Einige Jahre schien es, als ob die Multiplex-Kinocenter den kleinen Kinos den Garaus machen würden. Aber unabhängige Lichtspieltheater in Hamburg schreiben längst ihre ganz eigene Erfolgsgeschichte.
Hamburg . Als die alten Lichtspielhäuser starben, kamen die Quereinsteiger, die Kino-Verrückten, und zeigten Filme, die sonst nirgends liefen. Das „Abaton“ war 1970 eines der ersten dieser sogenannten Programmkinos bundesweit. Von den mehr als 30 Hamburger Kinos der 1960er Jahre gibt es heute noch ein Dutzend, die sich neben den Multiplex-Kinos behaupten konnten. Sie scheinen ihre Nische gefunden zu haben. Und sie sehen weiterhin eine Zukunft für das kleine Kino nebenan oder für das Arthouse-Kino abseits des Hollywood- Mainstreams.
Zu den Urgesteinen der Hamburger Kino-Betreiber zählt Hans-Peter Jansen. Sein erstes Kino war in den 1970er Jahren das „Alabama“, damals in Hamburg-Eidelstedt. Das musste er 1992 schließen. Jetzt betreibt er in Hamburg vier Kinos und zwei in Schleswig-Holstein. „Die Besucherzahlen sind zwar ein Auf und Ab, in den letzten Jahren aber ziemlich konstant“, sagt Jansen. „Unsere Kinos sind gesund.“
Egal ob das „Elbe-Kino“ oder das „Blankeneser Kino“: „Diese Vorort- Kinos sind wichtig, sie haben eine soziale Funktion“, ist Jansen überzeugt. „Die Kinder können alleine zum Kino gehen. Und die Menschen aus dem Stadtteil treffen hier Freunde und Nachbarn“. Die Jugendlichen würden eher in die Multiplex-Kinos fahren. „Wenn sie aber eine Familie gründen und in die Vororte ziehen, dann kommen sie wieder zu mir ins Kino.“
Persönliche Kontakte seien ungeheuer wichtig, sagt auch der Betreiber des „Magazin-Filmkunsttheaters“ in Hamburg-Winterhude, Arndt Eggers. Ebenso wie Jansen setzt sich der 56-Jährige von Zeit zu Zeit selbst an die Kasse des Kinos, das er seit 40 Jahren betreibt. Da gibt es Eintrittskarten von der Rolle („Niemals eine Computerkasse!“) und abgepackte Tüten mit Süßigkeiten wie früher im Freibad.
An der Kasse im „Magazin“ stehen auch zwei abgegriffene Kladden, wo die Zuschauer einen Film loben oder verreißen, aber auch Vorschläge eintragen können. Und man kennt sich. „Da ist das Ehepaar aus den Elbvororten, beide über 90“, sagt Eggers. „Die lassen sich alle ein, zwei Wochen von ihrem Chauffeur hierher ins Kino fahren.“ Und Jansen erzählt, dass zu ihm Leute kommen und das Programm vorlegen. „Ich mache dann Kreuze und diese Filme sehen sie sich dann an.“
Mehr als nur Filmvorführungen
Neben den Filmen gibt es Sonderveranstaltungen wie Lesungen und Konzerte. Vorstellungen für Schulen sind zwar viel seltener geworden, als früher, berichten die Kinobetreiber. Dafür kann man aber manchen Saal mieten, etwa als Unternehmen für die Gesellschafterversammlung oder für eine exklusive Feier.
„Einmal“, erinnert sich Eggers, „hat ein Geschäftsmann den ganzen Saal für sich und sein „Hasi“ allein gemietet.“ Als Film wünschte er sich „Frühstück bei Tiffany“. „Zwei Jahre später dann: Selber Geschäftsmann, selber Film – aber anderes Hasi.“
Seit der wilden Anfangszeit der 1970er Jahre hat sich viel geändert, sagt Jansen. „Damals zeigten wir die Filme, die sonst nicht liefen. Punk-Konzerte, Horror-Trash und so weiter.“ Damals bekamen Jansen und sein Partner den Titel „Schmuddelkinder“, auf den der „Herr der Vorort-Leinwände“ („taz“) heute noch stolz ist. „Heute gibt es Internet, das ist der Totengräber für solche Programme.“
Neben den privaten Kinos gibt es in Hamburg das kommunal geförderte Kino „Metropolis“ des Vereins Kinemathek neben der Staatsoper. Seit 1979 trägt die Stadt 60 bis 70 Prozent des Etats, der Rest kommt aus Eintrittsgeldern und Spenden, sagt Geschäftsführer Martin Aust.
Während die anderen Kinos inzwischen auch viele der massentauglichen Filme zeigen, kümmert sich das „Metropolis“ um Filmgeschichte, Nischen und Raritäten. Der Vorführraum ist vollgestopft nicht nur mit dem digitalen Abspielgerät, sondern auch mit traditionellen 16- und 35-Millimeter-Projektoren, Videorekordern und DVD-Spielern. Die Bandbreite reicht vom Stummfilm, dafür steht auch ein Klavier im Saal, bis zum Experimentalfilm. Mal sitzen fünf Leute drin, mal ist der Saal überfüllt. „Wirtschaftlich ist das nicht zu betreiben“, sagt Aust.
Kultursenatorin lobt kleine Kinos
Einen ganz anderen Weg geht der „Cinemaxx“-Gründer Hans-Joachim Flebbe mit seinen Edel-Kinos. Nach seinem Ausstieg bei der Multiplex-Kette setzt er jetzt auf Luxus in den Sälen wie dem traditionsreichen Zoo Palast in Berlin oder im Hamburger „Savoy“: Garderobe, Bar, Ledersessel und viel Beinfreiheit.
Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) schätzt die kleinen Kinos: „Programmkinos sind von großer Bedeutung für die Bewahrung eines vielfältigen filmkulturellen Angebots, und sie sind darüber hinaus häufig ein wichtiger Kulturort für die Bewohner eines Stadtteils.“
Bei Jansen und Eggers mischt inzwischen die nächste Generation der Familie in den Kinos mit. Jansen ist überzeugt, dass die „kleinen“ Kinos eine Zukunft haben. „Wenn man das mit Leidenschaft und Qualität macht, gibt es diese Kinos auch noch in 20 Jahren.“