Hamburg. Umweltschützer greifen die Industrie an, weil die Produktion von Kohlendioxid offenbar gewachsen ist. Doch harte Zahlen gibt es kaum.

Die jüngst vom Statistikamt Nord veröffentlichte Bilanz zum CO2-Ausstoß in Hamburg hat zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen Wirtschaft und Umweltschützern geführt. Im Kern geht es bei dem Streit darum, ob Unternehmen mit freiwilligen Selbstverpflichtungen den Ausstoß von Kohlendioxid mindern können – oder ob dazu strengere Vorschriften notwendig sind. Hintergrund ist das erklärte Ziel der Hansestadt, die Menge des in Hamburg frei gesetzten Gases bis zum Jahr 2020 deutlich zu reduzieren, um das Klima zu schützen. Allerdings lässt sich Kohlendioxid nicht einfach messen, die Erfassung durch eine Berechnung ist nur eine Annäherung an die Wahrheit, sagen Statistiker.

Von 1990 bis 2012 sind laut der aktuellen Statistik die CO2-Emissionen in Hamburg um etwa zehn Prozent gesunken – was das Erreichen eines ehrgeizigen Einsparziels nicht mehr sehr wahrscheinlich macht. Von 2011 auf 2012 hatte es sogar einen leichten Anstieg gegeben, den Experten auf den kalten Winter zurückführen. Im Jahr 2012 produzierten Industrie, Verkehr, Gewerbe und Haushalte in Hamburg insgesamt 11,43 Millionen Tonnen CO2. Im Vorjahr waren es 11,40 Millionen Tonnen. Die Emissionen je Einwohner reduzierten sich in Hamburg von 1990 bis 2012 demnach von 7,8 auf 6,6 Tonnen.

Klimaschutz spielt derzeit auch in den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen eine große Rolle. Was die Diskussion nicht einfacher macht: Im schwarz-grünen Senat wurde noch das Ziel genannt, bis zum Jahr 2020 mindestens 40 Prozent Kohlendioxid in Hamburg einzusparen. Der SPD-Senat wurde dann schon vorsichtiger: Man wolle einen Beitrag leisten, dass in Deutschland das 40-Prozent-Ziel erreicht wird, heißt es nun sinngemäß. In den Verhandlungen dürfte es daher nun wieder um konkretere Ziele und wohl auch schärfere Maßnahmen gehen.

Die fordert jetzt auch die Umweltorganisation BUND. Die Hamburger Wirtschaft müsse angesichts der Statistik deutlich mehr tun, sagt BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. „Selbstverpflichtungen werden dem Problem nicht mehr gerecht“, so Braasch. Im Ergebnis seien die CO2-Emissionen der Industrie in Hamburg stärker als die Wirtschaftsleistung gestiegen.

Dieser Kritik widersprach nun am Montag umgehend die Handelskammer. Allein durch freiwillige Maßnahmen der Hamburger Unternehmen habe man 280.000 Tonnen pro Jahr einsparen können. Und bis zum Jahr 2018 sollen laut Kammer weitere 150.000 Tonnen eingespart werden.

Ob Freiwilligkeit oder strenge Regel – die Aussagekraft solcher CO2-Bilanzen dürfte aber relativ unsicher sein. So bezieht sich die derzeitige Diskussion zwischen Umweltschützern und Handelskammer laut Statistikamt auf die sogenannte Quellenbilanz, nicht auf die ebenfalls von den Statistikern erhobene Verursacherbilanz. Auf eine Kurzformel gebracht: Bei der Quellenbilanz wird das berechnet, was in Hamburg verbrannt wird. Also bei der Industrieproduktion, in den Heizungen der Wohngebäude und natürlich in Kraftwerken. Bei der Verursacherbilanz indes das, was an CO2-Ausstoß hier in der Stadt verursacht wird – auch wenn die Energie ganz woanders erzeugt wird. Der Unterschied lässt sich am neuen Kohlekraftwerk Moorburg erklären: Bei der Quellenbilanz fließt die Kohlendioxid-Freisetzung an der Süderelbe voll mit in die Hamburger Werte. Allerdings wird der dort produzierte Strom ins allgemeine Netz geliefert und würde bei der Verursacherbilanz auch woanders mit zu Buche schlagen. Etwas unscharf ist auch die Erfassung der vom Verkehr erzeugten Werte. Da orientieren sich die Statistiker an den Angaben über den Verkauf von Benzin und Diesel im jeweiligen Bundesland. Pendler, die im Umland tanken, fallen dann schlicht aus der Statistik. Zweifelhaft dürfte zudem sein, wie effektvoll ein Prozentziel für einen kleinen Stadtstaat wie Hamburg überhaupt ist.

Der renommierte Klimaforscher Hans von Storch hat da jedenfalls angesichts der heftigen Debatten eine eher nüchterne Einschätzung: Eine Einsparung in Hamburg habe praktisch keinen direkten Einfluss auf die globalen Werte, egal wie viel Prozent es sind, sagt der Forscher. Von Storch: „Wenn Hamburg aber Techniken zur Emissionsminderung vorstellt, die sich wirtschaftlich lohnen, könne das schon eine globale Wirkung haben.“ Dabei dürfe es nicht nur um eine moralische Botschaft gehen. Sondern um wirksam zu sein, müsse eine solche Technik eben „wirtschaftlich hart“ sein.

Der von Menschen produzierte Anteil von Kohlendioxid in der Atmosphäre wird von einer Mehrheit der Klimaforscher derzeit für einen Klimawandel verantwortlich gemacht. Zwar wird der weitaus größte Anteil von der Natur selbst produziert. Allerdings nehmen Pflanzen CO2 auch wieder auf. Durch Verbrennung von Öl und Gas wird nach allgemeiner Auffassung dieses Gleichgewicht gestört, und das zusätzliche Gas führt dazu, dass zuviel von der Erde abgestrahlte Wärme abgehalten wird und den eigentlich lebensnotwendigen und natürlichen Treibhauseffekt verstärkt.