Die Windmesse findet kommende Woche erstmals in der Hansestadt statt. Neue Anlagen auf See sollen bei der Energiewende helfen. Bisher war Husum Dreh- und Angelpunkt der WindEnergy.
Hamburg. Das Ende und zugleich den Anfang markiert eine versöhnliche Geste. Beendet ist der alte Streit um die Austragung der weltweit wichtigsten Windmesse zwischen Husum und Hamburg. Am Anfang steht die Hansestadt als Veranstaltungsort der neuen Leitmesse WindEnergy. Drei Windturbinen in Husum sollen vom morgigen Sonntag bis zum Dienstag jeweils von 20 Uhr bis Mitternacht bunt beleuchtet werden. Das Lichtkunstwerk zählt zum Vorprogramms eines Kulturfestivals in der nordfriesischen Stadt, es ist aber auch ein Gruß zum Beginn der WindEnergy Hamburg, die am Montagabend eröffnet wird und die von Dienstag bis Freitag läuft: „Wir freuen uns gemeinsam mit unserem Kooperationspartner, der Hamburg Messe & Congress, auf die Eröffnung der WindEnergy Hamburg“, sagt Husums Messechef Peter Becker.
Die Kooperation der beiden Messegesellschaften, die im Frühjahr 2013 vereinbart worden war, sichert Norddeutschland bei der Windenergie auch im Messegeschäft weiterhin die führende Position weltweit. Seit Anfang der 90er-Jahre war Husum Austragungsort der Weltleitmesse für die Windkraftbranche. Nach einem langen Streit zwischen Ausstellern, Verbänden und Messegesellschaften über den optimalen Messeort für das rasant wachsende Gewerbe einigten sich Hamburg und Husum auf eine Zweiteilung: Die Hansestadt trägt in den geraden Kalenderjahren nun alle zwei Jahre die internationale Leitmesse aus, Husum veranstaltet jeweils in den ungeraden Jahren die Messe Husum Wind speziell für den deutschen Markt, erstmals 2015. „Wir haben einen wirtschaftlich guten Vertrag schließen können“, sagt Husums Messechef Becker über die Partnerschaft beider Messegesellschaften.
Mit der Kooperation verbreitern die beiden Städte ihre Basis als Schaufenster der Windkraft erheblich. Zur WindEnergy Hamburg haben sich mehr als 1200 Aussteller angemeldet, so viele wie noch nie zuvor bei einer Windmesse. Hamburg profitiert unter anderem auch davon, dass mehr als 100 Aussteller von der vorangegangenen Schiffbaumesse SMM ihre Stände gleich vor Ort ließen. So zeigt vor allem die für Nordeuropa bedeutende Offshore-Windkraftbranche mit Werften, Windanlagenherstellern und maritimen Dienstleistern eine besondere Präsenz. Husum wiederum hat für die erste nationale Leitmesse bereits jetzt Anmeldungen von rund 500 Ausstellern: „Wir sind bereits exzellent gebucht“, sagt Becker.
Die beiden Messen unterstreichen die überragende Bedeutung der deutschen Küstenregionen für die Weiterentwicklung der Windkraft. Nirgends auf der Welt steht derart dicht eine so große Zahl von Windturbinen wie in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Nirgends wird die Offshore-Windkraft mit technologisch derart anspruchsvollen Projekten fortentwickelt wie auf der deutschen Nord- und Ostsee. Und wohl keine andere Stadt weltweit konzentriert eine solche Präsenz aller führenden Hersteller von Windturbinen wie Hamburg. „Jeder große Anbieter am Markt für Windkraft ist in Hamburg vertreten, deshalb sind auch wir hier aktiv“, sagt Ingrid Spletter-Weiß von der Commerzbank, die von der Hansestadt aus das Geschäft mit erneuerbaren Energien weltweit koordiniert, vor allem mit Windenergieprojekten.
Norddeutschland gilt international als Schaufenster für den technologischen Fortschritt bei der Nutzung der Windenergie. Führende Hersteller von Windturbinen wie Siemens, Nordex und Senvion haben ihre Zentrale in Hamburg, der deutsche Marktführer Enercon sitzt im ostfriesischen Aurich. Die meisten jener rund 120.000 Arbeitsplätze, die der Windkraftbranche in Deutschland mittlerweile zugerechnet werden, haben die Unternehmen der Branche an den deutschen Küsten aufgebaut. Treiber dafür war seit den 90er-Jahren die deutsche Energiewende. Rund neun Prozent des deutschen Stroms werden derzeit mit Windturbinen erzeugt. Durch den Ausbau der Offshore-Windkraft auf dem Meer und mit dem Ersatz kleinerer durch größere Anlagen an Land – das sogenannte Repowering – wird dieser Anteil in den kommenden Jahren weiter steigen. „Repowering ist hier an der Küste für die Windmüller ein großes Thema“, sagt Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie (BWE) und in Simonsberg bei Husum selbst Landwirt und Betreiber von Windturbinen. „Unter anderem hat es den Vorteil, dass die Zahl der Anlagen reduziert werden kann, falls gewünscht. Und dennoch steigt der Stromertrag.“
Auch auf See geht es voran, trotz vieler Rückschläge wie etwa mit dem noch immer nicht funktionierenden Landanschluss des Offshore-Windparks „Bard Offshore 1“. Die Bundesregierung novellierte in diesem Jahr das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), Grundlage für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Das brachte vor allem die Offshore-Windkraftbranche wieder in Schwung, die zuvor zwei Jahre lang wegen unsicherer Förderbedingungen in Deutschland keine neuen Projekte mehr gestartet hatte. Jüngst kündigten Unternehmen wie Vattenfall, RWE oder EnBW neue Projekte vor den deutschen Küsten an. „Die zweite Welle der Offshore-Windparks kommt jetzt in Gang“, sagt Uwe Beckmeyer (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeswirtschaftsminister und Maritimer Koordinator der Bundesregierung. „Unser Ziel ist es, dass jährlich bis zu zwei Offshore-Windparks vor den deutschen Küsten neu gebaut werden und dass diejenigen Fabriken in Deutschland eine kontinuierliche Auslastung erhalten, die sich mit Offshore-Windkraftprojekten beschäftigen.“
An den etablierten Märkten in Europa und in Nordamerika stagniert das Wachstum beim Zubau von installierter Windenergieleistung auf hohem Niveau von rund zehn Prozent jährlich. Für den riesigen asiatischen Markt hingegen erwartet die Commerzbank in den kommenden zwei Jahren an Landstandorten Zuwachsraten von jeweils mehr als 20 Prozent. Bei der Offshore-Windkraft ist China nach Deutschland und Großbritannien inzwischen der drittwichtigste Markt.
Damit die erneuerbaren Energien ohne Verbindung mit Atom- oder Kohlekraftwerken eine sichere Versorgung bieten können, müssen auch Speicher und Übertragungsnetze weiterentwickelt werden. Auch das wird Thema der WindEnergy in Hamburg sein. Die Fachmesse H2Expo zeigt innerhalb der Windkraftmesse Speichertechnologien, vor allem Wasserstoff, und moderne Antriebe wie Brennstoffzellen, in denen Wasserstoff und Sauerstoff Strom und Wärme erzeugen. Denn auch bei der Mobilität der Zukunft, die angetrieben wird von Wasser und Luft, will Norddeutschland weltweit Vorreiter sein.