St. Pauli. Beim 30. Jubiläum in Hamburg kam angesichts des Wetters nicht überall die große Stimmung auf. Kenianer Rotich gewinnt in 2:07:17.

42,195 Kilometer hatte Lucas Rotich zurückgelegt, aber seine Füße trugen ihn noch weiter. Die kenianische Fahne um die Schulter, rannte er noch einmal die Karolinenstraße hin­auf, diesmal entgegengesetzt zu der Richtung, in der er wenige Augenblicke zuvor seinen Triumphlauf beendet hatte. 2:07:17 Stunden, so lange hatte Rotich, 25, für seinen Sieg beim 30.
Haspa-Marathon Hamburg benötigt. Schneller ist er auf dieser Distanz nie gewesen – und von seinen 29 Vorgängern in Hamburg waren es nur vier.

Die aber hatten allesamt wesentlich bessere Bedingungen vorgefunden als er. Ein Marathon im Regen, das war tatsächlich eine Premiere für diese Traditionsveranstaltung. „Wir hatten uns das Jubiläum anders ausgemalt“, gestand Hamburgs Marathonchef Frank Thaleiser: „Regenschirme kamen dabei nicht vor.“ Sie begannen allerdings erst nach etwa dreieinhalb Stunden das Bild dieses Marathons zu bestimmen, zu einer Zeit also, als sich auch der Strom der Jedermänner und -frauen im Ziel dem Höhepunkt näherte.

Eine offizielle Zuschauerzahl wurde diesmal nicht verkündet

Die Spitzenläufer wurden davon kaum beeinträchtigt. Eher schon war es die hohe Luftfeuchtigkeit, die zum Bremsfaktor wurde, zwang sie doch die Aktiven, sich stärker als geplant mit Flüssigkeit zu versorgen. Mag sein, dass Streckenrekordhalter Eliud Kipchoge (2:05:30) Thaleisers Wunsch nach einer Zeit unter 2:07 Stunden trotzdem hätte erfüllen können. Doch Rotichs Trainingspartner läuft längst in einer anderen (Preis-)Klasse – er siegte zeitgleich in London in 2:04:42. Seine Antrittsprämie, schätzungsweise 300.000 Euro, hätte in Hamburg den gesamten Athletenetat ausgeschöpft.

Und so übernahmen es diesmal die Frauen nachzuweisen, dass die Vielleicht-Olympiastadt von 2024 ein ähnlich schnelles Pflaster ist wie die Olympiastadt von 2012. Siegerin Meseret Hailu, 24, aus Äthiopien blieb zwar in 2:25:41 Stunden viereinhalb Minuten hinter ihrer Bestzeit zurück, allerdings nur gut eineinhalb hinter dem Streckenrekord. „Wenn man bedenkt, dass unser Athletenetat sehr männerlastig ist, können wir damit sehr zufrieden sein“, sagte Thaleiser. Zumal Hailus Verlobter Feyisa Bekele, der mit der schnellsten Zeit gemeldet war, das Rennen wegen Magen-Darm-Problemen hatte aufgeben müssen.

Das kam für Sabrina Mockenhaupt nicht infrage. Dabei hätte Deutschlands beste Langstrecklerin gute Gründe anführen können: die Rückschläge in der Vorbereitung, die böse Erinnerung an die EM 2014, dann noch das allzu menschliche Bedürfnis, dem sie nach 25 Kilometern nachgeben musste und das sie aus dem Tritt brachte. Dennoch kämpfte sich Mockenhaupt, eskortiert von drei Tempomachern, als Sechste in 2:32:41 ins Ziel, drei Minuten später als erhofft. „Das war ein Sieg über mich selbst“, sagte die 34 Jahre alte Siegerländerin, „vielleicht kann es sich keiner vorstellen, aber ich bin glücklich.“

Das konnte Steffen Uliczka beim besten Willen nicht behaupten. Eine Zeit um 2:13 Stunden hatte sich der sechsmalige deutsche Hindernismeister aus Kiel für sein Marathondebüt vorgenommen. 2:20:19 und Platz 26 sind es geworden. Hinterher war Ulicz­ka vor allem um Erfahrungen reicher: „Es war viel härter, als ich es mir vorgestellt hatte. Beim Start waren die Wehwehchen und Bedenken noch wie weggeblasen. Nach 15 Kilometern war allerdings auch die Kraft weg.“

Den Kontakt zu Julian Flügel hatte Uliczka schon nach der Hälfte abreißen lassen müssen. Der Regensburger hatte vor einem Jahr in 2:15:39 Stunden debütiert und steigerte sich in 2:14:51 auf Rang 16. Bemerkenswert für einen, der 30 Stunden in der Woche in Wiesbaden für einen Gabelstaplerhersteller arbeitet. Flügels Fernziel bleiben die Spiele 2016 in Rio, für die er sich im Herbst in Berlin oder Frankfurt qualifizieren will. Sein Nahziel sind Italien und Frankreich, wohin er noch am Abend zu einem Campingurlaub aufbrach.

Ansprechende Zeiten, eine reibungslose Organisation, deutlich mehr Teilnehmer: Alles in allem war es ein durchaus gelungenes Jubiläum. Am Ende waren es vielleicht ein paar Widrigkeiten zu viel, um diesen Marathon eine glanzvolle Visitenkarte für die Hamburger Olympiabewerbung zu nennen. „Was fehlte, war das i-Tüpfelchen“, gestand Thaleiser. Auch an der Strecke kam angesichts des Wetters nicht überall die ganz große Stimmung auf. Eine offizielle Zuschauerzahl wie in den Vorjahren, als an der Strecke 800.000 Menschen gezählt worden waren, wurde erst gar nicht verkündet. Immerhin: Für den 31. Haspa-Mara­thon am 17. April 2016 sind noch Steigerungsmöglichkeiten vorhanden.