Andreas Nauen, Chef des Windturbinenherstellers Senvion, spricht über die Übernahme des Unternehmens durch einen US-Finanzinvestor. Standorte in Norddeutschland sollen erhalten bleiben.
Hamburg. Der Hamburger Windturbinenhersteller Senvion wird für rund eine Milliarde Euro an den US-Finanzinvestor Centerbridge verkauft. Das gaben die Unternehmen am Donnerstag bekannt. Derzeit gehört Senvion mit seinen weltweit rund 3400 Mitarbeitern zum indischen Konzern Suzlon, der hoch verschuldet ist. Ein Verkauf von Senvion oder auch ein Börsengang wurde deshalb in der Branche seit einiger Zeit erwartet. Senvion hieß bis Ende 2013 Repower Systems und wurde umbenannt, weil die Nutzung des alten Namens auslief. Es ist ein Pionierunternehmen der deutschen Energiewende. Die Zentrale mit rund 500 Mitarbeitern sitzt in Hamburg. Produziert wird unter anderem in Bremerhaven und in Husum. In Osterrönfeld bei Rendsburg betreibt Senvion zudem ein Entwicklungs- und Servicezentrum. Das Abendblatt sprach mit Andreas Nauen, seit 2010 Vorstandsvorsitzender von Senvion, über den Verkauf an Centerbridge und die Folgen für das Unternehmen.
Hamburger Abendblatt: Herr Nauen, warum steigt ausgerechnet ein Investmentfonds bei Senvion ein, eine Art von Anleger, die seit den 2000er-Jahren in Deutschland oft im negativen Ruf einer ,Heuschrecke‘ steht?
Andreas Nauen: Lassen Sie mich direkt eines klarstellen: Centerbridge ist keine Heuschrecke. Das zeigt auch, dass die Mehrheit des Kaufpreises mit Eigenkapital finanziert wird. Der Erwerb von Senvion ist für Centerbridge eine klare Wachstumsinvestition. Wir sind ein sehr erfolgreiches Unternehmen mit einer bekannten Marke, toller Technologie und einem erstklassigen Kundenportfolio. Dazu verdienen wir Geld. In vielen Gesprächen vor der Bekanntgabe dieser Transaktion wurde klar: Centerbridge wird gemeinsam mit Senvion weiter auf Wachstum setzen. Unser künftiger Eigner hat sich die Firma im Detail angesehen und ist davon überzeugt, dass man aus dieser Investition hier mehr machen kann.
Senvion wird als mittelständischer Hersteller von Windturbinen künftig wieder auf sich selbst gestellt sein – in den vergangenen Jahren haben aber Konzerne wie Siemens, General Electric oder Areva im Windkraftgeschäft ihre Position stark ausgebaut. Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?
Nauen: Gerade der Markt für Offshore-Windkraft wird heute stärker als früher von Konzernen bestimmt. Das gilt aber nicht für den Windkraftmarkt insgesamt – hier sind nach wie vor mittelständisch geprägte Unternehmen wie Senvion, aber auch Mitbewerber, die innovativen Treiber. Wir haben Senvion auch während der Zeit im Suzlon-Konzern immer wie einen Mittelständler geführt, in Konkurrenz zu anderen Mittelständlern wie auch zu Konzernen. Daran ändert sich aus meiner Sicht jetzt nichts. Und wir haben es in den vergangenen zweieinhalb Jahren geschafft, beim Umsatz von 1,2 Milliarden auf annähernd zwei Milliarden Euro zu wachsen. Für den typischen Kunden, der landgestützte Windturbinen kauft – sei es in Kanada oder wo auch immer –, sind wir mit einem Umsatz von 1,8 Milliarden bis zwei Milliarden Euro eine Riesenfirma. Und vielleicht ist es ja gerade ein Vorteil gegenüber den Konzernen, nicht ganz so groß zu sein.
Wie geht es Senvion wirtschaftlich?
Nauen: Wir haben im vergangenen Geschäftsjahr rund 1,8 Milliarden Euro Umsatz und etwa 100 Millionen Euro operativen Gewinn gemacht. Profitabel zu arbeiten, das hat außer uns nach meiner Kenntnis in der jüngeren Zeit nur einer unserer mittelständischen Wettbewerber geschafft. Für Forschung und Entwicklung geben wir rund 50 Millionen Euro im Jahr aus, auch da sind wir gut aufgestellt. Im Geschäftsjahr 2014/2015, das im März endet, werden wir ein leichtes Umsatzplus im Vergleich zum Vorjahr erreichen. Der Gewinn wird nicht riesig ausfallen, aber ordentlich, in einer Größenordnung, wie er sein soll. Nach den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres sind wir genau auf Kurs.
Sind Sie mit der Innovationskraft von Senvion zufrieden?
Nauen: Wir haben eine Modellpalette von drei Typenklassen, landgestützte Windturbinen von zwei und drei Megawatt Leistung sowie unsere Offshore-Maschinen von derzeit sechs Megawatt Leistung. Das passt für unser Unternehmen und die weltweiten Windmärkte sehr gut.
Senvion ist ein prominenter Teil der gesamten deutschen Energiewende-Historie – wird das Unternehmen in Hamburg und Norddeutschland präsent bleiben?
Nauen: Natürlich! Centerbridge hat uns als ganzes Unternehmen gekauft, weil wir in dieser Form gut aufgestellt sind. Aus unseren Standorten heraus haben wir bislang gute Geschäfte gemacht, deshalb folgen mit dem neuen Eigentümer nicht konsequenterweise Überlegungen zu Standorten. Unser Forschungs-, Entwicklungs- und Servicezentrum in Osterrönfeld wird auch weiterhin so bestehen bleiben. Es gibt keine Überlegungen, an der Struktur unserer Firma oder an den Standorten groß etwas zu ändern.
Sehen Sie es als Vorteil an, ohne die Einbindung in einen Konzern wieder eigenständiger am Markt agieren zu können?
Nauen: Natürlich mussten wir in den Jahren bei Suzlon auch immer auf die Konzernlogik schauen und darauf, wie sich unsere Arbeit in die Gesamtstrategie einfügte. Centerbridge wird sicher andere Schwerpunkte setzen. All das wird aber immer mit dem Blick nach vorn geschehen und mit dem Ziel, dass wir wachsen wollen. Wir machen einen wesentlichen Teil unseres Umsatzes hierzulande und sind hier in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Deutschland wird als Standort für unsere Ingenieure, unsere Produktion wie auch als Absatzmarkt für Senvion ganz entscheidend bleiben.
Stehen Arbeitsplätze im In- oder Ausland auf dem Spiel, oder könnten bei Senvion in absehbarer Zeit neue entstehen?
Nauen: Wie beschrieben, handelt es sich hierbei für Centerbridge um eine Wachstumsinvestition. Das bringt auch mit sich, dass man dafür passende Arbeitsplätze schafft. Im Einzelnen wird das davon abhängen, in welchen Märkten und Segmenten wir expandieren können. Derzeit zum Beispiel arbeiten wir unter anderem an der Realisierung neuer Offshore-Windkraftprojekte in Nordeuropa und stellen reichlich Windturbinen auf dem Meer auf. Eine Faustformel sagt dabei: Für zehn Maschinen braucht man einen zusätzlichen Servicetechniker. Diese Logik wird sich auch mit Centerbridge nicht ändern. Wir werden auch künftig – bedarfsgerecht – Personal aufbauen.
Besonders Offshore-Windkraftprojekte sind langwierig und bergen hohe Investitionsrisiken. Kann Senvion das aus eigener Kraft in Zukunft leisten?
Nauen: Wir schließen mit RWE gerade das Offshore-Windkraftprojekt „Nordsee Ost“ auf der deutschen Nordsee ab und nehmen die Windturbinen in den kommenden Monaten in Betrieb. Mit RWE und einem kanadischen Investor verhandeln wir über ein weiteres Projekt in der Region, den Windpark „Nordsee One“. Da sind wir in einem fortgeschrittenen Stadium, wir erwarten derzeit den Auftragseingang für die Windturbinen. Das zeigt, dass wir uns selbst das zutrauen, aber auch unsere Kunden.
Investmentfonds sind oft nur für kurze Zeit an bestimmten Unternehmen interessiert, bis sie beim Wiederverkauf einen höheren Preis dafür erzielen können. Wird der Vorstand also bald daran mitarbeiten, einen neuen strategischen Investor für Senvion zu suchen?
Nauen: Lassen Sie uns erst einmal die Transaktion abschließen. Das soll möglichst noch in diesem Geschäftsjahr passieren, also bis Ende März. Der Vertrag wurde unter Bedingungen abgeschlossen, die noch erfüllt werden müssen, etwa bei den kartellrechtlichen Genehmigungen. Dann werden wir uns gemeinsam auf das künftige Wachstum des Unternehmens fokussieren. Jetzt konzentriere ich mich auf einen guten und effizienten Übergang – und auf unser operatives Geschäft. Das ist ja auch das, was Centerbridge interessiert.
Bleiben Sie nach dem Verkauf weiterhin als Vorstandsvorsitzender bei Senvion?
Nauen: Ja. Ich bin begeistert und stolz, was wir bereits aus Senvion gemacht haben und freue mich auf die nächsten Schritte unseres Wachstumsweges.