Hamburg . Radverkehr, Luftreinhaltung, Fluglärm: Heute wird die SPD dem Verhandlungspartner bei Koalitionsgesprächen wohl entgegenkommen.
Fünf Tage nach der unterbrochenen Sitzung gehen die Koalitionsverhandlungen weiter. Um 12 Uhr am heutigen Montag treffen sich die Verhandlungskommissionen von SPD und Grünen im Rathaus, um bei den Themen Hafen, Wirtschaft und Verkehr eine Lösung zu finden. Im Mittelpunkt wird dabei der Verkehr stehen. Ausgerechnet bei der überwunden geglaubten Stadtbahn haben sich beide Seiten am vergangenen Mittwoch festgebissen. Verkehrsexperte Till Steffen und Anja Hajduk auf Seiten der Grünen haben sich als besonders hartnäckig erwiesen – nicht unwahrscheinlich, dass sie im Gegenzug beim Ausbau des Radverkehrs punkten werden.
Die Fronten sind bei der Stadtbahn klar: Die SPD lehnt sie ab und setzt stattdessen auf den Ausbau der U-Bahn. Die Grünen wollen sie unbedingt. Und so beharrte Steffen darauf, die Stadtbahn zumindest auf einer Pilotstrecke im Probebetrieb fahren zu lassen. Die Gegenseite war bemüht darzustellen, dass ein bisschen Stadtbahn keinen Sinn ergäbe: Entweder führe man ein neues Verkehrssystem ein oder man lasse es. Selbst ein Probebetrieb würde einen Milliardenbetrag kosten. Und das sei mit der SPD nicht zu machen. Doch bei der SPD weiß man auch, dass es dem Verhandlungspartner um die eigene Identität geht. Eine Zusammenarbeit kann es nicht geben, wenn die Grünen das Gefühl haben, nur Mehrheitsbeschaffer für die SPD zu sein. Und so wird es in den kommenden Wochen darum gehen, den Grünen den Verzicht auf die Stadtbahn zu kompensieren. Klar ist, dass die Gegenleistung nicht nur ein Biotop am Stadtrand sein kann. Man wird die Grünen auch bei harten Themen punkten lassen müssen.
Der Radverkehr ist eines dieser Themen. Hier wird die SPD einen signifikanten Schritt nach vorn gehen müssen. Das Ziel der Grünen, den Anteil des Radverkehrs auf 25 Prozent zu erhöhen, kann es nur mit einem massiven Ausbau der Radwege geben.
Verhandlungsmasse kann es auch in Sachen Fluglärm geben. Im Streit um die Reduzierung hat die SPD sich noch kurz vor der Wahl auf Veränderungen eingelassen, um etwa die Fluglärmschutzbeauftragte zu stärken. Gleiches gilt für den Hafen. Auch wenn an der Elbvertiefung nicht gerüttelt wird. Die Grünen hatten auch hier mit der Idee, die Elbvertiefung vom geplanten einen Meter auf 70 Zentimeter zu begrenzen, einen vergeblichen Vorstoß gewagt. Aber wenn es um Themen wie „sauberer Hafen“ geht, dann wird es Spielraum für grüne Ideen geben. Etwa bei der Luftreinhaltung oder der wasserseitigen Containerbeförderung. Allerdings nur, wenn die Konkurrenzfähigkeit des Hafens nicht gefährdet wird.
Und so ist man sich sicher, dass die unterschiedlichen Sichtweisen bei der Stadtbahn hinzubiegen sind. Beim außerordentlichen Acht-Augen-Gespräch am Donnerstag mit den Sozialdemokraten Olaf Scholz und Andreas Dressel sowie den Grünen Katharina Fegebank und Jens Kerstan haben sich beide Seiten noch einmal versichert, die Gespräche zu einem Gelingen bringen zu wollen. Außerdem will keine Seite eine Wiederauflage von 1997.
Bei den Koalitionsverhandlungen 1997 herrschten Distanz und Misstrauen
Als SPD und Grüne damals das anschließend erste gemeinsame Bündnis in Hamburg verhandelten, herrschte eine Atmosphäre von „Distanz und Misstrauen“, wie sich die damalige grüne Verhandlungsführerin Krista Sager erinnert. Obwohl große Teile der SPD und vor allem Ortwin Runde, der nach dem Rücktritt von Henning Voscherau Bürgermeister wurde, für Rot-Grün waren, blieb die Öffentlichkeit skeptisch. Besonders scharf war der Gegenwind der Wirtschaft. Und so war es gerade der rechte Flügel der SPD, der nach außen signalisierte, dass man wenig von den Grünen halte. „Die ständigen Falschinformationen und Durchsteckereien aus den Koalitionsgesprächen haben die Atmosphäre vergiftet“, so Sager. Gleichzeitig wurden die Grünen bei den Verhandlungen kleingehalten. Und das, obwohl Sager und Runde ein gutes Verhältnis hatten.
Auch sei man sich innerhalb der eigenen Verhandlungskommission nicht immer einig gewesen. Es sei ein Fehler gewesen, dass lange über Dinge verhandelt wurde, die nicht zu gewinnen gewesen seien. Etwa über das Containerterminal in Altenwerder, was die Grünen vergeblich zu verhindern versuchten. Dabei ging es den Gegnern darum, sich bei dem linken Parteiflügel beliebt zu machen, anstatt geschickt zu verhandeln. Sager: „Zudem haben manche Grünen den Eindruck erweckt, die SPD mache alles falsch und aus diesem Grund müsse künftig alles anders gemacht werden. So etwas kommt beim Verhandlungspartner schlecht an.“
Auch wenn Sager die aktuellen Verhandlungen nicht kommentieren mag, so seien die Ausgangssituationen doch sehr unterschiedlich: „Heute gibt es eine große Akzeptanz für Rot-Grün in der Bevölkerung. Früher musste man den Leuten erklären, dass das für Hamburg kein Weltuntergang ist.“ Nach dem heutigen Montag treffen sich die Verhandlungskommissionen am Mittwoch und Donnerstag wieder.