werden“, sagt Pieper. „Das war auch bei dieser Entscheidung der Fall. Denn schließlich soll alles dafür getan werden, die Arbeitsplätze der Mitarbeiter zu sichern und der Verantwortung ihnen gegenüber nachzukommen. Zudem sind wir als Verein – nicht zuletzt wegen der umgesetzten Infrastrukturmaßnahmen – angehalten, vernünftig zu wirtschaften.“ In der St.-Pauli-Geschäftsstelle sind rund 35 Mitarbeiter beschäftigt. Dazu kommen außerdem Mitarbeiter im Nachwuchsleistungszentrum, Honorarkräfte, freie Mitarbeiter und geringfügig Beschäftigte – insgesamt mehrere Hundert Personen.

„Hätten die beiden Angebote (der Kino-Anbieter) ähnlich beieinander gelegen, hätten wir auch weiter mit dem 3001 zusammengearbeitet“, sagt Pieper. Auf die Frage, warum die Vereinsführung dem 3001 Kino auf seine Briefe nicht antwortete, räumte St.-Pauli-Präsident Göttlich im „Übersteiger“ einen „großen Fehler“ ein: Man habe Mitte April eine ausführliche Erklärung an das 3001 Kino verfasst, aber versehentlich nicht abgeschickt. Blöd gelaufen – aber immerhin kam es inzwischen zu einem Agreement: „Das Präsidium hat uns jetzt mitgeteilt, dass wir uns nach Ende der Saison zusammensetzen und beraten werden, wie es weitergeht“, sagt Carl Schröder.

An der Qualität und Vielfalt der gezeigten Filme soll sich nichts ändern

Dirk Evers von der Outdoor Cine GmbH tut es „sehr leid, wie das jetzt gekommen ist“. Seine Firma habe dem FC St. Pauli erst auf Anfrage ein Angebot gemacht. „Der Verein ist an uns herangetreten. Wir sind nicht auf Einkaufstour durch Deutschland und seine Stadien gegangen.“ Vielen FC-Fans und Anwohnern hat bisher nicht nur das Kino in ihrem geliebten Stadion, sondern auch die Auswahl der Filme gefallen. Das 3001 steht eben nicht für Mainstream- und Multiplex-Action-Blockbuster-Komödie, sondern für eine kleine feine Auswahl vom Klassiker, der sonst fast nirgends mehr läuft, über den Renner („Inglourious Basterds“) bis zu Filmen aus dem/über den Stadtteil und zu Themen wie Gentrifizierung.

Daran solle sich auch gar nichts ändern, sagt Dirk Evers von Outdoor Cine. „Mit der längeren Spielzeit haben wir noch mehr Arthouse-Produktionen und St.-Pauli-Kultfilme aufgenommen. Außerdem zeigen wir wie im Schanzenpark die Reihe ,The Original Only‘ mit Filmen in der englischen Originalfassung mit deutschen Untertiteln.“ Dazu gehört z.B. „The Big Lebowski“. Das Programm steht demnächst auf der Website.