Hamburg. Der Ausstand stellt Eltern vor große Probleme. 70 Kitas geschlossen. Sozialbehörde will Lohnkosten von den Betreibern zurückfordern.

Der Kita-Streik hat Hamburgs Eltern am Freitag viele Probleme bereitet. Insgesamt waren nach Angaben der Gewerkschaft Ver.di 70 von 220 betroffenen Kindertagesstätten geschlossen. Die Kitas, die ein Notprogramm anboten, – laut Ver.di waren es 120 – hatten mit organisatorischen Schwierigkeiten zu kämpfen. „95 Prozent unserer Eltern sind berufstätig. Ohne Kinderbetreuung kriechen einige auf dem Zahnfleisch“, sagt Thomas Wulf, Leiter der Elbkinder-Kita „Am Eichengrund“ in Blankenese. „Viele unserer Erzieherinnen haben daher geschwankt, ob sie an dem Streik teilnehmen, sie wollten die Familien schließlich nicht im Stich lassen.“

Wegen des Streiks und weil einige Kolleginnen krank waren, fehlten allein in dieser Kita 15 Mitarbeiterinnen. Drei ausgebildete Kräfte sowie drei Beschäftigte, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) absolvieren, betreuten die Kinder. „Wir konnten für 45 der etwa 150 Kinder eine Notbetreuung anbieten“, sagt Wulf. Am Eichengrund herrscht unter den Eltern vor allem Erleichterung. Beim Hinausgehen steckten viele den Kopf in Wulfs Büro und bedankten sich. Auch Miriam Fontius, 37, ist froh, dass sie ihre Tochter in der Kita abgeben konnte. Für die Streikenden hat die Lufthansa-Gruppenleiterin Verständnis.

„Skeptisch, ob ein Streik das richtige Mittel ist“

Für den Möbel-Restaurator Sven Gödecke, 41, bedeutete der Streik großen Stress. „Meine Frau und ich sind beide selbstständig. Nach vier Stunden holen wir unser Kind wieder ab, dafür müssen wir zu Hause bis in die Nacht arbeiten.“ Auch Thorsten Wehner brachte seine zwei Kinder am Freitagmorgen in die Notbetreuung. Den Streik findet er nicht in Ordnung. „Die Erzieherinnen haben ein berechtigtes Anliegen, aber ich bin skeptisch, ob ein Streik das richtige Mittel ist“, sagt der 39-Jährige. Der Streik wird laut Ver.di mindestens noch bis Pfingsten dauern.

Am Flughafen gab es ein kostenloses Betreuungsprogramm für die Kinder der Mitarbeiter. Im stillgelegten „Terminal Tango“, dem ehemaligen Terminal 1, in dem früher die Ferienflieger abgefertigt wurden, tobten und bastelten am Freitag neun Mädchen und Jungen zwischen vier und sieben Jahren. Drei ausgebildete Betreuer kümmerten sich von 8 bis 16 Uhr um die Kinder. Auch beim Otto-Konzern können Mitarbeiter ihre Kinder während des Streiks mit zur Arbeit nehmen. Für Kinder über drei Jahren wurde eine Kinderbetreuung von 8 bis 18 Uhr auf dem Gelände eingerichtet – Verpflegung inklusive. Wenn der Vorgesetzte nichts dagegen habe, dürften Kinder auch mit an den Arbeitsplatz der Eltern genommen werden.

Am Freitagmorgen hatten sich fast 3000 Streikende vor der „Elbkinder“-Geschäftsstelle an der Oberstraße versammelt und ihrem Unmut lautstark Luft gemacht. Gewerkschafts­sekretär Stephan Gastmeier zählte von einem Wagen aus pausenlos Kitas auf, die streikten oder in denen nur ein Notprogramm lief. Jede Nachricht über weitere Kitas, die sich „angeschlossen“ hatten, wurden durchgehend mit Applaus und Gejohle quittiert.

Praktikantinnen „als Streikbrecher missbraucht“

Stellvertretend für die Auszubildenden sprach Fabian, der im Hinblick auf die sozialen Berufe unter anderem ein „radikales gesamtgesellschaftliches Umdenken“ forderte. Es sei eine Unverschämtheit, dass in einigen Kitas Praktikantinnen „als Streikbrecher missbraucht“ würden. Laut Fabian war auch die Fachschule für Sozialpädagogik an den Alten Eichen geschlossen, und er forderte die übrigen staatlichen sozialpädagogischen Schulen auf, sich daran ein Beispiel zu nehmen und „nachzuziehen“.

Der Demonstrationszug bewegte sich – begleitet von viel Polizei – durch die Grindelallee, um dann auf Höhe Rentzelstraße in Richtung Sternschanze weiter zu ziehen. Alleine der Zug durch die Grindelallee dauerte eine Stunde, sodass es zu massiven Verkehrsbehinderungen kam. Die Teilnehmer trugen Spruchbänder und wirkten alles in allem eher vergnügt als kämpferisch. Viele tanzten zur Lautsprechermusik auf der Straße. Die Töne waren diesmal allerdings deutlich schärfer als bei der vergangenen Kita-Demo. Laut Sigrid Ebel (Ver.di) hätten die Kitaträger zuvor „enormen Druck“ aufgebaut und so zur Verschlechterung der Stimmung beigetragen. Unter anderem sei in Briefen an die Eltern kolportiert worden, dass die Erzieher schon genug verdienten und dass es deshalb unverständlich sei, warum überhaupt gestreikt werde.

Streik könnte teuer für Kitaträger werden

Unterdessen zeigt sich, dass ein längerer Streik für die Kitaträger teuer werden könnte. Denn wie die federführende Sozialbehörde mitteilte, darf sie nur Leistungen vergüten, die auch tatsächlich erbracht wurden. Das wäre also nicht der Fall, wenn die Träger auch den Lohnkostenanteil für Streikende erhalten würden. Wie Marcel Schweitzer, Sprecher der Sozialbehörde mitteilt, wird die „streikbedingte Ersparnis“ von den betroffenen Trägern zurückgefordert. Das könne allerdings nicht sofort erfolgen, sondern erst später und nach komplizierter Abrechnung. Zunächst müsse geklärt werden, wer an welchem Tag in welcher Kita genau im Einsatz war.

Laut Schweitzer haben die Vereinigung Hamburger Kindertageseinrichtungen (Elbkinder), das Studierendenwerk Hamburg und die Sozialeinrichtungen des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) bereits mitgeteilt, dass sie die Elternbeiträge erstatten werden. Der Hamburger Schulverein habe angekündigt, eine juristische Prüfung zu veranlassen, um zu klären, ob eine Erstattung der Elternbeiträge rechtens ist.