Windstrom aus Norddeutschland werde unverzichtbar sein, um auch den Süden künftig zu einem hohen Anteil mit Strom aus erneuerbaren Quellen versorgen zu können. Stadt profitiert von der Energiewende.
Hamburg. Die Windenergie ist aus Sicht von Bundeswirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) „das Arbeitspferd“ der deutschen Energiewende. Windstrom aus Norddeutschland werde unverzichtbar sein, um auch den Süden künftig zu einem hohen Anteil mit Strom aus erneuerbaren Quellen versorgen zu können. „Wir wollen so viel Dezentralität wie möglich und so viel Zentralität wie nötig“, sagte Gabriel mit Blick auf die geplanten Stromferntrassen am Montag zum Auftakt der weltweit wichtigsten Messe der Windkraftbranche, der neuen WindEnergy Hamburg. Der Vizekanzler lobte Hamburg und Schleswig-Holstein dafür, dass sie den Streit um den Austragungsort der Windmesse zwischen Hamburg und Husum beigelegt haben. Das stärke den Norden bei der Energiewende insgesamt. „Die Windkraft, und speziell die Offshore-Windkraft, bringen der Küstenregion zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder eine Re-Industrialisierung, den Aufbau neuer, hochwertiger Arbeitsplätze.“
Rund 25.000 Arbeitsplätze, vor allem mit Bezug zur Windkraft, bauten Industrie und Dienstleistungsunternehmen in den vergangenen Jahren allein in der Metropolregion Hamburg auf, davon rund 15.000 in der Stadt selbst. Die norddeutsche Kooperation bei der Energiewende zahlt sich vielfach aus. Auch die WindEnergy bietet zahlreiche Beispiele für die fortschreitende Vernetzung innerhalb der Region bei den erneuerbaren Energien und bei den Speichertechnologien.
„Wir nennen uns Hauptstadt der Windenergie, wohl wissend, dass wir das nur eingebettet in unserer Metropolregion sein können, und in enger Kooperation mit unseren Nachbarländern“, sagte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) am Montagabend beim Senatsempfang zur Eröffnung der Windmesse. „Im Zusammenspiel mit den anderen Küstenländern sind wir kompetent: Schleswig-Holstein ist die Heimat der Windenergiepioniere, Niedersachsen produziert ein Viertel der landseitigen deutschen Windenergie. An Nordsee und Ostsee stehen die großen Offshore-Anlagen, und von den Häfen der Küstenländer werden die Windkraftanlagen versorgt.“
Norddeutschland besitzt mit der Bündelung von Windparks das größte Potenzial
Die Metropolregion selbst ist mittlerweile eine Art internationales Schaufenster für die Umsetzung der Energiewende. Norddeutschland besitzt mit der Bündelung von Windparks an der Küste und auf dem Meer das größte Potenzial, konzentriert und kontinuierlich Strom, Gebäudewärme und künftig auch Wasserstoff als Kraftstoff für die Mobilität aus Windturbinen zu erzeugen. In Hamburg sitzen die Windturbinenhersteller Siemens, Senvion und Nordex mit ihren Zentralen für das internationale Geschäft. Ein großer Teil der europäischen Offshore-Windparks wurde von Hamburg aus entwickelt: von Unternehmen wie Dong Energy, EnBW, Vattenfall, RWE oder E.on. Rund 190 Mitgliedsunternehmen zählt mittlerweile die Netzwerkagentur Erneuerbare Energien Hamburg (EEHH), überwiegend aus der Teilbranche der Windkraft, vom Ingenieurbüro bis zum Energiekonzern, vom Windparkentwickler bis zum Anlagenhersteller.
Auch für die Finanzierung der erneuerbaren Energien ist die Hansestadt einer der wichtigsten Standorte in Europa. Geldinstitute wie die HSH Nordbank und die Commerzbank bauen ihr Portfolio vor allem bei der Finanzierung von Wind- und Solarparks aus. „Wir zählen zu den fünf führenden Finanzieren für erneuerbare Energien in Europa“, sagte am Montag Lars Quandel, Leiter des Geschäfts für erneuerbare Energien bei der HSH Nordbank, zur Präsentation einer neuen Branchenstudie Windenergie. Die Bank peilt für dieses Jahr ein Neugeschäft mit einem Kreditvolumen von bis zu 850 Millionen Euro an, 700 Millionen Euro seien bereits realisiert, sagte Quandel.
Windkraft an guten Landstandorten ist günstiger als Strom
Die HSH Nordbank konzentriert sich auf den europäischen Markt. Die Windenergie vor allem in Norddeutschland werde in den kommenden Jahren eine der Säulen des Geschäfts bleiben. Aus Quandels Sicht rückt vor allem die Windkraft an windstarken Landstandorten immer näher an ein Kostenniveau heran, bei dem sie in einigen Jahren auch ohne Förderung durch die Stromverbraucher wettbewerbsfähig werden dürfte: „Windkraft an guten Landstandorten ist hierzulande heute bereits günstiger als Strom aus Erdgaskraftwerken“, sagte Quandel. „In den kommenden zehn bis 15 Jahren nähert sich das Kostenniveau auch dem der Braun- und Steinkohle deutlich an.“ Strom aus Windturbinen etwa an der deutschen Küste könne heutzutage bereits zu acht Cent je Kilowattstunde erzeugt werden, und das sei „konservativ“ gerechnet.
Um die Energiewende mit erneuerbaren Energien auf eine wirtschaftliche Basis zu stellen, sind Speichertechnologien für Strom, Wärme und Mobilität unabdingbar. Die Metropolregion Hamburg arbeitet daran mit einer Reihe von Pilot- und Modellprojekten, die auch bei der Fachmesse H2Expo innerhalb der Leitmesse WindEnergy gezeigt werden. „Wir arbeiten am weltweit leistungsfähigsten Demonstrationsprojekt zur Elektrolyse von Wasserstoff mithilfe von Windstrom“, sagte Bürgermeister Scholz, „und wir setzen auf eine wasserstoffgetriebene Mobilität.“