Hamburg. Die Hansestadt oder Berlin - wer hat die besseren Olympia-Chancen? DOSB legt Leitfaden für Entscheidung über deutschen Bewerber vor.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat einen Leitfaden für die Beratungen seines Präsidiums über den deutschen Kandidaten für die Sommerspiele 2024 oder 2028 veröffentlicht. Die 102-seitige Präsentation wurde bereits an die Bewerberstädte Hamburg und Berlin sowie an Experten verschickt, die das DOSB-Präsidium vor der Vorentscheidung am 15. und 16. März im Frankfurter Hotel Lindner beraten sollen.

Zusammen mit den 13 Fragen, die Hamburg und Berlin im vergangenen Jahr beantwortet haben, soll dies die Grundlage für die Diskussion mit Vertretern aus Sport, Politik und anderen gesellschaftlichen Bereichen sein. Am Abend des 16. März wird das DOSB-Präsidium eine Empfehlung für die Außerordentliche Mitgliederversammlung am 21. März in der Frankfurter Paulskirche vorbereiten, wo die Bewerbung endgültig beschlossen wird.

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Der Leitfaden sei „keine wertende Zusammenfassung“, dennoch finden sich in der Übersicht der unterschiedlichen Themen durchaus interessante Einschätzungen. Die ausführliche Version des Leitfadens ist auf der Internetseite des DOSB (dosb.de) und bei abendblatt.de einsehbar.

Zimmerkapazität ein Knackpunkt in Hamburg

Ein wichtiger Kritikpunkt an der Hamburger Bewerbung ist die fehlende Zimmerkapazität. Die Stadt müsste nach derzeitigem Stand rund 26.000 zusätzliche Zimmer bereitstellen, da bislang lediglich 15.960 zur Verfügung stehen. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) stellt die Mindestanforderung von 42.000 Zimmern im Radius von 50 Kilometern. Berlin erfüllt diese mit 58.441 Zimmern problemlos. Allerdings könnte Hamburg seine Kapazität durch den Bau eines Mediendorfs für 16.000 Journalisten, die vorübergehende Bereitstellung von Kreuzfahrtschiffen und die Nutzung bislang unklassifizierter Hotels aufstocken. Beide Städte haben zudem im Umkreis ausreichend Potenzial zur Unterbringung weiterer Besucher.

In puncto Transport ist das dezentrale Berliner Konzept wegen verschiedener Nahverkehrsalternativen robuster, hat jedoch Nachteile im Bereich Reisezeiten gegenüber Hamburgs Kompaktheit. Während die Hauptstadt weitgehend mit der bestehenden Infrastruktur plant, müssen in Hamburg mehrere Baumaßnahmen vorgenommen werden. Das allerdings ist weder überraschend noch hinderlich. Mit ihren Visionen stehen Berlin (Slogan: „Wir wollen die Spiele“) und Hamburg („Feuer und Flamme“) im Einklang mit der IOC-Agenda 2020. Lokale Infrastrukturentwicklung, nationale Sportentwicklung und internationale Glaubwürdigkeit für die olympische Bewegung prägen beide Konzepte.

Der DOSB hält sie deshalb für weitgehend deckungsgleich. Dies gilt auch für die Stadtentwicklung. In Berlin wird die gesamtstädtische Entwicklung beschleunigt, in Hamburg sind die Spiele der Katalysator für die Neuentwicklung eines Stadtteils. Auf dem Kleinen Grasbrook in der HafenCity soll das Olympiazentrum entstehen. Das Konzept der Spiele am Wasser und der propagierte Sprung über die Elbe fanden Anklang beim DOSB.

Olympisches Dorf benötigt mehr Platz

Nachbessern müssen beide Bewerber auch bei der Größe der für das olympische Dorf vorgesehenen Flächen. „Die ursprünglichen Flächen beider Dörfer waren an der Untergrenze der Minimalanforderung des IOC“, heißt es in der DOSB-Einschätzung. „Beide Städte haben ausreichend Erweiterungspotenziale zugesagt. Für eine Bewerbung 2024 erscheinen beide Pläne zeitlich ambitioniert, aber machbar.“ Beide Bewerber hatten das Areal auf rund 40 Hektar angelegt. Berlin, das im Kurt-Schumacher-Quartier am Flughafen Tegel plant, könnte auf 50, Hamburg auf 67 Hektar erweitern.

Die geplanten Sportstätten erfüllen die IOC-Anforderungen. Die Kostenangaben dafür – Berlin plant mit rund 1,5, Hamburg mit ungefähr 1,9 Milliarden Euro – seien der Größenordnung nach plausibel. „Hamburg hat ein kompaktes Konzept, Berlin muss weniger in Neubauten investieren und hat noch weitere Optimierungspotenziale“, heißt es in der Bewertung. 29 inner- und sechs außerstädtischen Sport- sowie rund 230 Trainingsstätten in Berlin stehen in Hamburg 27 inner-, vier außerstädtische Sport- und rund 90 Trainingsstätten gegenüber. Die Berücksichtigung bestehender Anlagen mit gesicherter Nachnutzung sei in beiden Städten ein sinnvoller Konzeptansatz.

Lobende Erwähnung erfuhren die Kandidaten hinsichtlich ihrer Bemühungen um Nachhaltigkeit. „Beide Städte haben ein umfassendes Nachhaltigkeitsverständnis – von der umweltschonenden Ausrichtung über solide Finanzen bis hin zur sozialverträglichen Umsetzung“, schreibt der DOSB. Zudem sei die Einbindung der Bevölkerung gut umgesetzt worden.

Hamburger "kritisch", Berliner "ablehnend"

Die Finanzierung der mit rund 50 Millionen Euro veranschlagten Bewerbungskosten ist in beiden Städten durch die öffentliche Hand abgedeckt. Beide Parlamente unterstützen die Bewerbung mehrheitlich. Interessanter Nebenaspekt ist die Bewertung der Opposition: Während die Berliner „NOlympia“-Bewegung als „ablehnend“ angesehen wird, gilt das Hamburger Pendant nur als „kritisch“.

Wie wichtig die nun veröffentlichten Entscheidungskriterien sein werden, hängt maßgeblich von den Ergebnissen der Umfragen ab, die bis zum vergangenen Wochenende unter jeweils 1500 Bürgern beider Städte durchgeführt wurden.

Diese will der DOSB am kommenden Dienstag im Anschluss an eine Präsidiumssitzung in Neu-Isenburg bekannt geben. Liegt eine Stadt mit deutlichem Vorsprung – 15 Prozent plus – vor der anderen, wäre das wohl entscheidend.