Das Personalgeschacher hat begonnen. Wahlsieger Olaf Scholz muss den Grünen Zugeständnisse machen. Es wird prominente Zu- und Abgänge im Senat geben.
Hamburg. Man muss am Tag nach der Bürgerschaftswahl 2015 mal einen kritischen Blick auf das Foto des gerade vereidigten Hamburger Senats von Bürgermeister Olaf Scholz aus dem Jahr 2011 werfen. Denn nach dem erneuten Wahlsieg von Scholz darf man sich die Frage stellen: „Goodbye“ oder „Auf Wiedersehen“? Denn Scholz braucht künftig einen Koalitionspartner (die Grünen) und einige Senatorinnen oder Senatoren nicht mehr.
In seiner Alleinherrschaft, pardon: mit absoluter Mehrheit, konnte er sich sogar leisten, zwei Parteilose zu berufen: Frank Horch (Wirtschaft) und Barbara Kisseler (Kultur). Beide haben nach Ansicht vieler Beobachter ihren Job in den vergangenen vier Jahren gut gemacht. Doch beide wären vermutlich die ersten Streichkandidaten, wenn es gilt, den Senat mit Parteimitgliedern zu besetzen, seien sie nun rot oder grün.
Scholz hat immer beteuert, er werde mit derselben Senats-Mannschaft arbeiten wie zuletzt. Diesen Plan haben die Grünen mit ihrem Wahlergebnis durchkreuzt. Und einige SPD-Senatoren, die auf der Kippe standen, hatten bis zum Ende des Wahlabends auf eine absolute Mehrheit gehofft. Darunter eine Senatorin, die zuletzt häufiger unter Druck geriet.
In Koalitionsgesprächen stehen die Personalia immer am Ende, beteuern alle, die daran teilnehmen. Die Wahrheit ist: Senatorinnen und Senatoren müssen die Politik, die sich ein rot-grüner Senat in einen Koalitionsvertrag schreibt, auch vertreten. Bedeutet: Von der ersten Sekunde von Verhandlungen an geht es um die Posten, ein Personalgeschacher, das erst mit der Vereidigung enden wird.
Und die Grünen mit den beiden Spitzenleuten Katharina Fegebank und Jens Kerstan werden Scholz nicht billig davonkommen lassen. Denn bei ihren vermeintlichen Herzensangelegenheiten sieht es schlecht aus: Olympia? Will Scholz durchsetzen. Natürlich kann sich der Deutsche Olympische Sportbund für Berlin als Bewerberstadt für 2024 entscheiden. Dann ist das Thema schnell vom Tisch. Ansonsten müssen sich die Grünen auf eine Zustimmung, ein „Ja, aber“ einstellen. Damit können sie knurrend leben.
Die Grünen fordern einen Skalp
Die Stadtbahn wird Scholz ihnen nicht gewähren. Und die Elbvertiefung? Da entscheidet ja bekanntlich nach der juristischen Klatsche vor dem Bundesverwaltungsgericht die europäische Ebene. Irgendetwas also müssen die Grünen als „Skalp“ ihrer in Zahl und an Selbstbewusstsein gestiegenen Wählerschaft vorweisen. Noch mehr Wohnungen, noch mehr Radwege, noch mehr Umwelt- und Verbraucherschutz, noch mehr Studienplätze?
Die Grünen werden darauf bestehen, ein bedeutendes Ressort wie Innen, Wirtschaft, Finanzen zu erhalten. Ein Frühstücks- oder Begrüßungs-Posten ist ihnen zu wenig an Gestaltungsspielraum. Oder geben sie sich mit Justiz zufrieden und nehmen noch Wissenschaft dazu? Beides hat Tradition mit zum Beispiel Till Steffen (schwarz-grün) oder Krista Sager (rot-grün).
Wäre ein grüner Innensenator undenkbar? Amtsinhaber Michael Neumann (SPD) hat sich als hart durchgreifender Mann (Gefahrengebiete) und als glühender Olympia-Fan erwiesen. Wirtschaftssenator Jens Kerstan? Im Hafen und in der Luftfahrtbranche würde man aufmerken.
Blankau, Stapelfeldt, Prüfer-Storcks: Wer muss gehen?
Stadtentwicklung und Umwelt wären die natürlichste Wahl für die Grünen. Und es bedeutete das Aus für Jutta Blankau. Oder übernimmt Katharina Fegebank die Gesundheitsbehörde mit Verbraucherschutz? Oder gar eine andere Grüne? Cornelia Prüfer-Storcks kennt sich ja auch auf dem politischen Parkett in Berlin sehr gut aus. Würde Scholz, der die Gesundheitsexpertin geholt hat, sie nach Berlin „weiterempfehlen“?
Wie sicher sitzt Barbara Kisseler im Amtssessel, die sich als große Kennerin bewährte, unter anderem durch die Verpflichtung von Star-Dirigent Kent Nagano? Was macht Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt beruflich, wenn ihr Ressort grün eingefärbt wird?
Im Hintergrund laufen viele Gespräche, zwischen Senatoren, zwischen Aspiranten, Kandidaten, verdienten Parteikarrieristen und den Menschen an den Schaltstellen. Personalfragen sind Machtfragen. Olaf Scholz weiß das. Die Grünen ahnen es.